Obgleich wir von verschiedenen Orten kommen und verschiedene Sprachen sprechen, unsere Herzen schlagen gemeinsam.
«Harry Potter und der Feuerkelch», Film, 2005
Wem Glenfinnan nichts sagt, der befindet sich vermutlich in guter Gesellschaft. Ich habe es auch nicht gekannt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, sobald klar ist, WAS wir dort sehen möchten, dürfte es fast allen unseren Blog-Lesern ein Begriff sein. Auf dem Weg dorthin kommen wir in der Nähe von Glengarry an einem Rastplatz vorbei, der eine schöne Aussicht verspricht. Doch als ich einen einsamen Dudelsackspieler auf der Wiese erspähe, steige ich sofort auf die Klötze. Klar, da muss ich natürlich hin. Also gut, so ganz einsam ist er nicht. Eine ganze Schar an Touristen umzingelt den freundlichen Herren im Kilt. Er nimmt gerne Musikwünsche entgegen spielt dem begeisterten Publikum die Lieder aus seinem Repertoire. Ich komme schlussendlich mit ihm zum Reden und wir unterhalten uns ausgezeichnet. Natürlich erzähle ich ihm, dass ich selbst auch Dudelsack spiele, und so dauert es nicht lange, bis er darauf besteht, dass ich meine «Pipe» aus dem Wohnmobil hole. Schlussendlich spielen wir ein paar Lieder zusammen, was sich nach so langer Zeit echt wieder gut anfühlt. Ich habe schon ewig nicht mehr vor Publikum gespielt. Aber das Trinkgeld, das die Leute in seinen Pipe-Koffer werfen, behält er für sich. Haha, nein Scherz – ich hätte ohnehin nichts angenommen. Wir verabschieden uns von Alexander – so heisst der gute Piper – und ich bedanke mich freundlich bei ihm. Es war wirklich ein schöner Moment, in Schottland mit einem Schotten gemeinsam auf dem Dudelsack zu spielen.
Jetzt aber endlich zu Glenfinnan. Also – was gibt es dort Spannendes zu entdecken? Kurz und knapp: ein Viadukt. Aber nicht irgendeines, sondern DAS Eisenbahnviadukt schlechthin. Na, klingelt schon etwas? Also, machen wir es nicht spannender als es sein muss: Harry Potter-Fans wissen längst, was gemeint ist – und alle anderen jetzt vermutlich auch: Es geht wieder einmal um den Hogwarts-Express und die berühmte Dampflokomotive, die drüberfährt. Ich erspare es euch, die geschichtlichen Hintergründe über das Viadukt selbst anzuführen.
Wir übernachten ganz in der Nähe von Glenfinnan, da die Wetteraussichten für den Folgetag viel besser sind als für den Aktuellen. Zudem hätten wir es ohnehin nicht mehr geschafft, da es schon bald 17 Uhr ist. Magdalena hat wieder einmal Panik, dass wir keinen Parkplatz bekommen. Wir wollen eigentlich nicht auf dem offiziellen Besucherparkplatz stehen, weil der einfach mal 6 Pfund kostet. Auch wenn man nur 10 Minuten bleibt. Solche Dinge versuchen wir auf unserer Reise wirklich zu vermeiden. Also nehmen wir stattdessen eine kleine Wanderung in Kauf, parken etwa 3 Meilen entfernt auf einem kostenlosen Wanderparkplatz. Und dieser soll angeblich immer sehr schnell überfüllt sein, da das offensichtlich einige so machen. Also stellen wir den Wecker auf 7 Uhr und fahren sofort los. Die Sorge war wieder einmal komplett unbegründet, denn der Platz ist so gut wie leer. Es gibt also jetzt erstmal Frühstück, denn der erste Zug (und somit unser begehrtes Fotomotiv) fährt erst um 10:50 Uhr über die Schwellen. Als wir wieder einmal über Kosten und vor allem das potentielle Einsparen derselbigen reden, bringe ich zur Sprache, dass ich wirklich froh bin, eine so billige Frau zu haben. Ich stelle daraufhin ziemlich schnell fest, dass dies nicht die Sätze sind, die (m)eine Frau hören möchte. Alle Korrektur- und Beschwichtigungsversuche machen es nur noch schlimmer und ich komm aus der Nummer nicht mehr heil raus. Für die nächsten Tage darf ich den Abwasch übernehmen.
Es geht jetzt also los, Rucksack ist vorbereitet und alles eingepackt. Die Gehzeit zum Ausgangspunkt (Besucherzentrum und Parkplatz) ist etwa 45 Minuten. Wir spazieren gemütlich dorthin. Als wir ankommen fängt Magdalena aufgeregt und unkoordiniert an, in ihrem Handy rauszusuchen, wo der beste Aussichtspunkt ist. So ein Unsinn. Ich sage ihr, sie soll sich nicht so anstellen. Es gibt garantiert genügend Hinweisschilder – und siehe da: da ist bereits dick und fett «Viewpoint» angeschrieben. Na wer sagts denn, man kann auch einfach mal etwas spontan machen. Der Zug kommt in etwa 20 Minuten hier durch, dann muss die Kamera parat sein.
Als wir nach etwa 5 Minuten Aufstieg auf dem Viewpoint ankommen, stehen da schon ein paar andere ratlose Gesichter rum. Ich weiss auch gleich, warum: die Aussicht zum Viadukt ist zwar brauchbar, aber sicher nicht die Ansicht, die wir uns erhofft hatten. Es ist viel zu weit weg, von hier bräuchten wir ein Teleskop, um ordentlich was zu sehen. Vielleicht ist dieser Viewpoint doch nicht so gut, wie ich dachte. Ich nehme mal mein Handy raus und schaue, ob ich noch was anderes finden kann. Ich ernte ziemlich böse Blicke von meiner besseren Hälfte. Sie hat natürlich schon mal alles rausgesucht, aber so ganz eindeutig sind die Anweisungen aus dem Netz nicht. Wir entscheiden uns, diesen Viewpoint zu verlassen und der Strasse entlang zu gehen. Die Wegbeschreibungen der Seiten im Internet geben nichts Brauchbares aus. Also hetzen wir runter und auf den Weg, der zum Viadukt führt. Als wir kurz davorstehen, faselt ein Internet-Blogeintrag etwas von «unter der Brücke durch» und «links» und dann «rechts» und durch ein Tor und ein Pfosten und ein Gatter und weiss Gott was noch alles für einen Schmarren. In 10 Minuten kommt der Zug durch – und der nächste dann erst wieder 5 ½ Stunden später. Na toll. Wir irren umher wie die Hühner: links oder rechts??? Okay, wir entscheiden uns für links. Nicht gerade wenig Leute stehen schon verteilt überall auf den umliegenden Hügeln herum, doch wie es aussieht haben wir uns tatsächlich für die richtige Seite entschieden. Als wir auf dem Berg ankommen, haben wir eine hervorragende Sicht auf das gebogene Viadukt und sind froh, dass wir es noch geschafft haben.
Dank Zugverspätung haben wir sogar noch ein paar Minuten Zeit, um alles herzurichten und einzustellen. Unsere Videokamera, die DJI Osmo Pocket, kommt auf ein Stativ, damit ich die Hände dann freihabe für die Fotos mit dem Handy. Natürlich fängt es jetzt an zu regnen und wir müssen einen Schirm über die Kamera halten, da sie kein Wasser mag. Jetzt ist wirklich alles perfekt. Sind zwar ziemlich viel Leute um uns herum, aber unsere Sicht ist genial, die Kamera ausgerichtet und bereit für Aufnahme. Wir haben zwar alle Hände voll – mit Handy, Regenschirm, Rucksack – aber jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Wir hören den Zug, der sich mit einem Pfeifsignal nähert. Endlich!
Wegen Glencoe haben wir unsere Reisepläne bereits einmal verschoben. Vor einigen Wochen sind wir – als die Wettervorhersage nichts als Regen angezeigt hat – von der West- an die Ostseite gewechselt, wo es dann doch um einiges freundlicher war. Glencoe soll ein wunderschönes Hochlandgebiet sein, und das möchte ich unbedingt bei trockenem Wetter und idealerweise bei etwas Sonne sehen. Vielleicht die ein oder andere Wanderung machen. Genau deswegen haben wir es uns aufgehoben, und nun ist es wieder soweit. Nur leider hat sich an der Situation selbst nichts geändert. Die Vorhersage ist wieder enorm konstant: Regen von früh bis spät. Sonnenfenster gibt es keine. Jetzt gibt es aber keinen anderen Weg mehr. Wir fahren nach Glencoe und die Vorhersage sollte Recht behalten. Grau, nebelig, regnerisch. Aber es lässt sich nun mal nicht ändern. Wir fahren einige Kilometer, die Gegend ist wunderschön und ich kann nur erahnen wie es aussähe, wenn die Sonne durchkommt. Es gibt aber noch einen Grund, warum ich mir die Glencoe-Gegend anschauen möchte. In dieser mystischen Gegend wurde vor einigen Jahren einige Szenen von Skyfall (James Bond) gedreht. Vielleicht wissen es die ein- oder anderen schon, aber ich bin Filmfan. Natürlich nur von guten Filmen. Und die Szene, als Daniel Craig alias James Bond mit Judy Dench alias M in den Bergen der schottischen Highlands steht, ist mir irgendwie im Gedächtnis geblieben. Es führt also kein Weg vorbei, wir müssen auf die Skyfall-Route. Regen oder Sonne, das spielt keine Rolle.
Doch heute schüttet es unaufhörlich. Wir entscheiden uns, an einer Ski-Station, welche auch im Sommer in Betrieb ist, vorbeizuschauen. Wir haben gehört, dass man dort die Camping-Toilette entsorgen kann (das ist wirklich nicht ganz so einfach in Schottland), und wo es auch heisse Duschen zu einem günstigen Preis gibt. Ja, wir haben zwar Duschen an Board, aber für einen Pfund tun wir uns den ganzen Aufwand mit Wasser aufheizen und dem drum herum nicht an. Ganz zu schweigen davon, dass wir dann wieder auf die Suche nach Wasser gehen müssen, denn natürlich zieht die Dusche das Wasser von unserem Trinkwasservorrat. Ich würde unseren Erfolg als 50:50 beschreiben: Duschen gibt es tatsächlich um 1 Pfund für 5 Minuten (das ist zwar nicht viel Zeit, aber fair für heisses Wasser) – und auch eine Toilettenentsorgung ist möglich, aber dafür sind satte 5 Pfund(!!) fällig. 6 Euro für kurz mal das Klo ausleeren. Ach ja, wer «normal» auf die Toilette geht, bezahlt übrigens nichts. Das fällt schon fast unter Diebstahl. Egal, es muss weg, koste es was es wolle. Schlussendlich habe ich mir das dann mit einem anderen Gast geteilt, so hat es zumindest nur die Hälfte gekostet, und das war noch genug.
Dafür sind wir jetzt wieder frisch, sauber und die Toilette ist leer. Aber wir haben immer noch das Regenproblem. Für den folgenden Tag ist die Wettervorhersage allerdings viel besser. Generell stellen wir fest, dass die Vorhersage IMMER für den Folgetag besser ist. Nur leider tritt das nie ein. Wir wollen es trotzdem versuchen, und da ohnehin schon wieder 17 Uhr ist entscheiden wir uns, hier in den Glencoe-Highlands zu übernachten und die vermeintliche Sonne für den folgenden Tag auszunutzen.
Natürlich stimmt die Vorhersage nicht. Als wir am nächsten Morgen aufwachen hören wir schon wieder (oder immer noch) die Regentropfen auf unserem Dach. Ein kurzer Blick in die Wetterapp verrät uns dann auch, dass erst am NÄCHSTEN Tag die Sonne scheinen soll. Egal, noch länger können wir nicht warten.
Die «Skyfall» Strecke, an der die Bond-Szenen gedreht wurden, ist nur einspurig. Eine Strasse, die schlussendlich in eine Sackgasse endet, aber trotzdem erwarte ich mir einiges an Verkehr, da viele Touris die Strecke mit ihren Mietautos abfahren. Klar, wollen wir ja auch. Deswegen möchte ich eher etwas früher starten, um nicht in den Touristenverkehr zu kommen. Und was soll ich sagen: es ist tatsächlich eine unglaublich schöne Kulisse. Wieder einmal denken wir, wir stehen im (oder besser gesagt fahren durch den) Märchenwald. Ehrfürchtig tasten wir uns im Schritttempo durch das Glen Etive, wo sich links und rechts die Hügel auftürmen. In der Mitte ein Fluss, und von allen Seiten die Wasserfälle. Fantastisch, da kann uns jetzt nicht mal mehr der Regen die Stimmung versauen.
Unser Weg führt uns nun wieder Richtung Süden. Natürlich noch nicht ganz «DER Süden», aber zumindest das südlichere Schottland. Wir fahren am Loch Lomond vorbei über Glasgow in die Nähe von Dumfries, schon fast wieder an der englischen Grenze und verbringen zwei Tage am Caerlaverock Castle.
Das Schloss mit der ungewöhnlichen Bauform - dreieckig und von einem tiefen Wassergraben umgeben - war und ist bis heute aussergewöhnlich. Kurz nach der Fertigstellung verhärtete sich der Konflikt zwischen Robert the Bruce und Edward I. von England. Um 1300 machte sich Edward dann auf, um seine Stellungen im Norden zu festigen. Eines seiner ersten Ziele: Caervalerock Castle. Geschätzte 3.000 Englische Soldaten stellten sich den 60 Mann des Maxwell-Clans, die eigentlich eine friedvolle Übernahme angestrebt hatten. Doch die kriegswilligen Engländer beschossen die Festung mit ihren Gefechtsmaschinen und konnten die Burg nach 2 Tagen einnehmen. Gegen 1312 fiel die Burg jedoch unter der Führung von Robert the Bruce erneut an Schottland und die Maxwells zogen wieder ein.
Nach einigen Angriffen im Lauf der kommenden Jahrhunderte wurde sie letztendlich im Bürgerkrieg um 1640 schwer zerstört und seither dem Verfall preisgegeben. Erst 1946 wurden umfangreiche Erhaltungsarbeiten unternommen und die Anlage in die Obhut von Historc Scotland übergeben. Leider war die Burg bei unserem Besuch wegen erneuter Erhaltungsarbeiten nicht zugänglich und für uns nur von aussen zu besichtigen. Trotzdem war es ein sehr lohnenswertes Ausflugsziel.
Unser Schottland-Abenteuer nähert sich dem Ende. Eigentlich wollen wir gar nicht so recht raus aus diesem wunderschönen Gebiet, und es gäbe noch so vieles zu entdecken, zu erkunden und zu erforschen. Dieses spannende Land, die freundlichen Leute und die ehrenvolle Geschichte haben uns wirklich in ihren Bann gezogen, doch leider haben wir Zeitdruck. Warum genau, und wo wir so dringend hinmüssen, das lest ihr in einem unserer kommenden Berichte. Für uns bleibt zu sagen: Danke Schottland, du wunderbares Land – wir werden dich in guter Erinnerung behalten! Vielleicht kommen wir eines Tages wieder.