The main thing that you have to remember on this journey is, just be nice to everyone and always smile.
Ed Sheeran
Ich habe keine Ahnung, warum und wieso wir auf die unendlich bescheuerte Idee gekommen sind, den wundervollen Tag in Krutyn und unserer Kajaktour mit Wäschewaschen ausklingen zu lassen. Aber irgendwie haben wir in der Nähe eine Art «Waschsalon» gefunden und wir dachten uns in einem Anflug von geistiger Umnachtung wohl, es macht Sinn, noch schnell die Wäsche zu machen. Es ist schon kurz nach sieben Uhr, als wir in dem Feriencamp eintreffen, wo wohl die besagte Waschmaschine und der Trockner stehen sollten. Als wir ankommen erwarten wir alles, aber keine Waschmaschine. Die Frau an der Bar spricht zwar weder Englisch noch Deutsch, aber wir können ihr unsere Wünsche mit Gestiken vermitteln und tatsächlich gibt es irgendwo in einer längst vergessenen, staubigen Ecke eine Waschmaschine und einen Trockner. Indiana Jones hätte den Fund wohl umgehend in ein Museum gebracht. Sehr vielversprechend macht uns der Besitzer, der wenigstens ein paar Brocken Englisch kann dann darauf aufmerksam, dass man manchmal mit Karte bezahlen kann: «Sometimes you can pay with card. Sometimes not» meint er achselzuckend. Aha. Na gut, wir probieren es also und siehe da, die erste Wäsche ist in der Maschine und die Kartenzahlung funktioniert tatsächlich. 4 EUR sind fällig.
Nun müssen wir warten, zwei Maschinenladungen haben wir. Es wird langsam dunkel und wir kommen zum ersten Mal drauf, dass es vielleicht nicht die allerbeste Idee war – denn Schlafplatz haben wir auch noch keinen. Was kein Problem wäre, denn wir haben ja Zeit um einen rauszusuchen. Wenn wir denn ein Handynetz hätten. Nachdem die erste Wäsche fertig ist, kommt die zweite in die Trommel und die andere in den Trockner. Wieder warten. Als der Trockner fertig ist gibt’s eine schöne Überraschung: die Wäsche ist ungefähr genauso nass wie vorher. Also alles nochmal in den Dreckstrockner – dieses Mal haben wir mit der Kartenzahlung nicht so viel Glück. Wobei – ja, der Betrag wurde uns abgezogen, aber der Trockner hat keine Lust und läuft nicht los. Der Besitzer ist mittlerweile weg und wir können nirgends reklamieren. Hätte vermutlich auch keinen Sinn, denn die Maschinen gehören gar nicht ihm, sondern einer Wäschereikette. Also bezahlen wir zähneknirschend nochmals und hoffen, dass es dann besser ist. Es wäre schön gewesen, aber auch beim zweiten Mal ist es alles andere als gut. Der Trockner läuft zumindest, aber bezüglich erhofftem Ergebnis gibt’s ziemlich viel Luft nach oben.
Völlig genervt treten wir kurz nach 22 Uhr nachts mit dem Camper voll halbtrockener Wäsche die Fahrt zu unserem Stellplatz an. Im Innenraum sieht aus wie in einer Wäscherei auf Rädern und wir sind beide so deprimiert, dass wir in dem Moment grad mal überhaupt keine Lust mehr auf die Reiserei haben und am liebsten alles über den Haufen werfen würden.
Leider gibt es manchmal solche Tage. In solchen Situationen wünscht man sich das «alte» Leben zurück, wo alles komfortabel und einfach ist, wo man nicht an fremde Orte fahren muss, um seine Wäsche zu waschen oder sich jeden Tag neu um einen Schlafplatz kümmern muss. Aber glücklicherweise halten diese Erinnerungen nicht allzu lange an, und die positiven Erlebnisse überwiegen.
Für den nächsten Tag suchen wir uns wieder einmal einen Campingplatz. Das ist dringend notwendig nach dem extrem frustrierenden Vorabend. Wir brauchen etwas «Luxus». Und den finden wir tatsächlich an dem kleinen, niedlichen Örtchen direkt am Fluss Krutynia, auf dem wir am Vortag noch mit dem Kajak entlanggefahren sind. Wir füllen unsere leeren «Akkus» auf und geniessen den Tag an dem schönen Platz. Bereits am nächsten Tag machen wir uns allerdings wieder abfahrbereit. Doch der Platzbetreiber signalisiert uns, dass wir uns nicht stressen müssen, und so nehmen wir es wirklich sehr gemütlich. Plötzlich kommt unser Stellplatznachbar um die Ecke und quatscht uns an, als wir gerade unseren Wasservorrat auffüllen. Rob ist Australier und lebt in England. Wir kommen sehr schnell ins Gespräch und tauschen unsere Erfahrungen aus. Er ist mit seiner Freundin Åsa und Hund Ollie seit rund 3 Monaten auf Tour quer durch Europa.
Die Fahrt nach Warschau zieht sich ganz schön in die Länge. Doch wir kommen wohlbehalten an unserem Parkplatz für die Nacht an. Leider ist es schon dunkel und so sehen wir die unmittelbare Umgebung leider nicht. Es ist immer ein etwas ungutes Gefühl, wenn man die Gegend nicht kennt und nicht bei Tageslicht gesehen hat. Nun, leise ist es dort definitiv nicht – dazu brauchen wir kein Licht. Aber damit haben wir in einer grossen Stadt wie Warschau ohnehin nicht gerechnet. Aus der Ferne hören wir Musik von Ed Sheeran. Wer zum Geier dreht seine Lautsprecher bitte so laut auf, dass es die halbe Stadt hören kann? Die sind doch bescheuert. Eine kurze Google-Recherche bringt Licht ins Dunkel: Ed Sheeran selbst. Der gibt nämlich genau an diesem Tag ein Konzert im Warschauer Stadion – das keine 2 km von uns entfernt ist. Na gut, das lassen wir ausnahmsweise durchgehen. Als Ed dann seinen letzten Song zum Besten gegeben hat erhoffen wir uns etwas mehr Ruhe. Aber unser Plan geht nicht so ganz auf. Denn jetzt drehen die beiden Bars links und rechts neben unserem Parkplatz auf. War ja klar.
Polen hat unendlich viele Orte und Sehenswürdigkeiten zu bieten. Ein Beispiel ist Krakau. Traurige «Berühmtheit» erlangt die Stadt im zweiten Weltkrieg als einer der Punkte, in dem Juden in ein sogenanntes «Ghetto» gesperrt wurden. Diese Zwangslager sind leider an vielen Orten hier zu finden. In Teresienstadt, welches wir erst einige Wochen davor in Tschechien besucht hatten, bot sich uns die grausame und unbarmherzige Welt der Nazis. Krakau hat eine ähnliche Geschichte. Berühmtheit erlangte sie aber als Standort von Oskar Schindlers Fabrik. Schindler hatte damals in seiner Fabrik viele Juden beschäftigt. Mit der Produktion von Töpfen und Pfannen für Feldküchen leitete er ein «kriegswichtiges Unternehmen», und so waren die Angestellten mehr oder weniger vor der Deportation und dem sicheren Tod im etwa 60 km entfernten Konzentrationslager Auschwitz bewahrt. In Steven Spielbergs Klassiker «Schindlers Liste» wurde die Geschichte sehr originalgetreu nachgestellt. Schindler rettete mit seinem Vorgehen schlussendlich etwa 1.200 Juden vor dem sicheren Tod in der Gaskammer.
Aber man sollte Krakau nicht nur auf die schrecklichen Ereignisse des zweiten Weltkriegs reduzieren. Die Stadt selbst ist sehr schön anzusehen und hat neben der grossen Festung auch vieles zu bieten. Wir schlendern gemütlich durch die Stadt – aber ohne es zu wollen beschleicht uns immer wieder ein beklemmendes Gefühl. Die Gräueltaten, die hier von der Wehrmacht verübt worden, gehen uns nicht aus dem Kopf. Trotz allem: Krakau ist eine moderne, blühende Stadt voller Leben. Fast nichts erinnert noch an die Ereignisse von damals. Und das ist vermutlich auch gut so.
Von den zahlreichen Wanderungen, die man im Nationalpark Hohe Tatra unternehmen kann, suchen wir uns eine heraus, die am besten zu uns passt. Bei der riesigen Auswahl ist das gar nicht so einfach – aber nach Abwägen von Pro und Kontra finden wir genau DIE Wanderung schlechthin - zum Morskie Oko bzw. zum Tal der 5 Seen. Auch ein entsprechender Stellplatz ist gefunden, der uns mit allem nötigen Versorgen kann, was wir benötigen. Als wir dort ankommen, erkundigen wir uns beim Personal, wie man am besten zum Ausgangspunkt der Wanderung kommt – der ja immerhin noch 7 km entfernt liegt. Schnell ist die Rede von einem Bus, der dort regelmässig hinfährt und sogar vor dem Stellplatz hält. Na wunderbar, besser kann es nicht laufen. Wir fragen nur zur Sicherheit nach, ob man Hunde im Bus problemlos mitnehmen kann – denn Ollie ist ja mit von der Partie. Die Antwort ist alles andere als ermutigend: nein, denn Hunde sind im Nationalpark Hohe Tatra überhaupt nicht erlaubt. Wir sind erstmal baff über diese Information. Wir können es gar nicht glauben und recherchieren selbst im Internet nach. Vielleicht haben wir die Angestellten ja falsch verstanden. Aber leider stimmt es, was sie sagen. Es gibt keine Wanderung im Nationalpark, in dem Hunde erlaubt wären. Die Enttäuschung ist grenzenlos. Und verstehen können wir es schon gar nicht – denn Nationalpark hin oder her – man darf dort auf Pferden reiten, mit der Kutsche oder mit dem lärmenden, stinkenden Traktor im Bummelzug nach oben fahren – aber Hunde dürfen keine rein.
Schlussendlich finden wir eine Wanderung, die an der Grenze des Nationalparks verläuft, auf der Hunde mitgeführt werden dürfen. Natürlich befindet sich diese genau auf der anderen Seite des Nationalparks. Also heisst das für uns, wir müssen nochmal 45 Minuten fahren. Aber zumindest finden wir einen schönen, idyllischen Parkplatz. Die Wanderung zum Dolina Chochlowska ist nicht gerade besonders aufregend, sondern, um ehrlich zu sein, gähnend langweilig, weil die Hälfte davon auf einem asphaltierten Weg und die andere Hälfte auf einer Schotterstrasse verläuft. Aber es lässt sich nun mal nicht ändern. Zumindest freuen wir uns über die nette Gesellschaft, und den Abend verbringen wir wieder gemeinsam bei einer Partie UNO, rauchigem Whisky, ein paar leckeren “hot Toddies” (den ich der Einfachheit halber auf Tootsie umbenenne) und netten Gesprächen mit den Wahl-Engländern.