
Zwischenstop im Paradies
22. Oktober 2023
Banff, Jasper und Yoho – atemberaubende Nationalparks Teil 2
29. Oktober 2023Banff, Jasper und Yoho – atemberaubende Nationalparks Teil 1

Wandern ist eine Tätigkeit der Beine und ein Zustand der Seele.
25. Oktober 2023 - Reisetagebuch Eintrag #138
- BANFF, JASPER UND YOHO – ATEMBERAUBENDE NATIONALPARKS TEIL 1 | geschrieben von Magdalena
Ticket Run
Wir verlassen Edmonton und machen uns auf in die wohl schönsten Nationalparks Kanadas. Obwohl, vermutlich sind hier alle Nationalparks wunderschön. Um ehrlich zu sein ist es noch nicht allzu lange her, da war ich an einem Punkt, diese drei Parks gar nicht besuchen zu wollen. Ich bin in einigen kanadischen Facebook-Foren Mitglied, und was da alles über diese Parks geschrieben stand, da wurde mir ganz anders zumute. Total überfüllt, keine Chance einen Parkplatz mit einem RV zu bekommen, beim Wandern tritt man sich gegenseitig auf die Füsse, totales Chaos und stundenlange Strassensperrungen. All diese Horrorszenarien waren in den Foren-Posts den ganzen Sommer über fast täglich zu lesen. Klar ist da die Hauptreisezeit, aber die Negativnachrichten über die Nationalparks waren auch noch Anfang September unverändert.
Ich habe mich dann aber doch dazu durchgerungen, weiter zu recherchieren und die Hoffnung nicht aufgegeben, dass vielleicht ab der zweiten Septemberwoche etwas Ruhe einkehren wird. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich mich von all den negativen Nachrichten nicht ganz beeinflussen haben lasse. Ganz ehrlich, diese Nationalparks sind ein MUSS bei einem Kanada Besuch. Ganz ohne Recherche und Plan würde ich zwar nicht in die Parks gehen, aber es wird auch etwas übertrieben und teilweise ein zu grosser Hype daraus gemacht. Es kommt halt auch immer darauf an, was man alles sehen und unternehmen möchte. Wer nicht allzu viel Zeit hat und keine Lust auf Wandern hat, der kann auch einfach nur die 233 km lange Panoramastrasse durchfahren. Besser bekannt ist die Strasse unter dem Namen «Icefields Parkway», es handelt sich hierbei um eine Teilstrecke des Alberta Highway 93 zwischen Lake Louise und Jasper. Sie wird auch gerne als eine DER Traumstrassen weltweit bezeichnet. Man bekommt hier eine gute Vorstellung über die Schönheit des Nationalpark-Komplexes.
Wer uns kennt weiss, dass wir uns mit «einfach nur durchfahren», nicht zufriedengeben. Natürlich wollten wir einige der Highlights aus den Nationalparks auf keinen Fall verpassen. Somit heisst es also wieder mal, viel Zeit für die Recherche zu investieren. Ganz so einfach ist es gar nicht, an all die Informationen zu kommen. Eigentlich war die Stadt Hinton nach Edmonton nur als kurzer Zwischenstopp vorgesehen. Wir wollten uns dort nach der langen Fahrt beim Beaver Trail die Beine vertreten, uns mit frischen Lebensmitteln eindecken und bei Walmart übernachten, bevor es dann frühmorgens in die Nationalparks gehen sollte. Das Wetter hat uns aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Nachhinein betrachtet war es auch gut so. Wir haben den Regentag in Hinton genutzt und haben dort die Library (Bücherei) aufgesucht. Solltet ihr während eurer Reise, schnelles, stabiles Internet suchen und ungestört arbeiten oder recherchieren wollen, dann geht unbedingt in eine Library – die gibt es fast in jeder Stadt oder jedem grösseren Dorf in Kanada.
Nach einigen Stunden haben wir uns alle Sehenswürdigkeiten und "Must Do's" herausgesucht und uns einen Plan erstellt, wie wir die nächsten Tage in den Nationalparks verbringen wollen. Da wir immer gerne auch spontan entscheiden, haben wir keine Campingplätze vorgebucht. Das kann man sich eventuell in der Nachsaison erlauben. Zur Hauptsaison kann es jedoch gerade in diesen Nationalparks sehr schwierig werden, spontan einen freien Schlafplatz zu finden. Wir hatten selbst jetzt in der Nachsaison zweimal das Pech, abgewiesen zu werden und viel Glück, dass wir einen Alternativparkplatz gefunden haben.
Bevor wir nun endlich in die Nationalparks starten, müssen wir noch etwas erledigen. Ich will unbedingt zum Lake Louise und zum Lake Moraine. Um dort hinzukommen, muss man ein Ticket für den Shuttle Bus reservieren. Seit 2023 ist die Strasse zum Moraine Lake für Privatfahrzeuge gesperrt. Die einzige Möglichkeit dort hinzukommen ist der offizielle Shuttlebus, oder man hat sich in einer der Unterkünfte eingebucht. Und für diesen Shuttlebus muss man im Vorhinein Tickets (bzw. das Permit) reservieren, man kann die also nicht spontan vor Ort kaufen!
Da wir im April - da geht nämlich das Buchungsportal für die Shuttlebus-Tickets online und es werden 40% der verfügbaren Tickets verkauft - noch nicht gewusst haben, zu welchem Zeitpunkt wir in den Nationalpark kommen, haben wir natürlich keine Tickets vorab reserviert. Für Spontanreisende wie uns gibt es jedoch noch eine letzte Möglichkeit, um an die heiss begehrten Shuttle-Tickets zu kommen. Hier geht es zur Ticketbuchung: https://reservation.pc.gc.ca/
Jeden Morgen um exakt - und mit exakt meine ich wirklich EXAKT - 08:00 Uhr Ortszeit Alberta, öffnet sich das Buchungsportal. Die restlichen 60 % der Tickets werden dann freigegeben, und zwar für den übernächsten Tag (also für 48 Stunden später). Wir haben somit am Donnerstag um 08:00 Uhr morgens Tickets für Samstag reservieren können. Da wir gerne früh unterwegs sind, haben wir den Shuttlebus um 06:30 Uhr gewählt. Das Ganze hat uns 8 Dollar pro Person und 3 Dollar Reservierungsgebühr gekostet – also gesamt 19 kanadische Dollar für uns beide. Dafür ist das Parken bei der Shuttlestation gratis.
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie wir geschwitzt haben. Es ist fast so, als würdet ihr versuchen an die letzten Konzerttickets für die Abschiedstour von AC/DC zu kommen. Dank Atomuhr, zwei Laptops und zwei Handys haben wir es geschafft, an die Morgentickets zu kommen. Um 08:01 Uhr waren die Touren für den Vormittag dann schon alle weg. Ihr müsst also schnell sein und am besten schon im Vorhinein einen Account angelegt haben – denn das muss man ohnehin spätestens beim Buchungsvorgang tun.
Traumstart
Wir verlassen am nächsten Morgen den Parkplatz und können mit gutem Gewissen in den Jasper Nationalpark starten. Schnell noch alle Sachen zusammenpacken und ab gehts auf den Icefields Parkway. Beim Eingang lösen wir ein Eintritts-Ticket für den Nationalpark für zunächst drei Tage. Wir wissen noch nicht, wie lange wir bleiben wollen. Schon ab 7 Tagen rentiert sich ein Jahrespass. Da man aber immer wieder Tage nachkaufen kann und die Tickets dann, sollte man sich entscheiden einen Jahrespass zu kaufen, angerechnet werden, sind wir flexibel in der Entscheidung, wie lange wir bleiben wollen. Infos und Kartenmaterial vom Nationalpark bekommen wir gratis dazu. Ein Tagesticket ist für ALLE Nationalparks in der ganzen Umgebung - als Jasper, Banff, Yoho und Kootenay - gültig. Man muss also nicht separat pro Park ein Ticket lösen, wenn man den einen verlässt und in den anderen fährt. Die Parkgrenzen sind ohnehin nicht klar gekennzeichnet. Ein Tagesticket gilt übrigens immer bis 16 Uhr des Folgetags.
Das Wetter ist perfekt. Die Regenwolken von gestern haben sich komplett verzogen, von Smog ist keine Spur mehr zu sehen oder zu riechen und die Sonne zeigt sich von ihrer besten Seite. Wir fahren die ersten Kilometer auf dem Icefields Parkway und sind begeistert. Unser erster Stopp ist beim Maligne Canyon. Wir parken zuerst bei der Brücke Nummer fünf und bekommen schon einen kleinen Vorgeschmack auf den Canyon. Danach fahren wir zum Hauptparkplatz und machen dort die Wanderung von Brücke Nummer eins bis zur Brücke Nummer vier.
Weiter geht es danach zum Medicine Lake. Dort machen wir unsere Frühstückspause und geniessen die Aussicht auf den grossartigen See. Würden wir die Strasse hier weiterfahren, würden wir zum Magline Lake kommen. Von dort könnte man eine, aus meiner Sicht, vollkommen überteuerte Bootsfahrt buchen, um auf einen nahegelegenen Aussichtspunkt zu gelangen. Um dann auf der Plattform ein Foto von Spirit Island zu machen - dem Postkartenbild schlechthin. Der See ist sicherlich wunderschön und die Insel auch, aber wir geniessen lieber die Aussicht auf den Medicine Lake und sparen uns die 160 Dollar.
Unser nächster Halt ist eine Empfehlung von Sandra. Sie hat schon des Öfteren in diesem Hotel übernachtet und meinte, wir müssen da unbedingt hinfahren. Der See und die ganze Anlage sei einfach nur traumhaft. Somit suchen wir uns als Nächstes die Route zur Fairmont Jasper Park Lodge raus. Wir parken Ollie zwischen Lamborghinis, Corvettes und all den anderen Luxusschlitten und machen kurzerhand einen auf Hotelgäste. Die meisten Gäste sind vermutlich ausser Haus oder lassen sich gerade im Spa-Bereich verwöhnen. Wir haben die Aussenanlage fast für uns allein. Sandra hat nicht zu viel versprochen. Die Anlage mit dem See ist traumhaft. Wir laufen ein Stück dem schön angelegten Weg entlang und geniessen die Aussicht auf den türkis-blauen Beauvert See.
Inzwischen ist der Nachmittag angebrochen. Wie die meisten unserer Leser wissen, bin ich der Schisser in unserer Beziehung. Ich werde langsam etwas nervös und würde gerne wissen, wo wir unser heutiges Nachtlager aufschlagen. In all den Nationalparks ist es verboten, frei bzw. wild zu campen/übernachten. Man muss also zwangsläufig auf einem Campingplatz übernachten oder den Nationalpark in der Nacht verlassen. Bevor wir also unser nächstes Ziel anpeilen, bestehe ich darauf, den ausgesuchten Campingplatz anzusteuern, um uns ein Plätzchen für die Nacht zu sichern.
Die Dame an der Rezeption ist äusserst freundlich und hat einen Platz für uns frei. Beim Endbetrag werde ich dann stutzig und frage Sie, warum wir 10 Dollar mehr bezahlen, als auf dem Schild steht. Sie erklärt uns, dass da das Campfire Permit (die Erlaubnis, ein Lagerfeuer zu machen) noch nicht mit einberechnet ist. Da wir kein Lagerfeuer machen wollen, brauchen wir das jedoch nicht. Leider kann sie es nicht rausrechnen, man muss hier immer ein Campfire Permit bezahlen, egal ob man ein Feuer macht oder nicht.
Ich glaube sie sieht uns beiden an, dass wir damit nicht so happy sind und bietet uns an nachzuschauen, ob es beim anderen Campingplatz, der keine 5 Minuten entfernt ist, noch einen freien Platz gibt. Die haben anscheinend Seiten mit und ohne Feuerring. Und tatsächlich ist da ein Platz für uns frei – den sie direkt für uns online bucht. Wir können es kaum glauben, wo würde einem sowas in Europa passieren? Dank der netten Dame haben wir uns die 10 Dollar gespart und bekommen einen wunderschönen Stellplatz mit einem nigelnagelneuen Duschhaus im Whistlers Campground. Nun bin ich beruhigt und unserer nächsten Wanderung steht nichts mehr im Wege.
Fünf Seen
Ab geht es zum «Valley of Five Lakes». Es erwartet uns ein 4,6 Kilometer langer Rundweg, der zunächst durch den Wald und später vorbei an allen fünf Seen des Tals führt. Ich muss nicht erwähnen, dass einer schöner als der andere ist. Eine grossartige und nicht allzu anstrengende Wanderung steht uns jetzt bevor. Uns fällt auf, dass wir seit langem wieder mal Fremdsprachen (ausser Englisch natürlich) hören. Erst heute wird uns so richtig bewusst, dass wir an einem der Touristenhotspots schlechthin sind und bis jetzt eigentlich sehr wenige Touristen in Kanada gesehen oder getroffen haben. Natürlich hören wir auch ein paar deutsche Sätze dazwischen. Mit einem jungen Pärchen aus Baden unterhalten wir uns kurz und übernehmen dann ihren Picknick-Sitzplatz, da sie ihre Pause gerade beendet haben. Der Platz eignet sich bestens für unsere Nachmittagsjause. Wir verabschieden uns und wüschen den beiden eine schöne Weiterreise. Denn hier in diesem riesigen Gelände des Nationalparks ist die Chance, sich wiederzusehen, gleich null.
Zurück am Parkplatz angekommen beschliessen wir, noch einen Abstecher zum Pyramid Lake zu machen. Danach wollen wir, wenn es noch nicht zu spät ist, Jasper selbst noch etwas erkunden. Die Strassen sind nicht mehr allzu voll und auch die Parkplätze werden langsam leer. Wir geniessen den kleinen Rundweg auf der Pyramid Lake und fahren danach ins Dorf.
In Jasper ist es gar nicht so leicht, einen kostenlosen Parkplatz zu finden. Kurz nach dem Stadtkern werden wir dann aber an der Hauptstrasse fündig. Ollie hat ein sicheres Plätzchen und wir spazieren gemütlich in den doch sehr touristischen Ort und gönnen uns einen Kaffee bei Tim Hortons. Was für ein wahnsinnig schöner, erster Tag im Jasper Nationalpark. Jetzt heisst es nur noch ab auf den Campingplatz, rein in die heisse Dusche, schnell was zum Abendessen kochen und dann ins Bett. Der Wecker klingelt schon bald wieder.
Eis-See
Unser zweiter Tag startet um 06:15. Schnell Zähne putzen, Gesicht waschen und ab hinters Steuer. Die Heizung voll aufdrehen und rauf auf die Strasse. Die Nächte sind inzwischen schon sehr frisch. Nicht selten kratzen wir an der 0 Grad Marke. Da ist sogar Rene dann ganz schnell mit anziehen und losfahren. Obwohl er ansonsten ein ziemlicher Morgenmuffel sein kann und nicht sehr gerne so früh aufsteht. Aber wenn man in den kanadischen Rockys die Highlights sehen will, muss man früh aus den Federn. Unser erstes Ziel für heute ist der Mount Edith Cavell. Die letzten 14 Kilometer vor dem Parkplatz ist nur für Fahrzeuge bis zu 24 Fuss (7,5 Meter) erlaubt. Wir haben offiziell 23 Fuss. Oft kommt es hier auch schon am Vormittag zu Strassensperrungen. Wir sind heute aber früh genug dran und schaffen die enge und steile Strasse ohne Probleme. Rene fährt Ollie wie ein Profi. Man könnte fast meinen, er hat nie ein kleineres oder schmaleres Fahrzeug gefahren. Ich muss euch natürlich nicht sagen, dass ich fast sterbe und heilfroh bin, als wir am Wanderparkplatz ankommen und ich aussteigen kann.
Die Sonne ist inzwischen aufgegangen und wir richten uns ein kleines Frühstück samt Kaffee zusammen und machen uns auf den „Path of the Glacier“-Trail. Der Weg ist gerade mal 1,2 km lang und nicht sehr anstrengend. Man sollte sich jedoch warm anziehen. In dieser Höhe kann es schon etwas frischer werden. Da die Luft hier schon ziemlich dünn ist, kommt man jedoch schnell zum Schnaufen, auch wenn der Weg nicht allzu lange ist. Am Ende der Wanderung, erwartet uns ein Gletschersee samt Eisschollen. Wir waren einem Gletscher noch nie so nahe und gehen bis zum See runter. Wir können diese Landschaft, den Berg und Gletscher gar nicht in den Bildern festhalten. Uns bietet sich hier gerade ein spektakulärer Anblick und wir geniessen ihn in vollen Zügen. Die Bilder zeigen nicht einmal einen Bruchteil der Schönheit, die uns sich hier präsentiert.
Nach 1 ½ Stunden sind wir wieder zurück am Parkplatz und packen gerade unsere Sachen zusammen, als uns eine bekannte Stimme anspricht. Jannis und Nina haben mit ihrem Camper direkt neben uns geparkt. Das deutsche Pärchen hat uns gestern bei der «Valley of five Lakes»-Tour die Stühle mit der schönen Aussicht freigehalten. Wir kommen etwas tiefer ins Gespräch und erfahren, dass sie mit ihrem Leihcamper eine zweiwöchige Tour durch Kanada gemacht haben. Die Rockys sind ihr letztes Ziel, bevor sie dann wieder zurück in die Heimat müssen. Wir könnten noch ewig weiterquatschen. Sie haben jedoch noch die Glacier Wanderung vor sich und wir haben heute auch noch einiges auf dem Programm. Zum zweiten Mal verabschieden wir uns von ihnen und wünschen den beiden eine schöne Reise.
Für uns geht es jetzt weiter zu den Athabasca Falls und den Sunwapta Falls. Diese zwei Wasserfälle liegen direkt am Icefields Parkway und man muss nicht allzu weit laufen, um einen schönen Blick darauf werfen zu können. Wir laufen auch hier die meisten Wege ab, um die Wasserfälle aus verschiedensten Perspektiven zu sehen. Nur mit der ersten Aussichtsplattform geben wir uns nicht zufrieden. Kaum läuft man etwas weiter weg von der Hauptattraktion, dann hat man die Natur auch schon fast für sich allein.
Gletscher Expedition
Kurz nach Mittag kommen wir am Columbia Icefield an. Hier hat man nochmals die Möglichkeit, einen Gletscher von nächster Nähe zu sehen oder ihn sogar zu betreten. Mehrere Gletscherzungen ragen fast bis an die Strasse. Zumindest war das vor ein paar Jahrzehnten noch so. Heute ist es deutlich zu erkennen, wie sich das Eis jedes Jahr zurückgebildet hat und der Gletscher langsam zu verschwinden droht. Es gibt die Möglichkeit, mit einem Expeditionsfahrzeug auf den Gletscher zu fahren. Man darf dann sogar auf dem Gletscher etwas herumlaufen. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, was ich davon halten soll. Ich verstehe den Sinn dahinter nicht. Auf der einen Seite soll der Gletscher geschützt werden, andererseits fahren dann tausende Touristen täglich mit diesen schweren Kettenfahrzeugen auf den Gletscher und quer durch das Gelände. Die hochmotorisierten Fahrzeuge ohne Leistung, die sich nahezu im Minutentakt Richtung Gletscher bewegen, ziehen eine schwarze Rauchwolke hinter sich her. Ich kann es kaum glauben und muss den Kopf schütteln, als ich das sehe.
Wir haben uns dazu entschieden beim Besucherzentrum links abzubiegen und stellen Ollie beim Parkplatz ab. Von hier starten unter anderem auch geführte Gletscherwanderungen. Dafür muss man sich jedoch im Vorhinein anmelden. Wer aber einen kurzen Blick auf den Gletscher erhaschen will und keine ganze Gletscherwanderung machen will, kann auch den «Toe of the Athabasca Glacier Trail» laufen. Ein 1,4 km langer Rundweg führt zu einem Aussichtspunkt, bei dem man einen grossartigen Blick auf die Gletscherzunge bekommt. Betreten kann man den Gletscher selbst jedoch nicht, dafür ist er zu weit entfernt. Über Infotafeln, die den ganzen Weg entlang zu finden sind, erfährt man allerlei Wissenswertes über den Gletscher, seine Entstehung und seine Zukunft. Für uns eine schöne Alternative, um doch nochmal einen Gletscher aus nächster Nähe zu sehen, ohne zu viel in die Natur einzugreifen.
Beim Columbia Icefields Center treffen der Jasper- und Banff Nationalpark aufeinander. Als wir den Parkplatz verlassen und weiter Richtung Süden fahren, fahren wir somit nun durch den Banff Nationalpark. Der Highway, immer noch der Icefields Parkway, verläuft die meiste Zeit entlang eines Flusses. Die hohen Berge türmen sich links und rechts auf, das Wetter ist traumhaft und wir verstehen, warum diese Strasse, zu einer der schönsten Strassen der Welt gehört. Für heute stehen noch drei Seen auf unserer Tagesliste. Der Waterfowl Lake liegt direkt am Highway. Schnell raus aus dem Wohnmobil, ein paar Fotos knipsen und weiter geht die Fahrt.
Wir wollen als nächstes zum Peyto Lake. Hier kommt man über einen kurzen Rundweg zu einer Aussichtsplatzform. Als wir oben ankommen, liegt der See leider schon sehr im Schatten. Alles kann man halt nicht haben. Das kristallklare, türkisfarbene Wasser ist jedoch noch zu erkennen. Und wieder können wir über diese atemberaubende Natur nur staunen.
Zum Schluss bleiben wir noch beim Bow Lake stehen. Die Sonne steht schon weit unten und es schieben sich ein paar Wolken davor. Die Schönheit des Sees ist jedoch immer noch zu erkennen. Wir machen uns auf Richtung Lake Louise Campground. Inzwischen ist es schon halb sieben abends. Wir hoffen, dass sie für uns noch ein Plätzchen freihaben. Am Eingangstor angekommen, meint der Mitarbeiter ziemlich hochnäsig, dass er keinen freien Platz bis November freihätte. So quasi, was wir uns eigentlich gedacht hätten, jetzt spontan noch einen Platz zu bekommen. Dieser Typ ist fix kein Kanadier, so unfreundliche Leute gibt es hier Gott sei Dank nicht viele.
Wir finden einen Overflow Parkplatz, nicht allzu weit entfernt. Für uns genau das Richtige. Dieser Platz kostet gerade mal 11 kanadische Dollar, ist relativ gerade, nicht allzu laut und für uns zum Schlafen mehr als ausreichend.
Postkartenbilder
Unser dritter Tag im Banff Nationalpark ist angebrochen. Kurz vor 06:00 Uhr morgens verlassen wir den Parkplatz und fahren zum Lake Louise Ski Resort & Summer Gondola. Von hier aus starten die Shuttle Busse zum Lake Louise und Lake Moraine. Man kann sein Fahrzeug gratis beim grossen Parkplatz abstellen und so ganz gemütlich und ohne Stress zu den Seen gelangen. Wir haben für heute einiges geplant. Zuerst ein kurzer Stopp beim Lake Louise um Bilder zu machen, dann heisst es für die nächsten Stunden wandern. Nachdem wir unseren Frühstücksriegel erfolgreich von einem Vogel verteidigt haben, biegen wir rechts neben dem See ab.
Vor uns liegt nun ein 3,4 km langer Weg. Es gilt 300 Höhenmeter zu bewältigen, um zum Lake Agnes Tee House zu gelangen. Rene hat heute den Turbo eingeschaltet. Er rennt fast den Berg hinauf. Vielleicht liegt das auch daran, dass er eigentlich keine wirkliche Lust auf diese Wanderung hat und auf eine Teestunde mit mir hat er noch weniger Lust als aufs Wandern. Wir überholen die Menschenmassen und staunen nicht schlecht, als wir einen Stopp beim Mirrow Lake einlegen. Die Sonne steht ideal, der See ist spiegelglatt und der Big Beehive spiegelt sich perfekt darin. Als ich Rene erkläre, dass wir später noch auf diesen Berg wandern werden, schüttelt er nur den Kopf und läuft weiter Richtung Lake Agnes.
Keine 10 Minuten später kommen wir beim Teehouse an. Ich stell mich gleich schon mal in der Schlange an, um für eine Tasse heissen Tee zu sorgen. Rene macht derweil Fotos vom Lake Agnes. Das Wetter ist traumhaft und 30 Minuten später komme ich endlich mit einem Becher heisser Schokolade für Rene und einem Tee für mich zum Tisch, den Rene für uns reserviert hat. Wir geniessen den Ausblick auf den See und die umliegenden Berge. Allein ist man jedoch hier auf keinen Fall. Es ist unglaublich, wie viele Leute hier raufpilgern und diese Wanderung machen. Und das, obwohl die Ferienzeit schon vorbei ist.
Gestärkt ziehen wir weiter. Ich konnte Rene doch noch zur nächsten Wanderung motivieren und gab ihm mein Versprechen, dass er es nicht bereuen würde. Es geht nochmals 3 km lang, 300 Meter aufwärts zum Big Beehive. Der Weg ist teilweise ganz schön schmal. Unter Höhenangst sollte man nicht wirklich leiden, wenn man diese Wanderung machen will. Aber der Ausblick von ganz oben auf den türkisfarbenen Lake Louise ist unbezahlbar.
Wir suchen uns ein schönes Plätzchen und verschnaufen erstmal. Von hier aus haben wir einen genialen Ausblick auf den Lake Louise. Nun ist es auch Zeit, unsere Jause zu verspeisen. Keine 2 Minuten später kommen auch schon die Essensdiebe. Wir können unsere Pause fast nicht geniessen, da wir unser Essen vor zwei Vögeln und eine paar sehr frechen Streifenhörnchen verteidigen müssen. Die Tiere sind absolut nicht scheu und attackieren uns regelrecht. So habe ich mir unsere Pause nicht vorgestellt.
Wir packen unseren Rucksack wieder zusammen und bereiten uns auf den Abstieg vor. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder gehen wir den gleichen 6,5 km langen Weg zurück, oder wir halten uns links Richtung «Plain of Six Glaciers Teahouse» und nehmen somit den etwas längeren Weg. Dafür kennen wir den noch nicht und er führt zum Schluss entlang des Lake Louise.
Rene entscheidet sich für den längeren Weg. Der Abstieg zieht sich ganz schön in die Länge. Es hat sich jedoch rentiert den Rundweg zu gehen, die Aussichten während der Wanderung und nun den Ausblick auf den Lake Louise sind wunderschön. Die Farbe ist surreal und kitschig zugleich. Das letzte Mal, als wir solche Farben bei einem See gesehen haben, waren wir in Neuseeland.
Wir verlassen am Nachmittag Lake Louise und fahren zum Moraine Lake. Dieser See gilt auch als Aushängeschild für Kanada. Früher war er auf dem 20 Dollar Schein abgebildet, heute findet man ihn auf vielen Postkarten. Zum Glück ist es vom Parkplatz nur ein kurzer Spaziergang zur Aussichtsplattform. Die Farben hier sind noch intensiver und das dunkle Blau glitzert im Sonnenschein. Auch wenn es uns viele Nerven, viel Zeit und Energie gekostet hat, diese Wanderung vorzubereiten - es hat sich gelohnt! Diese zwei Seen sind wirklich traumhaft. Und wenn man die Menschenmassen neben uns ausblendet, dann haben beide Orte etwas Magisches an sich.
Wir schiessen wieder unzählige Fotos, kraxeln auf den Steinen herum und finden schlussendlich direkt am See einen Baumstamm, bei dem wir es uns gemütlich machen, unsere Füsse ins kalte Wasser strecken und die letzten Sonnenstrahlen geniessen. Abends geht es dann wieder zurück auf den Overflow Parkplatz.
Liebe Grüsse
Reiseroute
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