Ein Auto ist erst dann schnell genug, wenn man morgens davor steht und Angst hat es aufzuschliessen.
Walter Röhrl (Deutscher Rallyefahrer)
Wir verlassen nun schweren Herzens Schottland. Auch wenn das Wetter nicht immer so meines war, hat mich das Land überzeugt. Die Leute sind herzlich und gastfreundlich, die Natur ist der absolute Hammer und die Strassen waren meistens nicht zu „ENG“ für mich. Ich glaube, wenn es hier mediterranes Wetter gäbe und die kleinen Midges-Plagegeister nicht wären, dann könnte Schottland für einen längeren Zeitraum ein neues zu Hause sein. Da das aber alles nicht eintreffen wird, heisst es nun für uns Abschied nehmen und weiterreisen. Wir haben noch einen Termin in England der uns etwas unter Zeitdruck setzt. Bevor es aber dort hin geht wollen wir unbedingt noch einen Teil des Hadrianswalls sehen. Keine Angst, ich werde mich bekanntlich, wie immer, mit dem geschichtlichen Teil kurzhalten. Es heisst also mal wieder Frida startklar machen, alles wegräumen das nicht Niet- und Nagelfest ist und zurück nach England.
Aber was ist eigentlich der Hadrianswall? Vermutlich könnte ich die nächsten 10 Seiten mit dem geschichtlichen Hintergrund und allen Fakten füllen. Das will ich aber nicht und ihr wollt es vermutlich auch nicht. Wenn ich es in einfachen Worten erklären müsste dann würde ich sagen, es ist wie die chinesische Mauer. Nur eben nicht in China, sondern an der «Grenze» zwischen Schottland und England. Die Mauer wurde zwischen 122 und 128 n. Chr. auf Anordnung Kaiser Hadrians erbaut und erstreckte sich auf einer Länge von rund 117,5 Kilometern. In östlichen Teil bestand die Anlage aus einer bis zu 4,5 Meter hohen Steinmauer. Der Wall diente nicht der Abwehr von Invasionen, sondern sollte in erster Linie den Handels- und Personenverkehr überwachen und an den dafür vorgesehenen Grenzübergängen kanalisieren, um dort u. a. die Erhebung von Zöllen zu ermöglichen. Also wenn ihr mich fragt kann das nicht ganz stimmen. Den wenn ich eine Mauer baue, dann weil ich gewisse Leute nicht in meinem Land haben will oder ich keine Chance gegen diese Leute habe und mir die Mauer zur Verteidigung «meines» Landes hilft. Die Römer haben es in den 400 Jahren ihrer Herrschaft über Britannien nie geschafft, die ganze Insel einzunehmen. Die nordischen Stämme (Pikten) waren einfach zu stark für sie.
Wir beschäftigen uns nun also die nächsten Tage mit den Römern und den Pikten. Wie ja schon bekannt ist, sind wir Member von English Heritage. In ihrem Buch gibt es ein eigenes Kapitel, bei dem sich alles um den Hadrianswall dreht und was man dort alles sehen und erleben kann. Wir haben uns ein paar Highlights rausgepickt. Eigentlich wollten wir auch entlang des Walls wandern, aber für das hat uns dann leider die Zeit nicht mehr gereicht. Die Lanercost Priory ist kurz vor dem westlichen Ende des Hadrianswalls und kommt darum mit in unser Tagesprogramm. Wir sind hier jedoch in einer komplett anderen Zeitepoche, denn das wahrscheinliche Gründungsjahr des Münsters war um 1169. Sie wurde der Heiligen Maria Magdalena geweiht, was für uns Grund genug ist sie zu besuchen. Wenn man die Überreste der Priory heute sieht wird einem klar, dass es sich hier um ein noch nicht «so» altes Bauwerk handelt. Da jedoch für die Erbauung des Münsters auch die Steine vom Hadrianswall zweckentfremdet wurden, ist sie dann doch als alt für uns durchgegangen. Wir besichtigen die Überreste und sind immer wieder aufs Neue fasziniert, was sich die Kirche für schöne Plätze gesucht hat und was für imposante Bauten sie schon dazumal aufgebaut haben.
Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Süden. Wir machen einen Zwischenstopp in Richmond bevor es dann auf die Rennstecke geht. In Richmond wartet wieder eine Abbey und ein Castel auf uns. Die Himmelstore haben wieder alle Schleusen geöffnet, als wir durch die sehr schmale und enge Strasse die Easby Abbey erreichen. Wir entschliessen uns also zuerst am Parkplatz zu frühstücken und hoffen, dass der Regen bald nachlässt. Lange müssen wir nicht warten und wir begeben uns im Schutze unserer Regenkleidung auf das Gelände der Abbey. Da das Wetter für den Augenblick sehr gut aussieht, beschliessen wir nach dem Besuch der Abbey nur mit einem Schirm bewaffnet nach Richmond in die Stadt und zum Castle zu laufen. Es geht ein wunderschöner Weg entlang des Flusses Swale, und wir geniessen die herrliche Frühlingsbrise, die uns um die Nase weht. Das Städtchen ist nett anzusehen, von dem Castle selbst ist allerdings nicht mehr allzu viel übrig. Wir steigen die 140 Stufen des einzig noch stehenden Turmes rauf und geniessen den Blick über die Stadt Richmond. Gedanklich und geschichtlich sind wir nun aber ehrlich gesagt nicht mehr so ganz bei der Sache. Wir freuen uns einfach schon viel zu sehr auf unser nächstes Ziel.
Knappe 200 Meilen trennen uns von unserem nächsten Höhepunkt auf unserer Reise. Dieses Event ist der tatsächliche Grund, warum wir so unter Zeitdruck stehen. Dreimal dürft Ihr raten wer daran Schuld hat. Ja genau: Rene. Als wir fix beschlossen hatten, England und Schottland zu besuchen, hatte er die glorreiche Idee, einfach mal beim Raceway in Santa Pod anzufragen, ob sie nicht beim grossen Main Event Hilfe brauchen. Bei dem Event, das von Donnerstag bis Sonntag stattfindet, handelt es sich um ein ¼ Meilen Dragrace Beschleunigungsrennen. Sehr schnelle Rennautos, Dragstars und Jetcars fighten um den Sieg des Tages oder sogar der FIA-Saison. Alle die uns kennen wissen, dass wir Autos - vorzugsweise amerikanischer Hersteller - und Dragracing lieben. Ich glaube viele können nicht verstehen wie man eine solche Leidenschaft haben kann. Aber Rene und ich lieben diesen Rennsport einfach. Der Duft von Rennbenzin, Kerosin und Methanol, der in der Luft liegt, die gewaltigen Zünd-Explosionen der hochgezüchteten Motoren, einfach alles an diesen Rennen ist genau unser Ding. Wir haben einen Dauergrinser im Gesicht, wenn die bis zu 10.000 PS starken Autos an einem vorbeipreschen und die Erschütterungen dieses Höllenritts durch den eigenen Körper dringen.
Es hat nicht lange gedauert, bis Rene nach seiner Kontaktaufnahme die Rückmeldung vom Santa Pod-Raceway erhalten hat. Sie waren über unser ungewöhnliches Angebot einerseits überrascht, aber haben sich andererseits auch unheimlich gefreut und neben der fixen Zusage auch gleich ein paar Vorschläge geschickt, wo sie uns gerne einsetzen würden. Als Rene mir das erzählt hat, hat es keine 3 Sekunden gedauert, mich davon zu überzeugen. Natürlich hat das unsere England- und Schottlandreise massgeblich beeinflusst und alles hat sich schlussendlich nach diesem Termin gerichtet. Aber ist es nicht gerade das, was das Reisen ausmacht, einfach zu tun was einem gefällt? Und darum heisst es jetzt für uns, unser erstes Workaway-Projekt anzutreten. Wir trudeln am Nachmittag vor dem ersten Renntag an der Rennstrecke ein und werden gleich vom Trackmanager Darren in Empfang genommen. Er findet einen schönen Stellplatz im Paddock (dort, wo die ganzen Rennteams untergebracht sind) für uns und organisiert alles Nötige was wir brauchen. Die erste Überraschung, die er für uns bereit hat ist, dass wir Donnerstag und Freitag frei haben und das Rennen geniessen sollen. Ich würde sagen der Job fängt schonmal gut an. Wir geniessen also zwei Renntage vom Allerfeinsten. Das Wetter spielt mit, es geht ein Lauf nach dem anderen und wir sind überglücklich, hier sein zu dürfen. Freitags haben wir sogar den ganzen Tag Sonnenschein und dank des stetigen Windes spüren wir die stechende Sonne kaum. Uns trifft am Abend fast der Schlag, als wir nach dem Rennen ins Wohnmobil zurückkehren und unsere knallroten Gesichter sehen. Na das haben wir ja wiedermal toll hinbekommen. Da sehen wir nach über 4 Wochen das erste Mal wieder etwas die Sonne und bekommen einen schicken Sonnenbrand. So doof können auch nur wir sein zu denken, dass uns die englische Sonne nichts anhaben kann. Wir cremen uns schliesslich dick mit Aftersun-Creme ein und hoffen, dass es uns nicht allzu schlimm verbrannt hat. Wenigstens haben wir jetzt fein warm.
Die mittelaterliche Stadt Warwick liegt gerade mal 1 ½ Stunden von Wellingborough entfernt. Wir tun uns etwas schwer, einen Parkplatz für unsere dicke und hier auch hohe Frida zu finden. Bei einem Racetrack, diesmal aber für Pferderennen, werden wir dann fündig. Hier ist zwar auch eine Höhenbarriere, aber es steht eine Nummer darauf die man kontaktieren soll wenn man in den Parkplatz rein will. Gesagt getan, Rene ruft dort an und 45 Minuten später kommt ein netter Herr, der uns die Schranke öffnet und uns mit Frida in den Parkplatz lässt. Er empfiehlt uns, dass wir uns am besten am hinteren Teil Richtung Rennbahn hinstellen sollen. Da hätten wir unsere Ruhe und einen schönen Platz für uns alleine. Er erklärt uns dann auch noch, warum in Warwick an jedem Parkplatz Höhenbarrieren installiert worden sind auch wenn es gerade hier an diesem Parkplatz erlaubt und gerne gesehen ist, wenn man mit dem Wohnmobil kommt. Sogar das Übernachten im Wohnmobil ist erlaubt, und das alles für supergünstige 5 Pfund am Tag (24 Stunden). Die Stadt hatte lange mit Zigeunern zu kämpfen und ist diese fast nicht mehr losgeworden. Nun hoffen sie, es mit diesen Restriktionen wieder in den Griff zu bekommen. Das leuchtet uns ein und wir sind dankbar, dass die Gemeinde kein generelles Wohnmobilverbot ausgesprochen hat.