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30. Dezember 2023California Love
14. April 2024Baja Midnight
Drei von vier Stimmen in meinem Kopf wollen nachts schlafen. Die andere will wissen, wie Stühle aussehen würden, wenn unsere Kniescheiben hinten wären.
17. März 2024 - Reisetagebuch Eintrag #153
- Baja Midnight | geschrieben von Rene
Die Baja Family
Die Baja (sprich: “Ba-:ha”) California, die südliche Verlängerung vom US-amerikanischen „Kalifornien“, die aber schon in Mexico liegt, ist im Winter wie ein Schmelztiegel für alle Reisenden, Overlander und auch für viele „Snowbirds“. Zunächst zu den Snowbirds: verständlicherweise flüchten viele Kanadier und Nord-Nordamerikaner vor der klirrenden Kälte des Winters. Was für den Europäer etwa wie Portugal oder die kanarischen Inseln sind, so sind es für die „Snowbirds“ entweder Florida oder das mexikanische „Baja California“. Da Florida aufgrund seiner Bekanntheit preislich nicht (mehr) ganz so attraktiv ist, zieht es eben viele hierher – auf die Halbinsel, auf der auch wir den Winter verbringen. Und abgesehen von den Snowbirds sind es auch viele (Langzeit-)Reisende aus den verschiedensten Teilen der Erde. Hier trifft sich so ziemlich alles, was entweder die Panamerika von Alaska bis Feuerland fahren möchte oder diejenigen, die den Winter hier aussitzen, um anschliessend wieder in die Staaten zu reisen. Zu denen gehören wir. Und so ist es keine Seltenheit, dass man hier plötzlich wieder Deutsch, Schweizerisch, Französisch und Niederländisch hört. Plötzlich sehen wir unzählige Overlander-Trucks, 4x4-Vans und allerlei ehemalige Feuerwehrfahrzeuge mit europäischen Kennzeichen. Die Mercedes-LKW übernehmen in der Baja das Kommando – und so treffen wir von Tag zu Tag mehr Europäer, mit denen wir ins Gespräch kommen.
So selten wir in den USA die vertrauten Kennzeichen gesehen haben, so oft sehen wir sie hier. Kein Wunder – denn wie bereits erwähnt fliehen alle auf die etwa 1.600 km lange Halbinsel, auf der es nur eine einzige Strasse in den Süden gibt. Es ist Ende Dezember, der Jahreswechsel steht kurz vor der Türe. Wir fühlen uns in der Gesellschaft von Tina und Sven von bluontour sehr wohl, und so beschliessen wir, dass wir sowohl Weihnachten als auch Neujahr zusammen feiern möchten. Wir treffen uns an einem wunderschönen Strand in der Bahia de Conception und geniessen die wärmenden Sonnenstrahlen. Dort lernen wir auch Yvonne und Guido von travely.ch kennen – zwei weitere Weltenbummler, die mit ihrem Toyota Landcruiser unterwegs sind –die uns in den kommenden Wochen noch oft besuchen oder gar auf unserer Reise begleiten. Es ist so idyllisch und paradiesisch am Playa Requeson, dass wir eigentlich gar nicht mehr weiterwollen. Doch leider bietet dieser Strandabschnitt weder Frischwasser noch die Möglichkeit, Abwasser loszuwerden.
Nach etwa 8 Tagen wird unser Wasservorrat langsam knapp und wir verabschieden uns. Unser Ziel liegt am südlichsten Ende der Baja California. Unser Plan ist, uns zuerst in La Paz einen Ausgangspunkt zu suchen. Von dort aus wollen wir die Gegend erkunden und unser Winterdomizil aussuchen – welches uns ausnahmsweise einmal etwas mehr „Luxus“ als gewohnt bieten soll: Strom, Wasser und Duschen. Kurzerhand mieten wir einen Mietwagen für 4 Tage und beschliessen, dass wir die teilweise beschwerliche Strecke mit dem Auto abfahren wollen und den dicken, durstigen Ollie einfach mal stehen lassen.
Mietwagen Odyssee
Mexico ist nicht unbedingt bekannt dafür, dass alles geordnet und nach Plan abläuft. Das haben wir bereits bei unserem ersten Besuch im Winter 2022 am eigenen Leib erfahren dürfen. Hier wird vorzugsweise improvisiert, und dass irgendetwas einmal halbwegs geregelt abläuft, davon kann man nur träumen. Mit dieser Erfahrung lassen wir uns mit einem Uber zum etwa 4 km entfernten Flughafen bringen, wo unser Mietwagen bereitsteht, den wir ein paar Tage zuvor online reserviert und bezahlt haben. Doch wer meint, hier einfach einsteigen und losfahren zu können, der war noch nie in Mexico. Als wir pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt am Schalter von MEX – unserer Autovermietung – eintreffen, werden wir zunächst freundlich empfangen. So weit, so gut. Stirnrunzeln ist meistens kein gutes Zeichen. Es kommt, wie schon vermutet: der Schaltermitarbeiter schaut uns belehrend an und meint nach Prüfung unserer Unterlagen, dass wir eine zusätzliche Versicherung abschliessen müssen. Andernfalls kann er uns das Auto nicht übergeben. Für eine läppische Summe, die ungefähr das doppelte des eigentlichen Mietpreises beträgt, können wir die Versicherung abschliessen. Ein Schnäppchen. Ich winke ab und erkläre ihm klar und unmissverständlich, dass das für uns nicht in Frage kommt. Es wäre nicht Mexico, wenn man nicht improvisiert – nachdem er zunächst vehement auf seinem Standpunkt verharrt und ich ebenfalls nicht nachgebe, meint er schliesslich, er muss sich jetzt mit seinem Supervisor abstimmen. Wir dürfen Platz nehmen und warten. Fängt schon mal ganz toll an – so sind wir es von Mexico gewohnt.
Nach gut 20 Minuten ruft er uns erneut zum Schalter. Nun hat er ein „Sonderangebot“ parat – er kann uns die „erforderliche“ Versicherung in zwei Varianten anbieten, und dazu jeweils mit einem Sonderrabatt von rund 40 %. Ich erkläre ihm erneut und sehr eindrücklich, dass ich GAR KEINE zusätzliche Versicherung abschliessen werde. Ich wüsste auch gar nicht, wozu. Doch das sei „obligatorisch“ in Mexico, meint er. Dass das nicht stimmt, erkläre ich ihm, als ich ihm erzähle, dass wir bereits vor 2 Jahren in Mexico ein Auto gemietet haben, und wir dort diese Versicherung nicht abschliessen mussten. Nach kurzem Nachdenken meint er dann, dass dies nur in Baja California erforderlich sei. Erfinderisch sind sie ja – und lassen keine Gelegenheit aus, um die Gringos über den Tisch zu ziehen. Ich erkläre dem Kollegen zum allerletzten Mal, dass ich keinen Cent, Peso oder Rubel draufzahlen werde und beende das Gespräch. Nun liegt es an ihm. Er erklärt uns, er müsse sich mit seinem Supervisor abstimmen.
Nach weiteren 30 Minuten Wartezeit dürfen wir wieder am Schalter vorstellig werden. Wir müssen eine „Verzichtserklärung“ unterschreiben, dann können wir das Auto auch ohne diese Versicherung übernehmen. Na also, geht doch. Was auf dem Zettel steht, ist totaler Schwachsinn, aber sei’s drum. Wir haben ohnehin erst 1 ½ Stunden verplempert. Aber gut – zumindest sind wir jetzt so weit, dass wir die Kaution hinterlegen können. Wir geben unsere Visa Debit-Karte von Wise hin – 24.000 mexikanische Pesos sollen reserviert werden. „Oh…“ meint er – eine Debit-Karte kann er nicht nehmen. Ich hätte mir die Frage sparen können – doch ich stell sie trotzdem: „… und warum nicht?“. Ich bin genervt! Überall auf der Welt können wir mit der Karte bezahlen, vom 10 Cent Kaugummi bis zum mehrere tausend Dollar teuren Wohnmobil, welches wir über diese Karte gekauft haben. Aber der mexikanische Autoverleiher ist so auf Sicherheit bedacht, dass er die Karte nicht nehmen kann? Ja klar, Leute – bitte schenkt euch den Rotz und veräppelt zur Abwechslung jemand anderen. Ich sage ihm, dass wir überall auf der Welt mit dieser Karte bezahlen, bereits mehrere Autos damit gemietet haben und dass er sie einfach annehmen soll. Jetzt muss er erstmal mit seinem Supervisor reden.
Die Geschichte geht weiter, wir drehen uns im Kreis und wir dürfen noch zwei Mal Platz nehmen. Ich kann und möchte nicht alles anführen, was weiter geschieht – aber schlussendlich, nach 3 – ja DREI!!! - langen Stunden Diskussionen dürfen wir unseren Mietwagen endlich übernehmen. Ohne zusätzliche Versicherung und die Kaution ist mit der Visa Debit-Karte hinterlegt. Unglaublich und ärgerlich, womit wir unsere Zeit manchmal Verschwenden müssen. Wenigstens hat uns die kleine süsse Hündin «Piranha» mit ihrem markanten Unterbiss, die bei der Mitwagenfirma untergekommen ist und die sich ständig um unsere Beine schmiegt, etwas die Wartezeit versüsst. Wenn es nicht so kompliziert wäre, mit Hund zu reisen, hätte ich die glatt sofort mitgenommen.
Zumindest lohnt es sich, einen Mietwagen genommen zu haben - das wissen wir spätestens nach dem ersten Tag. Wir fahren die teilweise verwinkelten Orte, die engen Strassen und die Umgebung rund um La Ventana, Los Barilles und Todos Santos ab. Wir finden zwar einige Campingplätze, aber so ganz begeistern kann uns kaum einer. Entweder sind sie relativ voll und eng, oder aber sie sind so einfach und abgeschieden, dass wir uns nicht vorstellen können, dort für 2 Monate zu stehen. Kurz und knapp das Fazit nach 4 Tagen Mietwagen-Erkundungstour: der Campingplatz, den wir zunächst nur als Ausgangspunkt nutzen wollten, soll es werden. Hier haben wir alles, was wir brauchen. Campestre Maranatha ist am Stadtrand von La Paz. Der Campingplatz ist sehr gepflegt und sauber. Preislich sind die Plätze hier ohnehin alle nicht ganz günstig und somit fällt uns die Entscheidung nicht schwer. Drei Wehrmutstropfen: der Campingplatz liegt direkt am lauten Highway, die Stadt ist leider zu weit weg, um zu Fuss dorthin zu gelangen, und auch für einen Strandbesuch brauchen wir ein Fahrzeug. Umgerechnet rund 700,- Euro Stellplatzgebühr bezahlen wir für den Monat, dafür haben wir alles, was wir benötigen. Zum Einkaufen können wir nach La Paz, dort finden wir sowohl einen Walmart als auch einen Chedraui (die mexikanische Variante eines Walmarts).
Timeout
Die ersten paar Wochen in La Paz vergehen wie im Flug. Dass wir die Pause brauchen, wird uns von Tag zu Tag klarer. Besonders meine Motivation, weiter zu Reisen, war im Dezember und zum Jahreswechsel auf dem Tiefpunkt. Die nervige Erfahrung mit der Mietwagenagentur hat es definitiv nicht besser gemacht. Ich habe es schon in einigen Berichten erwähnt – und auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: aktives Reisen ist anstrengend. Es ist nicht der zweiwöchige All-In-Urlaub, wo man sich zurücklehnt, die Seele baumeln lässt, sich vom Frühstücksbuffet zum Pool hangelt, den Nachmittag mit ein paar Cocktails verbringt und sich dann anschliessend leicht bedudelt mit einer erfrischenden Dusche für das Abendessen schick macht, bevor es in die Hotelbar oder die Disco geht und sich dann spät nachts in das gemachte Bett fallen lässt – mit zu Schwänen gefalteten Handtüchern und einer Schokopraline auf der Decke versteht sich. Das meine ich nicht abwertend – im Gegenteil: das ist genau das, wonach ich mich in Wahrheit gerade sehne. Die geistigen Akkus von uns beiden sind leer, und die müssen aufgetankt werden, bevor es weitergehen kann.
Schon Ende Januar spüren wir, wie unsere Reiselust langsam wieder zurückkehrt. War zu Beginn des Monats eine weitere Planung fast ausgeschlossen und nahezu undenkbar, so sind wir nun plötzlich wieder aufnahmefähig und bereit, über Varianten nachzudenken, wie es bei uns weitergeht. Und wir treffen eine Menge netter Leute. So unglaublich es erscheinen mag: ein Paar, das uns 2022 in Ungarn am Plattensee über den Weg gefahren ist und mit denen wir nur kurz gequatscht haben, treffen wir hier wieder! Wir können es kaum glauben, als Elisa und Daniel mit ihrem Samy aus ihrem roten Feuerwehrauto aussteigen. Wir beäugen sie im ersten Moment genauso skeptisch wie sie uns und versuchen, die Gesichter einzuordnen. Doch dann macht es „klick“ und schnell schliessen wir die Globetrotter von „Kuno and Us“ in die Arme. Als wir gemütlich zusammensitzen, läuft uns keine zwei Stunden später Julia über den Weg. Genau die Julia (und Robert), die wir auf unserer Fährüberfahrt von Vancouver Island nach Washington kennengelernt haben – die leider so viel Pech mit ihrem Visum hatten, dass sie innerhalb kürzester Zeit wieder aus den Staaten ausreisen mussten. In einer mehr als geselligen Runde tauschen wir neue und alte Geschichten aus. Es ist wie eine WG, und unser Zuhause ist die Welt, wo man sich immer wieder über den Weg fährt. So anstrengend das Reisen auch sein kann – so unbezahlbar sind die Erlebnisse und die Bekanntschaften. Wir inspirieren uns gegenseitig und denken nun plötzlich wieder über weitere Ziele nach. Doch eines haben wir alle gemeinsam: spätestens um 20:30 Uhr fängt die gesamte Runde an zu gähnen und denkt darüber nach, ins Bett zu gehen. Hier ticken die Uhren etwas anders, und meistens ist um 21:00 Uhr die «Baja Midnight», und alle legen sich schlafen. Na ja, nicht immer, aber oft zumindest. Werden wir etwa alt?
Wir haben uns bewusst nicht viel in La Paz und auf dem südlichen Ende der Baja California vorgenommen. Wir machen nur einen Ausflug zum Tecolote-Strand und bestaunen den Playa Balandra von oben – denn zum Strand selbst kann man nur zu bestimmten Tageszeiten. Am Strand in Todos Santos sitzen wir begeistert in unseren Campingstühlen und beobachten die vorbeiziehenden Grauwale und ihre aufsteigenden Wasserfontänen mit unserem Fernglas. Es ist schon unglaublich, was die Umgebung hier zu bieten hat. Einen Nachmittag sitzen wir am Strand von La Ventana – dem Kite-Mekka von Mexico – und beobachten die Kiter bei ihren Kunststücken. Ich habe mir zwar vor langer Zeit schon einmal vorgenommen, einen Kite-Kurs zu machen. Doch ich bin gedanklich im Moment überhaupt noch nicht in der Lage. Schade, es wäre sicher spannend gewesen – vor allem, weil Sven – der bereits einen Kurs gemacht hat – sich hier vom Anfänger zum Meister kitet. Neidisch lese ich seine Berichte zu seinen Fortschritten, die er uns per WhatsApp durchschickt, doch mental war ich leider noch nicht so weit, da mitzuziehen. Viel zu sehr habe ich mich nach dieser „Pause“ gesehnt. Vielleicht in ein paar Monaten, Sven.
Haifischbecken
Doch einen Traum, den ich seit vielen Jahren in meiner Bucket-List herumtrage, soll endlich Wirklichkeit werden. Als ich 2012 in Thailand meinen Tauchschein gemacht habe, war die Wahrscheinlichkeit sehr gross, Walhaien zu begegnen. Doch leider sollte es nicht sein – und so warte ich seit gut 12 Jahren auf eine Gelegenheit, die sanften Riesen endlich einmal live und hautnah zu sehen. Nun soll es endlich so weit sein! Die Bucht von La Paz ist wohl das weltgrösste Walhai-Aquarium schlechthin. Jedes Jahr zwischen Dezember und April tummeln sich die bis zu 20 Meter langen, und somit grössten Fische der Erde, hier herum und verzehren gemütlich ihr Lieblingsessen: Plankton. Und von La Paz hat man die Möglichkeit, mit einem Boot in die Bucht gebracht zu werden, um dort mit den Walhaien zu schwimmen und zu schnorcheln. Gemeinsam mit Sven, Tina und Guido machen wir uns auf zur Schnorcheltour. Yvonne fühlt sich auf dem Wasser nicht ganz so wohl, und so meldet sie sich einfach freiwillig, um zwischenzeitlich auf Tinas und Svens Hündin Zola aufzupassen, während wir in der Haifischsuppe schnorcheln gehen.
Was uns dort erwartet, kann ich schwer in Worte fassen. Wir haben einen fantastischen, ruhigen Tag mit strahlend blauem Himmel erwischt. Die See ist ruhig und spiegelglatt. Überall in der Bucht sind die Heckflossen der Riesen zu sehen. Wir brauchen mit unserem Boot nur auf den „richtigen“ Walhai zu warten. Dann geht es ab ins Wasser. Als ich meinen Kopf unter Wasser halte, und wenig später ein Objekt in der Grösse unseres Wohnmobils auf mich zuschwimmen sehe, bin ich euphorisch, gerührt, ergriffen und überwältigt zugleich. Ich weiss nicht, ob ich schreien oder weinen soll. Oder beides zugleich. Es ist so unglaublich, ich bekomme eine Gänsehaut und was sich in meinem Kopf abspielt, kann ich nicht in Worte fassen. Die riesigen Gestalten zählen zu den grössten Tieren der Welt, und sie sind an Anmut und Sanftheit kaum zu übertreffen. Wie ein Kreuzer zieht er majestätisch an uns vorbei, und etwa eine Minute lang schaffe ich es, mit meiner Schnorchelmaske neben dem Hai herzuschwimmen, bevor er sich mit einem einzigen, kräftigen Flossenschlag aus meiner Sichtweite befördert.
Noch 4 weitere Male können wir ins Wasser und die Kolosse beobachten. Ich kann nicht genug bekommen, auch wenn alle anderen auf dem Boot schon erklären, dass sie am Ende ihrer Kräfte sind. Immer wieder springe ich hinein und kann einmal einen der Tiere fast 5 Minuten lang begleiten, bevor mich die Kraft in meinen Beinen verlässt und ich ihn davonziehen lassen muss. Einer meiner sehnlichsten Träume ist wahr geworden – doch dass es tatsächlich so eindrücklich ist, hätte ich mir nicht erwartet. Guido von travely.ch hat ein klasse Kurzvideo von unserem Ausflug zum Haifischbecken erstellt – das wollen wir euch keinesfalls vorenthalten. So könnt ihr uns nun virtuell auf unserer aufregenden Schnorcheltour begleiten:
Handmade
Ganz untätig sind wir die zwei Monate dann doch nicht. Und ein leidiges Thema, das uns schon seit Beginn unserer USA-Reise verfolgt, wollen wir endlich lösen. Nochmal für alle, die es nicht schaffen, alle unsere Berichte zu lesen: als wir Ollie gekauft haben, war nur eine hässliche, speckige Couch dort zu finden, wo einst eine vermutlich schöne Dinette gestanden ist. Diese Couch haben wir sofort noch vom Händler entfernen lassen, da wir die nicht einmal anfassen wollten – geschweige denn darauf zu sitzen. Also sind wir mit einer leeren Stelle losgefahren, wo einst das Speckmonster stand. Im Laufe der Monate haben wir uns zunächst mit Campingstühlen beholfen, dann haben wir irgendwann mangels Alternativen eine (neue) Couch bei Walmart gekauft. Das macht die Situation zwar nicht besser, aber zumindest war sie sauber. Doch essen und am Laptop zu sitzen ist auf einer Couch ohne Tisch ein Graus. Uns sind viele Lösungsmöglichkeiten durch den Kopf gegangen, doch ohne entsprechendes Werkzeug haben wir alle Ideen auch gleich wieder verworfen. Doch Sven führt in seinem Truck alles mit, was wir brauchen: Stichsäge, Bohrmaschine, Feile, Kleber und allerlei Accessoires. Er ist bereit, es uns zu leihen, und so gibt es keine Ausrede mehr.
Am Reissbrett sieht es alles noch sehr logisch und einfach aus. Wir machen einen Plan und listen alle Dinge auf, die uns zum Erfolg verhelfen sollen. Unser Ziel: eine DIY-Dinette für unseren Ollie, damit wir endlich eine vernünftige Sitzgelegenheit und vor allem auch einen ordentlichen Tisch haben. Wir legen los. Zuerst sägen wir die vorhandene Couch in der Mitte in zwei Hälften. Wir entfernen einen Grossteil der Polsterung und legen das Gerippe frei. Denn die Couch ist auf der Rückseite zu lang und muss um einige Zentimeter gekürzt werden. Alles wird zurechtgeschnitten, verstärkt und die Polsterung und der Bezug erneut angebracht. Nun muss die Couch um gut 25 cm erhöht werden. Dazu besorgen wir uns im lokalen Baumarkt Wasserrohre in zwei verschiedenen Durchmessern, besprühen das Ganze in Anthrazitfarbe und sägen die richtige Länge zu. Schlussendlich bringen wir alles an der Stelle an, an der die alten Beine waren.
Am Ende des ersten Tages haben wir so eine Sauerei angerichtet, dass ich so gut wie keine Hoffnung habe, das Projekt erfolgreich abzuschliessen. Wir können die Rohre mangels Equipment nicht gerade und bündig abschneiden, und schon nach dem ersten Versuch, die Kappe vom Rohr zu bekommen, löst sich eine der Schrauben aus der Couch und wir halten das Bein in der Hand. Vollkommen frustriert setz ich mich erstmal hin, während alle anderen auf mich einreden und versuchen, schönzureden was nicht schön ist. Pause!
Es hilft nichts, für den ersten Tag muss das reichen. Wir machen Feierabend und gedanklich verabschiede ich mich von unserer Couch, die ich vor meinem geistigen Auge schon auf einem Sperrmüllhaufen in La Paz sehe. Ich brauche etwas Zeit, um mich zu sortieren. Zuerst nachdenken, dann schneiden. Wir verbessern unsere Konstruktion und machen uns erneut daran – dieses Mal optimiert, und wir lassen uns Zeit dabei. Magdalena und ich funktionieren im Privatleben zwar meistens perfekt miteinander, doch arbeiten können wir zusammen nicht. Das ist unser grosses Manko. Gut, besser so als umgekehrt. Doch wir reissen uns am Riemen – und zusammen schaffen wir schlussendlich, was wir nicht mehr für möglich gehalten haben. Wir fertigen die Couch, bringen einen ordentlichen Rahmen drum herum an, verschrauben alles vernünftig am Boden und bauen uns dann den lang ersehnten Tisch zusammen.
Nach gut 4 Tagen können wir es nicht fassen, was für ein schönes Gefühl es ist, als wir uns das allererste Mal beim Abendessen gegenübersitzen und unsere Mahlzeit auf einem richtigen Tisch einnehmen können. Grossartig! Wir sind absolut begeistert von dem, was wir gebaut haben und freuen uns fortan jeden Tag aufs Neue. Viel zu lange haben wir das Projekt hinausgeschoben, doch nun hat es endlich geklappt. Und wir sind ein kleines Bisschen stolz auf uns.
Baja Bound
Guido und Yvonne, Marc und Bibi, Sven und Tina – alles Schweizer, die wir kennengelernt haben. Immer wieder treffen sie am Campingplatz für ein oder mehrere Tage ein und wir verbringen gemütliche Tage und Abende miteinander. Es fühlt sich gerade richtig gut an, es ist eine kleine, grosse Familie. Immer mehr Leute treffen wir hier, unterhalten uns und es entstehen Freundschaften. Manche bleiben für einen Tag, andere für ein paar Tage oder sogar Wochen. Sie kommen und gehen, und kommen wieder. Es fühlt sich ein wenig wie ein echtes Zuhause an, wo man von netten Leuten besuch bekommt und gemeinsam die Abende verbringt.
Party Time
Sven möchte gerne auf ein „Overlander-Treffen“ am Tecolote-Strand, in der Nähe von La Paz. Das ist eines der bekanntesten und grössten Overlander-Treffen in der Region. Die Rede ist von 2.000 und mehr Fahrzeugen. Abgesehen von viel Party und Bier sollte man hier auch spannende Leute und deren Geschichte(n) kennenlernen. Doch sowohl Tina als auch Magdalena sind nicht enorm begeistert davon, bis spät in die Nacht mit Musik vollgedröhnt zu werden. Und so beschliessen wir, dass Sven und ich allein gehen und schauen, was sich dort so herumtreibt. Wir lassen die Mädels zurück am Campingplatz und fahren mit „blu“, dem Camper von Sven und Tina, über das Wochenende zum Tecolote.
Yvonne und Guido sind ebenfalls dabei und so machen wir es uns inmitten der ziemlich verrückten Party-People gemütlich, grillen Steaks und Gemüse und trinken das ein oder andere Bier. Gut, bei den 2.000 Fahrzeugen hat sich wohl einer leicht verrechnet und eine «0» zu viel drangehängt, aber es ist trotzdem recht viel los und uns wird definitiv nicht langweilig. Schon deswegen, weil wir uns einen wirklich interessanten Platz ausgesucht haben, bei dem es ziemlich viel Sand gibt. Gefühlt jede Stunde gräbt sich irgendein leichtsinniger Camper in den Sand ein, und wir müssen ihn dann aus seiner misslichen Lage befreien. Na ja, müssen tun wir nicht, aber wir sind halt einfach mal so. Svens Sandbleche sind im Dauereinsatz, und dank ihm können wir dann auch eine sich anbahnende Ehekrise zwischen einem Pärchen aus Frankreich verhindern. Leider ist die Zeit viel zu schnell vorbei, doch das Wochenende ist grossartig. Da wir eher selten auf Partys sind, war es für mich eine mehr als gelungene Abwechslung.
Als wir uns gedacht haben, wir schreiben eben mal schnell einen Bericht über die zwei Monate, die wir in La Paz verbracht haben, glaubten wir, wir sind ziemlich schnell durch – da wir ja ohnehin nur „Pause“ gemacht haben. Doch eigentlich war wirklich immer etwas los. Und so kommt es, dass wir uns vom Campingplatzbetreiber einen Tipp geben lassen, wo die beste Werkstatt in La Paz ist. Seit wir unseren Coachmen gekauft haben, haben wir nie wirklich einen Check durchgeführt. Und nun, nach einigen tausend Meilen, wollen wir gerne wissen, ob unser Camper noch alle Schrauben am richtigen Ort hat. So fahren wir zu der uns empfohlenen Werkstatt.
Qualitätscheck
Wir sind zunächst sehr überrascht, denn wir werden ohne Termin sehr freundlich empfangen. Nur mit Englisch klappt es nicht so ganz, und mein Spanisch ist leider nicht mehr ganz auf dem Laufenden. Doch nach einigen Minuten kommt der Chef der Werkstatt, und der spricht nahezu perfektes Englisch. Wunderbar. Wir erklären ihm, dass wir gerne einen kompletten Fahrzeugcheck machen möchten. Alles kontrollieren und prüfen, ob irgendwo irgendetwas nicht mehr ganz dicht oder locker ist. Und wir haben seit geraumer Zeit ein nerviges Klopf-Geräusch, wenn wir über etwas unebenes Gelände fahren. Eine Werkstatt in Lake Havasu hat bereits vor ein paar Wochen einen kurzen Blick drauf geworfen und gemeint, die Stossdämpfer und Federn sind vermutlich schuld daran.
Michael und seine Werkstattcrew finden aber bereits nach kurzer Zeit heraus, dass es ein „alter Bekannter“ ist, der das Klopfen verursacht: die Stabilisatorenstange vorne ist locker. Ja, genau die, die unsere Lieblingswerkstatt in Dallas damals mit neuen Gummis versehen hatte. Egal, das ist Geschichte. Wir können es zwar zunächst nicht glauben, aber es stimmt tatsächlich: nachdem sie die Schraube festgezogen haben, ist das Geräusch weg. Und wir hätten in Lake Havasu schon fast die Stossdämpfer tauschen lassen. Wir sind begeistert. Wir lassen auch gleich den Keilriemen tauschen, um endlich unser Vögelchen loszuwerden, das uns die letzten zehntausend Meilen begleitet hat. Und Michael stellt fest, dass das Mittellager der Kardanwelle ebenfalls schon bessere Zeiten gesehen hat. Auch das wird getauscht. Die Spur wird ebenfalls neu eingestellt, die die vielen Schlaglöcher auf den unwegsamen Strassen der Baja leider in Mitleidenschaft gezogen hat. Und einen Ölwechsel gönnen wir Ollie auch noch. Wir verbringen den ganzen Tag in der Werkstatt, doch wir können alles reparieren lassen, was gefunden wird. Wir sind mehr als begeistert! Am Ende des Tages bescheinigt uns Michael, dass wieder alles Top in Schuss ist, und wir uns überhaupt keine Sorgen machen müssen. Na, das freut uns sehr.
Wir lernen immer mehr Leute am Campingplatz kennen, und fast alle laden uns zu sich nach Hause ein. Wir schreiben mehr Adressen in Kanada und in den Staaten auf, als wir wohl je besuchen können. Doch es ist schön – und wir hoffen wirklich, dass wir der ein oder anderen Bekanntschaft tatsächlich eine Visite abstatten können. Und angesichts der Pläne, die wir in der Zeit schmieden, ist es auch nicht ganz ausgeschlossen.
In Feierlaune
Meinen Geburtstag verbringen wir zum ersten Mal, seit wir in unsere Reise gestartet sind, nicht ganz allein. Sven und Tina überraschen uns mit einem Besuch am Campingplatz, und wir feiern bis spät in die Nacht mit Sangria und leckerem Barbecue. Und zur Feier des Tages serviert mir Tina einen selbstgemachten Schokokuchen. Was will man(n) mehr? Ein wirklich gelungenes Geburtstagsfest.
Abschied
Doch auch die schönste Zeit hat einmal ein Ende. Wir denken voller Freude an die lieben Bekanntschaften zurück, mit denen wir uns in Baja California und auf dem Campingplatz unterhalten und die Zeit verbracht haben. Tina und Sven, Yvonne und Guido, Marc und Bibi, Elisa und Daniel, Rene und Nadine, Michi und Sani, Kaeli und Brett, Robin und Mark, Carole und Jeffrey, Anke, Walter, Nash… die ganze Liste würde vermutlich den Bericht sprengen, und leider können wir nicht von allen Begegnungen erzählen.
Über zwei Monate sind vergangen, seit wir angekommen sind. Schweren Herzens verabschieden wir uns von der Campingplatz-Crew, die uns auch längst in ihr Herz geschlossen haben und wir machen uns auf den Weg Richtung Norden. Und wir sind uns während der Zeit einig geworden, wo uns unsere Reise hinführen soll. Wir haben neue Energie getankt und sind bereit für ein weiteres Abenteuer. Da unser Ollie noch so gut in Schuss ist, haben wir entschieden, dass wir Amerika noch nicht verlassen wollen. Unser Ziel ist der Norden. Und zwar der nördlichste Norden: Alaska! Wir haben von unseren Bekanntschaften so viel Gutes darüber gehört. Also muss etwas dran sein, und davon wollen wir uns selbst überzeugen.
Camping Neustart
Die erste Etappe führt uns nach Loreto, wo wir an einem recht einsamen Strand ein paar Tage verbringen. Der Wind hält uns ganz schön auf Trab. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, fliegt davon. Doch das ist in der Baja nun mal so – die gibt es nur mit Wind. Es ist trotzdem sehr schön, und der perfekte Einstieg in das echte Camperleben nach der langen Auszeit.
Der nächste Stopp ist der Playa Santispac, an dem wir leider nicht mehr ganz so alleine sind, doch die Aussicht und die Umgebung ist atemberaubend. Und wir bekommen überraschend Besuch von Robin und Marc, die auch gerade in der Gegend sind und eben mal schnell bei uns vorbeischauen. Ach, könnten wir nur für immer hierbleiben bei der grossen, schönen Baja-Family. Doch wir bekommen leider auch eine unliebsame Überraschung: als ich unseren Batteriekasten aufmache, in dem sich unsere Hausbatterien befinden, entdecke ich leider ein Leck und es bildet sich bereits einiges an Kaliumkarbonat, das weisse und höchst gesundheitsschädliche „Pulver“ an der Batterie. Das sind Sachen, die man gar nicht braucht – vor allem so kurz nach unserem „Re-Start“. Wir werden die Sache weiter beobachten, doch über kurz oder lang werden wir uns wohl auf die Suche nach neuen Batterien machen müssen. Genauso wie das Solar-Faltpanel – denn auch das funktioniert nicht mehr so, wie es soll. Die Leistung ist fast weg und eine der drei Flächen ist total ausgefallen. Die Leistung, die hereinkommt, reicht gerade mal so aus, um unsere Batterien bei Standlast ohne aktive Verbraucher auf Ladestand zu halten. Das heisst, auch hier müssen wir uns leider demnächst eine Alternative überlegen. Schade, dass die Dinger nur eine so kurze Lebensdauer haben.
Nach zwei Nächten geht es nochmals 200 km Richtung Norden. Das Dorf San Ignacio mit der schönen Kathedrale und den unzähligen Palmen macht ihrem Ruf als Oase alle Ehre. Hier richten wir uns für weitere zwei Tage an einem der Campingplätze ein und geniessen das Südsee-Feeling inmitten der Palmen und nutzen die Zeit, um unser Tagebuch auf Stand zu bringen.
Wir freuen uns nun unheimlich auf unser neues Ziel. Dafür müssen wir zwar zuerst die paar Probleme lösen, die eben aufgetaucht sind, und dann viele tausend Kilometer hinter uns bringen – die garantiert nicht weniger aufregend werden - doch wir sind fest davon überzeugt, dass es sich lohnen wird. Wir sind nun selbst sehr gespannt, wie unsere Geschichte weitergehen wird. Doch es fühlt sich bereits nach den ersten paar Tagen schon wieder „richtig“ an. Alaska, wir kommen!
Liebe Grüsse
Reiseroute
25. Dez. 2023 – 01. Jan. 2024 Bahia de Conception
MX01.Jan. – 07. März 2024La Paz
MX07. – 10. März 2024Loreto
MX10. – 12. März 2024Playa Santispac, B.d. Conception
MX12. – 14. März 2024 San Ignacio
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