"Das Ende kommt unausweichlich, Maverick. Ihre Art wird aussterben."Maverick: "Mag sein, Sir. Aber nicht heute."
Pete "Maverick" Mitchell, Film "Top Gun 2 - Maverick"
Von unserem Stellplatz im Grünen bei Leba sind es etwa 2 Stunden bis nach Danzig – unser nächstes Ziel. Nachdem sich am Vorabend der Himmel ziemlich schwarz gefärbt hat und in einem Gewitter endete, ist es am Vormittag zwar noch sehr schön, aber ab Mittag hören wir in der Ferne das Grummeln und Donnern der nächsten Gewitterzelle. Angesichts der Temperaturen jenseits der 30 Grad sind wir beide froh, dass es am Nachmittag beginnt, langsam etwas abzukühlen. Perfekt für die Fahrt.
Noch während wir im Auto sitzen, bekommen wir von der Unwetterzentrale in Polen ein SMS auf unsere Handys, dass mit Starkregen und Sturm zu rechnen ist. Wir haben uns zwar für diesen Service nicht angemeldet, aber trotzdem gut zu wissen. Die Farbe des Himmels lässt auch nicht viel andere Rückschlüsse zu: hier braut sich ordentlich was zusammen. Und tatsächlich schüttet und gewittert es, was das Zeug hält. Die Strassen sind binnen Minuten überflutet und das Wasser kann nicht so schnell abfliessen, wie es eigentlich sollte. Doch zu guter Letzt kommen wir wohlbehalten in Danzig – oder auf Polnisch «Gdansk» - an. Dank unserer Camper-App finden wir erneut ein Top-Plätzchen, um Frida abzustellen und wo wir auch über Nacht bleiben können. Der Himmel klart langsam auf, aber es ist schon Abend und wir haben heute nichts anderes mehr vor, als die schöne Aussicht auf die Skyline zu geniessen.
Am nächsten Morgen geht es gleich in der Früh los. Unser Parkplatz direkt an der Kopfsteinpflasterstrasse war nicht gerade der ruhigste, den wir bisher hatten. Dementsprechend sind wir auch ein wenig gerädert. Aber das Camperleben ist manchmal eben kein Honiglecken. Dafür werden wir mit strahlendem Sonnenschein und stahlblauem Himmel begrüsst. Wir steuern wieder einmal eine Touristeninformationszentrale an, die auch recht schnell gefunden ist. Hier besorgen wir uns erstmal eine Stadtkarte, anhand der wir anschliessend gezielt alle Ecken finden, die wir gerne sehen würden. Mit Ausnahme der Toilette. Ein Schild mit einem entsprechenden Hinweis ist zwar gleich gefunden, aber dort, wo die Pfeile hinzeigen ist nur ein Parkplatz. Entweder gibt es die Toilette nicht mehr, oder wir sind einfach zu doof, um sie zu finden. Die Stadt gefällt uns sehr gut. Auch hier hat der Krieg seine Spuren hinterlassen, denn ein grosser Teil der Altstadt wurde damals zerstört. Heute erinnert fast nichts mehr daran und die Stadt erstrahlt in neuem, altem Glanz. Wir laufen alle Ecken und Gassen ab, die uns interessieren – und das sind eine ganze Menge. Als es schon langsam Abend wird, gönnen wir uns zur Feier des Tages ausnahmsweise einen Imbiss, anstatt im Camper zu kochen. Der schicke Dönerladen hat es uns im Vorbeigehen angetan und wir wurden wirklich nicht enttäuscht. Somit ist das Abendessen für diesen Tag auch erledigt und wir können in aller Ruhe zu unserem rollenden Zuhause spazieren, bevor die Nacht hereinbricht.
Am nächsten Morgen geht es bereits wieder weiter. Nächster Halt ist Malbork – oder zu Deutsch Marienburg. Das ist nicht sehr weit von Danzig entfernt und auf jeden Fall einen Stopp wert. Schon von Weiten sieht man die prächtige, riesige Burg – zweifellos das Wahrzeichen der Stadt. Kein Wunder, denn die Marienburg ist der grösste Backsteinbau Europas. Zunächst aber heisst es für uns, ein Plätzchen für Frida zu finden. Und das ist ausnahmsweise mal gar nicht so schwer, denn am Stadtrand befindet sich ein Dinosaurierpark. Der öffentliche Parkplatz davor ist recht idyllisch, frei von Urzeitechsen und darf auch von der Allgemeinheit benutzt werden. Das kommt uns zugute und wir stellen uns in die hintere Ecke ins Grüne.
Der Tag hat temperaturmässig wieder einiges zu bieten, denn das Thermometer klettert gegen Mittag wieder einmal in den roten Bereich. Wir sind bereit für die Besichtigung der Burg, wenn da nicht ständig die Jets wären, die über uns hinwegdonnern. Unüberhörbar scheinen da einige Manöver geflogen zu werden, und da braucht es bei uns nicht lange, um unsere Aufmerksamkeit zu wecken. Wir können nicht anders und schauen uns mal die naheliegenden Militärflughäfen an. Tatsächlich liegt etwas oberhalb von Malbork eine Militärbasis, und nach kurzer Recherche finde ich auch heraus, dass dort MIGs geflogen werden. Somit ist es um uns und unsere ursprüngliche Tagesplanung geschehen. Dort müssen wir natürlich hin. Wir richten unsere Fahrräder her, und statt auf die Marienburg geht es zur Militärbasis. Die Anfahrt ist dann doch überraschend lange: fast 10 km legen wir zurück, bis wir endlich finden, was wir suchen. Google Maps zeigt uns eine Stelle, an der wir recht nahe an den Zaun herankommen, um Starts und Landungen beobachten zu können. Die Sonne knallt uns gnadenlos auf die Birne, doch das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Als wir an der von uns auserkorenen Stelle ankommen, ist erstmal Ruhe. Aber kein Problem, ist ja gerade Mittag. Sicher Mittagspause.
Wir finden ein Plätzchen im Halbschatten, um uns wenigstens ein bisschen von der Gluthitze schützen zu können. Nun heisst es warten. Die erste halbe Stunde ist um, aber irgendwie tut sich so gar nichts da am Flughafen. Nach etwa 1 ½ Stunden erfolglosen Wartens sind wir der Meinung, dass wir schon langsam irgendwie etwas Spektakuläres verdient hätten. Aber das Aufregendste ist der Bauer, der mit seinem rostigen Opel die Kartoffeln im Anhänger an uns vorbeikutschiert. Am Flughafen ist tote Hose. Auch nach 2 Stunden immer noch nichts zu sehen. Wir sitzen wie die Doofen am Waldrand und schauen auf die leere Startbahn. Ja, auch so kann man seinen Tag verbringen.
Gegen halb 3 Uhr nachmittags beschliessen wir, dass es wohl eine Schnapsidee war und ringen uns dazu durch, enttäuscht den Heimweg anzutreten. An der Hauptstrasse, etwa 2 km von unserem Warteplatz entfernt, hören wir dann in der Entfernung ein Fluggeräusch. Irgendwie war das sowas von klar. Aber wenigstens hören wir dann den Rest des Tages nichts mehr, was uns dann einigermassen beruhigt. Wir unternehmen eine gemütliche Fahrt nun endlich zur Marienburg selbst und bestaunen das architektonische Wunderwerk. Die malerische Templerburg aus dem 13. Jahrhundert ist einfach von allen Seiten schön. Viel zu viele Bilder finden den digitalen Weg auf unsere Speicherkarte, aber es muss einfach festgehalten werden.
Es ist der 19. August 2022. Ein besonders wichtiger Tag – denn: es ist der Geburtstag meiner Frau! Doch im Camper ist das leider nicht ganz so, wie zu Hause. Man kann keine Freunde einladen, keine Party planen und meistens wissen wir im Vorhinein noch nicht einmal, wo wir an genau diesen speziellen Tagen sein werden. So sind wir nun also in Marienburg. Irgendwie geht uns die Geschichte mit dem Militärflughafen nicht aus dem Kopf. Wir wollen gerne nochmals dort hin. Oder genauer gesagt möchte ICH nochmal da hin.
Gut, ich muss Magdalena für solche Sachen meistens nicht lange überreden. Da wir vom Vortag noch wissen, dass gerade am Vormittag sehr viel Flugverkehr war, wollen wir es nochmals versuchen – dieses Mal fahren wir aber mit dem Wohnmobil dort hin und sparen uns die mühsame Pedaltreterei. Vom Vortag wissen wir, dass dort genügend Platz ist, um unsere Frida abzustellen. Als wir ankommen sehen wir schon jemanden, der ebenfalls dort wartet. Ein gutes Zeichen. Und tatsächlich handelt es sich bei dem Polen, mit dem wir sehr freundlich ins Gespräch kommen, um einen Plane-Spotter. Also jemand, der Flugzeuge beobachtet und vorzugsweise auch fotografisch festhält. Von ihm erhalten wir allerlei Informationen zu den stationierten MIG-29, die hier doch recht oft starten und landen. Und tatsächlich haben wir heute mehr Glück als am Vortag: wir müssen zwar wieder eine Wartezeit von gut 1 Stunde auf uns nehmen, sehen schlussendlich aber zwei Eurofighter, die abheben und kurz danach beinahe senkrecht in den Himmel stechen. Doch leider wars das dann auch für die folgenden Stunden. Wir stellen fest, dass das Leben als Plane-Spotter kein Leichtes ist. Der Pole hat extra rund 2 Stunden Anreise von Gdansk auf sich genommen, da er sich heute ein paar Starts und Landungen versprochen hat. Aber immerhin, wenigstens etwas.
Die Hitze hat uns in den letzten Tagen etwas zu schaffen gemacht. Wir sehnen uns nach Abkühlung. Deswegen suchen wir einen schönen See in der Umgebung, bei dem wir auch über Nacht stehen dürfen. Wir haben mittlerweile ein wenig ein Gefühl dafür bekommen und stellen fest, dass es kein grosses Problem zu sein scheint, wenn man mit seinem Wohnmobil irgendwo parkt – offenbar auch über Nacht. Bereits einige Male ist die Polizei an den Plätzen vorbeigefahren, die wir uns für die Nacht ausgesucht hatten – aber nicht ein einziges Mal haben wir ihr Interesse geweckt. Und so suchen und finden wir eine nette Badestelle, die zu unserem Glück alles andere als stark besucht ist. Wir freuen uns auf das kalte Nass und können uns nach den letzten Tagen wieder einmal etwas ausruhen und unsere innere Temperatur auf ein normales Niveau bringen. Mittlerweile sind wir im Gebiet der Masurischen Seenplatte angekommen. Uns gefällt es so gut, dass wir sogar zwei Nächte dort verbringen, bevor wir weiterfahren. Das Frühstück und den Kaffee am Morgen geniessen wir am Steg mit Blick auf das Wasser. Wir trauen unseren Augen kaum, als ein grosser Seeadler wie aus dem Nichts über uns kreist, im Sturzflug sich sein Frühstück aus dem Wasser krallt und genauso schnell wieder weg ist, wie er gekommen ist. Wir sind zu langsam – oder zu perplex - um das mit der Kamera festzuhalten. Es ist schon gewaltig, was uns die Natur immer wieder für Schauspiele bietet.
Die masurische Seenplatte ist ein weit über die Grenzen von Polen hinaus bekanntes Erholungsgebiet. Die zahlreichen Seen laden hier zum Spazieren und zum Baden ein. Da es uns hier so gut gefällt, fahren wir gar nicht so weit weg und finden in Piecki erneut ein sehr schönes Plätzchen, auf dem wir zwei Tage verbringen. Die Wetterlage hat sich etwas normalisiert und kühlere Temperaturen stehen auf dem Thermometer. Wir hätten wirklich nicht gedacht, dass uns im Nordosten von Polen wirklich zu heiss werden könnte. Und so sind wir froh über die kleine Abkühlung und die angenehmeren Temperaturen in der Nacht.
Die masurische Seenplatte hat landschaftlich unser Herz erobert. Es gibt unzählige schöne Fleckchen, die erkundet werden könnten. Hier könnte man ohne weiteres vermutlich Wochen, ja gar Monate verbringen. Wir wollen gerne zum Fluss Krutynia – wohl eines der Highlights in dieser schönen Gegend hier. Besonders beliebt sind Kajaktouren auf dem Fluss, der glasklares Wasser führt. Auch wir wollen die Gelegenheit nutzen und finden einen Anbieter, der uns zusagt. Der ganze Ort besteht gefühlt nur aus Kajak- und Kanuverleihern. Und dass wir mit unserer Idee nicht die einzigen sind, merken wir ebenfalls recht schnell. Aber gut, wir vergessen nicht, dass wir hier mitten in der Hochsaison sind – und werten den Andrang als gutes Zeichen.
Unsere Hoffnung bewahrheitet sich schnell. Als wir die ersten Meter in unserem Kajak zurücklegen und am sanften Flusslauf entlangpaddeln wird klar, warum es ein so beliebtes Ausflugsziel ist. Wir treiben mehr oder weniger gemütlich durch die Krutynia und sind erstaunt. Die Werbung hat wirklich nicht zu viel versprochen. Durch das glasklare Wasser kann man an jeder Stelle unserer gut 13 km langen Tour den Boden sehen. Wir lassen uns so richtig Zeit, machen den ein oder anderen Stopp und verbringen den ganzen Tag auf dem Wasser. Ein wirklich wunderbares Erlebnis!