
Ein Roboter kommt selten allein
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See mit Insel
26. November 2023Reparaturanfällig

Der Hauptunterschied zwischen etwas, was möglicherweise kaputtgehen könnte und etwas, was unmöglich kaputtgehen kann, besteht darin, dass sich bei allem, was unmöglich kaputtgehen kann, falls es doch kaputtgeht, normalerweise herausstellt, dass es unmöglich zerlegt oder repariert werden kann.
19. Oktober 2023 - Reisetagebuch Eintrag #145
- REPARATURANFÄLLIG | geschrieben von Rene
Back to reality
Montagmorgen – das Wochenende verging wie im Flug. Nun, zurück in unserem Camperleben, haben wir einige Aufgaben zu erledigen. In den letzten Wochen haben sich wieder einmal Sachen angestaut, die wir angehen müssen. Zwischenzeitlich ist die Lichtkuppel über unserer Dusche undicht geworden. Der Vorteil daran: das Wasser tropft direkt in die Dusche. Das bedeutet, wir haben fliessendes Wasser in der Dusche - wenn es regnet. Andere bezahlen extra für eine Regendusche. Das nenne ich Luxus. Dann nervt uns die Wasserpumpe leider immer noch. Die kranke Stütze bei unserem Leveling-System hat wieder einmal einen Totalausfall. Beim Fliegengitter ist eine Plastikhalterung abgebrochen und da unsere Batterien nur im Kriechmodus geladen werden, wenn wir fahren, wollen wir einen DC/DC-Charger einbauen. Da ist Steve genau der richtige Ansprechpartner dafür, denn das hat er in seinen Campertruck ebenfalls eingebaut. Das steht also als Nächstes auf dem Programm, aber wir haben leider nicht allzu viel Zeit. Denn am Donnerstag geht es für die beiden schon wieder weiter zum Familientreffen, und Steve muss dazwischen natürlich noch arbeiten.
Zumindest den Ladebooster wollen wir also einbauen – das wird schon eine Herausforderung. Aber es bringt auch viel. Wir haben zwar zwei Batterien an Bord, aber wenn wir Strecke machen und die Lichtmaschine die zwei Hausbatterien ladet, geschieht das in Zeitlupe. Selbst wenn wir 8 h fahren, werden die Batterien (je nach Ladezustand) nicht vollständig aufgeladen. Abhilfe schafft ein DC/DC-Charger, oder der Einfachheit halber auch «Lade-Booster» genannt. Er nimmt wesentlich mehr Energie aus der Lichtmaschine und gibt diese explizit an die Hausbatterien weiter. Mit 40 Ampere Leistung, die der Charger der Lichtmaschine im fahrenden Zustand abringt, wären unsere Batterien also in rund 3 Stunden vollgeladen, wenn sie komplett leer wären (was eigentlich nie der Fall sein sollte). Das wäre für uns ein Riesenvorteil, da wir keine Solaranlage haben und sehr oft frei stehen – also ohne externen Stromanschluss.
Wir machen uns frisch fröhlich ans Werk und kommen gut voran. Und nach ein paar kleineren Korrekturen läuft die ganze Sache dann wie erwartet: der Charger lädt die Hausbatterien und wir können einen wirklich grossen Komfortgewinn verzeichnen. Auch die anderen Arbeiten können wir zufriedenstellend abschliessen: die Nase, die am Fliegengitter abgebrochen ist, können wir wieder ankleben und die undichte Koppel über der Dusche erhält neue Dichtmasse.
Ach ja, und falls ihr euch fragt, was die Mädels so getrieben haben, während Steve und ich am Wohnmobil geschuftet haben: Dreimal dürft ihr raten – sie hatten es extrem stressig. Sie waren im grössten Deko-Laden Amerikas, den Magdalena je gesehen hat. Ihre Augen haben geleuchtet wie die eines kleinen Kindes, als sie von HOBBY LOBBY zurückgekommen sind. Also - Profitip von mir an alle Männer, die ihre Frauen mal für ein paar Stunden loswerden wollen: schickt sie zu Hobby Lobby, dann ist Ruhe im Karton. Aber die Kreditkarte solltet ihr lieber bei euch behalten. Und Lindas Freundin hat eine alte Scheune, die als Hochzeitslocation dient. Natürlich haben sie auch dorthin einen Abstecher gemacht. Zum Glück ist sie für das ganze Jahr ausgebucht, sonst wäre sie vermutlich noch auf komische Ideen gekommen und ich hätte nochmal JA sagen dürfen.
Problemwälzen
Wir nennen es mittlerweile liebevoll das «Problem der Woche», da wir im Durchschnitt jede Woche eine Reparatur durchführen müssen. Wir haben im Moment 3 Probleme: 2 Alte und 1 Neues. Die Wasserpumpe, für die wir schon über eine Woche aufgewendet haben, hat sich im Jasper-Nationalpark ja wieder an ihre ursprüngliche Krankheit zurückerinnert und hat plötzlich wieder die gleichen Symptome wie schon in Cold Lake. Wunderbar, ich freue mich, wenn man Sachen nachhaltig repariert und dafür eine wertvolle Woche opfert. Hat gerade mal 3 Wochen gehalten, nun steht also wieder eine Fehlersuche an. Wie gerne würde ich das Drecksding einfach rausreissen und durch eine einfache, funktionale Tauchpumpe ersetzen. Aber das geht ja nicht, weil man nicht zum Wassertank kommt, ohne dass man den kompletten Kühlschrank ausbaut. Zudem müsste man alle Wasserleitungen rausreissen und durch etwas Sinnvolles ersetzen. Halleluja – das ist leider aussichtslos. Gut, altes Problem Nummer 2: die Stütze des Nivelliersystems hat sich ebenfalls an seine chronische Krankheit zurückerinnert, und nachdem alles die letzten Monate funktioniert hat, geht es nun plötzlich nicht mehr. Die Dinge haben hier wohl ein Gedächtnis. Die Kaputten zumindest. Neues Problem Nummer 3: Die Halterung und der Gummi an den Frontstabilisatoren haben sich gelöst. Es ist sehr vertrauenserweckend, dass wir die Stabi-Gummis vor gerade mal 4 Monaten bei unserem Superhändler Starlight Motors haben tauschen lassen. Echte Qualitätsarbeit, Respekt. Unser Glück im Unglück: wenigstens hängt die Halterung noch mit einer Schraube lose am Rahmen und der Gummi ist noch da – so können wir es zumindest wiederverwenden und müssen keinen ganzen Satz neu bestellen.
Zum Glück kennt Steve eine zuverlässige Wohnmobilwerkstatt. Kurzerhand ruft er für uns an und macht einen Termin bei Roberson RV für uns klar – gleich am nächsten Tag. Ich liebe es, wenn man Beziehungen hat. Für die Wasserpumpe haben wir wenig Hoffnung, deswegen wollen wir zunächst das Stützenproblem angehen. Wir werden freundlich von Bob begrüsst und unser Ollie wird in die Werkstatt gefahren. Wir wissen ja, dass unser Superhändler, bei dem wir den Coachmen gekauft haben, mehr als 2 Tage in die Fehlersuche investiert hat – und die Ursache trotzdem nicht gefunden hat. Umso mehr sind wir überrascht, als Bob nach gut 30 Minuten zu uns kommt und uns erklärt, dass es nicht an der Stütze selbst, sondern am Magnetventil liegt. Wow, mit so einer schnellen Diagnose hätten wir nicht gerechnet. Es wäre nicht unser Leben und unsere Reise, wenn es nicht auch eine schlechte Nachricht geben würde: das Ersatzteil kostet 250 US-Dollar und – jetzt kommts: die Lieferzeit beträgt mindestens 2 Wochen. Das kennen wir ja schon von der Firma, wo wir im Juni bereits mehrere Wochen auf eine neue Stütze gewartet haben (die dann nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hat). Das sensationelle, unglaublich moderne Supersystem von HWH aus Moscow, IA und die fantastischen Ingenieure dort, die sich die ganze Bullenscheisse ausgedacht haben. Echt, ich könnte wieder einmal durchdrehen. Wir können keine zwei Wochen warten. Klar, können schon, aber wollen wir unsere 3 Monate in Amerika wirklich mit «Warten auf Ersatzteile» verbringen? Wohl kaum. Die Leute von Roberson sind aber so nett und geben uns die Ersatzteilnummer von dem Magnetventil. Dann können wir selbst entscheiden, ob und wie wir es machen. An dem Wasserpumpenproblem bleiben sie dann fast 3 h lang dran – aber auch sie finden hier kein Ergebnis. Sie können uns leider nicht sagen, warum die Pumpe regelmässig anspringt. Aber Leck haben sie auch keines gefunden. Zumindest das wissen wir jetzt.
Am Abend schaue ich selbst auf der Webseite von HWH nach und finde das angegebene Magnetventil. Als ich die Artikelnummer einfach so aus Spass in die Google-Suche eintippe, bin ich überrascht: Ein RV-Teilelieferant aus Eugene hat genau unser Magnetventil vorrätig. Eugene liegt gerade mal 1 Stunde von Stayton entfernt. Kurzerhand rufe ich am nächsten Tag an und lasse mir bestätigen, dass sie das Teil wirklich auf Lager haben. Voila – das Blatt wendet sich zum Guten! Steve und Linda, diese zwei unglaublich herzensguten Menschen, schlagen vor, wir sollen doch mit einem ihrer Autos nach Eugene fahren. Das ist mit Sicherheit sparsamer und einfacher, als mit dem Wohnmobil hinzufahren. Das Angebot nehmen wir wirklich sehr gerne an und sind unendlich dankbar dafür. Keine 2 Stunden später sind wir wieder zurück und halten das Ersatzteil in der Hand. Grandios! Und nochmals Glück: schon Ende der Woche bekommen wir einen neuen Termin in der Werkstatt und können das Ding endlich richten lassen. Wir können es gar nicht glauben!!
Familienleben
Wir verbringen ein paar wirklich grossartige Tage mit Steve und Linda. Die zwei passen einfach. Schon vom ersten Augenblick an hatten wir immer grossen Spass und viel zu Lachen. Es tut gut, so nette und lustige Menschen um sich zu haben. Und – wer hätte es gedacht: Rory, der Hund, der mich anfangs angeknurrt und angebellt hat, stellt sich als absolute Knutschkugel heraus. Sie freut sich jedes Mal wie eine verrückte, wenn sie uns sieht. Und ohne die stündliche von ihr geforderte Streicheleinheit weicht sie uns nicht mehr von der Seite. Aber leider vergehen auch diese Tage viel zu schnell, und schon ist der letzte Tag angebrochen. Morgen fliegen die beiden nach Missouri zu ihrem Familientreffen, wo sie ihre Kinder wiedersehen werden. Wir vereinbaren, dass wir davor gemeinsam Frühstücken gehen und fahren zu einem Restaurant, wo es eine sehr leckere Frühstücksspeisekarte gibt. Hier ist für jeden etwas dabei und wir lassen es uns schmecken.
Wir verabschieden uns von den beiden, die am Abend zum Flughafen fahren. Wir dürfen gerne auf ihrem Grundstück bleiben – solange wir wollen. Die beiden haben uns wirklich ins Herz geschlossen, und es freut uns sehr, so viel Vertrauen entgegengebracht zu bekommen. Wir sind schon froh, wenn wir eine zusätzliche Nacht dort stehen dürfen, um am nächsten Morgen unseren Werkstattermin wahrnehmen zu können.
Werkstattpleite
In der RV-Werkstatt werden wir wieder sehr freundlich von Bob empfangen. Der Mann ist wirklich eine gute Seele, und die Leute scheinen zu wissen, was sie tun. Wir begeben uns in den Warteraum und freuen uns, dass wir so viel Glück auf einmal hatten. Das Glück, dass die Ursache so schnell gefunden werden konnte, das Glück, dass wir das Ersatzteil so schnell auftreiben konnten und das Glück, dass wir so schnell einen Termin beim RV-Repair bekommen haben. Wenn bei uns so viel Glück zusammenkommt, dann ist das Unglück meistens nicht besonders fern. Nach gut 2 Stunden bekomme ich ein komisches Gefühl. Bob hat ursprünglich gemeint, das Umbauen des Ventils wäre keine grosse Sache. Nach einer weiteren Stunde bestätigt sich mein Bauchgefühl: Bob kommt mit gesenktem Kopf und teilt uns mit, dass das Magnetventil NICHT die Ursache für das Problem ist. Sie haben jetzt alles probiert, die Leitungen umgesteckt, alles kontrolliert und sogar mit der Superfirma HWH telefoniert, um eine Lösung zu finden. Doch auch die konnten keinen Rat geben. Nun wissen auch die Mechaniker von Roberson nicht mehr weiter und sie müssen wohl oder übel aufgeben.
Also, es war alles umsonst. Wir sind umsonst den langen Weg nach Eugene gefahren, wir haben umsonst gewartet und wir haben nun ein Magnetventil um 250 Dollar, welches wir nicht brauchen. Wir sind am Rande der Verzweiflung. Diese verdammte Stütze hat uns schon so viel Lebenszeit und Geld gekostet, dass wir schon fast ein neues System hätten einbauen können – von einem vernünftigen Hersteller wohlgemerkt. Wir verstehen wieder einmal nicht, was bei uns falsch läuft. In solchen Situationen, in denen man so viel Zeit und Geld investiert, verstehen wir die Welt nicht mehr. Natürlich mag es banal klingen, und wir können zweifellos auch ohne funktionierendes Leveling System reisen – aber wenn wir zusammenrechnen, wie viele MONATE Zeit und wie viel Geld und das Drecksprodukt von HWH schon gekostet hat, würde ich es am liebsten mit dem Hammer vom Wohnmobil schlagen und den HWH-Ingenieuren an den Kopf werfen.
Es hilft alles nichts, wir müssen uns zusammenreissen. Es war wieder mal zu schön, um wahr zu sein. Ja, es klingt vielleicht blöd, aber so etwas beschäftigt uns. Es zieht uns runter und kostet uns Nerven. Und Geld, das wir viel lieber wo anders einsetzen würden. Denn unser USA- und Kanada-Trip kostet ohnedies schon viel mehr Geld, als wir jemals budgetiert haben. Hier rauschen die Dollars durch die Geldbörse, und so schnell kann man gar nicht schauen, wie die Zahl auf der Debit-Karte kleiner wird. Doch egal – wir müssen uns auf das Wichtige konzentrieren und das hinter uns lassen. Wir denken viel lieber an die schöne Woche, die wir mit Steve und Linda verbracht haben und freuen uns, dass wir so liebe Menschen zu unserem Freundeskreis zählen dürfen.
Unser Weg führt uns nun weiter zum Crater Lake. Wir haben zwar noch nie etwas davon gehört, aber jeder, der schon mal dort war, empfiehlt uns einen Abstecher in den Nationalpark dorthin zu machen. Es liegt zwar nicht ganz auf der Strecke, aber wir sind ja auch für Sightseeing hier. Wir machen Halt in Eugene – genau an dem Shop, wo wir das Magnetventil als vermeintliche Lösung für unsere kaputte Stütze gekauft haben. Nun müssen wir hoffen, dass wir das Ding zurückgeben können und wenigstens noch ein paar Dollar dafür bekommen. Dieses Mal geht unser Wunsch in Erfüllung und wir sind froh, dass wir nicht auf den ganzen Kosten sitzen bleiben. Nun kann unser Trip also weitergehen.
Stromlos
Was wir bei der Anreise nach Eugene bereits gemerkt haben und uns komisch vorkommt: unser neues Spielzeug – der Ladebooster – macht nicht das, was er soll. Sprich: er lädt nicht, während wir fahren. Aber genau das soll er. Ich bin zunächst ratlos und öffne die Batteriebox, wo unsere Hausbatterien verbaut sind. Und siehe da: einer der Sicherungen ist aus ihrer Halterung gerutscht, weil sich die Schraube gelockert hat. Na gut, das sieht einfach aus. Ich hole einen Schraubenzieher aus unserer Garage und befestige das ganze wieder an dem Ort, wo es hinsoll. Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein – aber natürlich war das NICHT die Lösung. Denn die Situation ist unverändert: wenn wir den Motor starten, leuchtet der Charger grün (=gut), aber gleichzeitig auch rot (=schlecht). Na fantastisch. Ich kontrolliere alle Leitungen, ob sie festsitzen. Ich hole sogar Steve per Videochat mit dazu, und gemeinsam prüfen wir mit einem Voltmeter, ob der Strom überall dort ist, wo er sein sollte. Was für ein Mist – es ist kein Fehler erkennbar, doch die LED leuchtet rot.
In der Bedienungsanleitung lese ich 8 verschiedene Gründe, warum die Lampe rot leuchten könnte. Sehr hilfreich. Schlussendlich entscheide ich mich dazu, mich von der einfachsten bis zur kompliziertesten Methode der Fehlerbehebung durchzuarbeiten. Fehlerbehebungsvorschlag Nummer 1 und damit der einfachste: Zündung/Motor aus und wieder ein. Das funktioniert schon mal nicht. Fehlerbehebungsvorschlag Nummer 2: Alle Leitungen kontrollieren und mit Voltmeter messen. Das gewinnt auch keinen Preis. Ich liebe diese Anleitungen, die solche Massnahmen empfehlen. Als ob nicht schon der reine Hausverstand ausreichen würde, um selbst darauf zu kommen. Na gut – Fehlerbehebungsvorschlag Nummer 3: Den Charger vom Strom nehmen und wieder anschliessen. Okay, was auch immer das bringen soll – ich schraube alle Verbindungen von und zum Charger ab und wieder an. Mit wenig Hoffnung probieren wir es ein weiteres Mal, das Fahrzeug zu starten. Es geschehen noch Zeichen und Wunder – das war tatsächlich die Lösung. Ich versuche gar nicht zu verstehen, warum es jetzt wieder funktioniert, aber manche Dinge muss ich nicht wissen. Alles klar – unser Charger läuft wieder und wir können weiter! Ich bedanke mich bei Steve, der mittlerweile in Missouri gelandet ist und wir wünschen ihnen ein spannendes Familienfest. Jetzt geht’s auf zum Crater Lake!
Liebe Grüsse
Reiseroute
03. – 13. Okt. 2023Stayton
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