Wir sind ein bisschen durchgefroren, denn auf der Brücke bläst der Wind den Nieselregen ganz schön durch die Knochen, und die Temperaturen klettern immer noch nicht über 10 Grad. Ein warmes Süppchen in der Frida hat unsere Glieder wieder aufgewärmt, und so verlassen wir gegen 21 Uhr den Ort des Geschehens auf der Suche nach unserem nächsten Nachtquartier. Was wir in ganz Norwegen und Schweden immer wieder sehen sind Schilder, die vor Elchen und Rentieren warnen. An Rentiere glauben wir seit dem Nordkapp, aber Elche – na ja, ehrlich gesagt halten wir es für einen Touristen-Gag. Denn auf unserer ganzen Reise haben wir noch keine freilaufenden Elche gesehen. Bis eben genau zu diesem Tag. Unsere App führt uns zum nächsten Stellplatz, als wir mitten auf einer Wiese doch tatsächlich einen lebendigen, echten Elch zu Gesicht bekommen. Leider befinden wir uns auf einer 80er Strasse und natürlich sind hinter uns Autos. So sehr ich es auch möchte, ich kann auf dieser unübersichtlichen Strasse einfach nicht stehenbleiben, ohne einen Crash zu riskieren. So weh es tut müssen wir den Elch einen Elch sein lassen. Aber für unsere Statistik zählt: gesehene Elche in freier Wildbahn: 1!
Wir fahren nach gut 30 Minuten auf einen gemütlichen Rastplatz, wo wir ganz alleine sind. Es ist wirklich eine Region, wo sich Fuchs und Hase (oder besser Elch und Rentier) Gute-Nacht sagen. Nach den ganzen Eindrücken der letzten Tage gönnen wir uns mal eine Pause von zwei Tagen im Niemandsland. Wie es der Zufall will, entdecken wir am Nachmittag in weiter Ferne plötzlich drei pferdeähnliche Geschöpfe, die wir zunächst nicht genau einordnen können. Es könnte unsere «Elche in freier Wildbahn»-Statistik um 300 % erhöhen, denn sie sehen den gemütlichen Tieren zum Verwechseln ähnlich. Das ist genau der Zeitpunkt, an dem wir beschliessen, uns ein Fernglas für die Reise zuzulegen. Nach einigen Minuten verschwinden die Vermutlich-Elche in die Wälder. Statistik: 1 + 3 = 4 Elche in freier Wildbahn.
Wir sind nun fast 3 Wochen in Norwegen. Was wir von Tag zu Tag mehr erkennen ist die schiere Grösse des Landes. Mal eben von A nach B zu fahren ist in Deutschland, Österreich oder der Schweiz relativ schnell erledigt. Gut, Deutschland ist auch nicht gerade klein. Aber Norwegen hat – mit Ausnahme der südlichen Region – so gut wie keine Autobahn. Hier fährt man alles mit Landstrasse und einer Geschwindigkeit von normalerweise 80 km/h. Wir sind auf der Suche nach unserem nächsten Ziel. Irgendwie finden wir zwischen Bodø und der Stadt Trondheim nichts, was uns wirklich so sehr reizt, dass wir einen Abstecher dorthin machen möchten. Echte Norwegen-Fans würden uns jetzt vermutlich wieder mit erhobenem Zeigefinger tadeln und eines Besseren belehren. Das Land ist so unerschöpflich mit Naturreichtümern gesegnet, dass es vermutlich überall etwas zu entdecken gibt. Trotz alle dem entscheiden wir uns, die Landschaft auf den etwa 700 km zwischen Bodo und Trondheim an uns vorbei ziehen zu lassen – ist ja nur mal eben die gleich lange Strecke wie von Berlin nach Wien. Nachdem wir wetterbedingt im Norden schon auf Hammerfest und Tromsø verzichtet haben, möchten wir zumindest Trondheim sehen.
Nur ist das mit Städten und dem Wohnmobil leider so eine Sache. Wie aufmerksame Leser wissen, kutschieren wir unser gut 7 Meter langes Wohnmobil landauf und landab. Es macht riesigen Spass, mit unserer Frida zu fahren. Aber was speziell in Städten oft ein Problem ist, sind Parkplätze. Mit 7 Metern stellt man sich mal nicht eben irgendwo hin. Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder lässt man den «Arsch» irgendwo in eine Wiese raushängen, damit man zumindest mit den Reifen in die Parkfläche passt. Oder man stellt sich irgendwie rein, belegt im schlimmsten Fall mehrere Parkplätze und riskiert eine Strafe. Also gilt es immer im Vorhinein zu recherchieren, wo man sich hinstellen kann. Und das ist meistens alles andere als einfach. Denn die Wohnmobilisten sind eine Nische, die für eine Stadt nicht besonders interessant ist. Und eine Google-Suche nach «Stadt XY Wohnmobilparkplatz» bringt meistens keinen Erfolg. Auf Gut Glück durch eine Grossstadt zu fahren und einen passenden Platz zu suchen kann richtig anstrengend sein.
Wir stehen also auch in Trondheim wieder vor dem Problem. Wir finden bei unserer Recherche keinen ansprechenden Platz wo wir sicher sein können, dass wir dort auch reinpassen. Was bleibt ist die Möglichkeit, die wir schon in Göteborg und Stockholm angewendet haben: wir bleiben ausserhalb der Stadt, kaufen uns ein Tagesticket der Öffis und bewegen uns dann so. Das war auch der Plan mit Trondheim. In einem der Aussenbezirke finden wir ein Dorf namens Hommelvik. Das scheint uns geeignet zu sein, um erstens unsere Frida sorglos abzustellen und zweitens dann mit dem Zug nach Trondheim zu fahren.
Auf dem Weg dorthin taucht urplötzlich aus dem Nichts ein American Diner auf. Die Szenerie wirkt wie ein Déjà-vu auf uns – etwas, das wir schon einmal gesehen haben. Nein, natürlich haben wir schon einige Diners gesehen, aber dieses hier ist besonders, das war uns sofort klar. Magdalena ist ganz aus dem Häuschen. «Da, das ist der!» ruft sie. «Rechts ranfahren, bremsen!!». Wieder mal ein wildes Manöver, aber ich schaffe es auf der 80er Strasse so zu bremsen, dass ich bei der Einfahrt zum Diner mit unseren dreieinhalb Tonnen grad nicht aus der Kurve fliege. An alle, die an diesem Tag hinter mir gefahren sind: Sorry, es musste sein! Also – was hat es mit genau diesem Diner auf sich? Vor unserem Reisestart haben wir zahllose Reiseberichte von allen möglichen Ländern angesehen. Unter anderem natürlich auch von Norwegen. Und in einem dieser Norwegen-Berichte war die Rede von einem Typen, der hier seinen amerikanischen Traum lebt – mitten im Nirgendwo. Er hat sich hier sein American Diner eingerichtet, ein kleines Museum im Obergeschoss, einen Verkaufsraum mit allerlei Schnick-Schnack, eine gemütliche Sitzecke für Burger & Co und im Keller stehen seine Trucks und Ami-Schlitten. Vor dem Haus eine alte amerikanische Tankstelle nachgebaut und auf dem ganzen Gelände Figuren von Bullen, Cowboys, Pferden und natürlich überall amerikanische Flaggen. Genau dieses Bild hat sich bei uns offenbar so eingeprägt, dass wir es sofort wiedererkannt hatten – obwohl wir längst vergessen hatten, was es für ein Bericht war, wie der Besitzer hiess und wo das überhaupt war. Zumindest wissen wir jetzt, dass es sich um das Pick-Up Cafe Vuddu Valley in Vuddudalen gehandelt hat. Wir verbringen wieder mal mehr Zeit als geplant, aber wer unsere Vergangenheit kennt weiss, dass wir an sowas nicht einfach vorbeifahren können.