Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück; es kommt nicht darauf an, wie lange es ist, sondern wie bunt.
(Lucius Annaeus Seneca)
Brandberg – wieder ein Name, der sehr Deutsch klingt. Das ist unser nächstes Ziel. Auf dem Weg dorthin übernachten wir in Uis und machen uns ein wenig schlau über unsere nächsten Ziele. Der genannte Brandberg, beziehungsweise das Brandbergmassiv ist ein Bergmassiv im Damaraland in Namibia. Es liegt in der Region Erongo und ist mit seinen 2.500 m fast 2.000 m höher als das umgebende Land. Hier findet sich nicht nur Namibias höchster Berg, der Königstein mit einer Höhe von 2573 m, sondern auch die «White Lady» - eine Felsmalerei aus der Jungsteinzeit.
Wieder zurück am Parkplatz erwartet unser Guide natürlich ein Trinkgeld für die Tour (obwohl wir davor schon 26 EUR gelöhnt haben). Als wir das dann aushändigen, ist die Freundlichkeit schlagartig vorbei, mit sehr knappen Abschiedsworten schleicht sie davon und wir sehen sie nie wieder. Manchmal bekommt man hier als (weisser) Tourist das Gefühl, ein notwendiges Übel zu sein. Auch der Parkplatzwächter, der auf unser Auto „aufpasst“ (zur Info – wir sind mitten in der Pampas, es gibt im Umkreis von 60 km weder ein Dorf noch eine Siedlung, und der sogenannte „Parkplatz“ ist ein Schotterplatz für rund 10 Autos) will natürlich auch ein Trinkgeld. Das ist uns dann aber doch etwas zu bunt und wir tun so, als wüssten wir nicht, warum er uns gefühlte 10 Minuten lang in den Nacken atmet und nicht von der Seite weicht, während wir diskutieren, ob wir jetzt unser Frühstück essen sollen oder doch lieber weiterfahren.
Wir fahren weiter – der Parkplatzwächter nervt uns dann doch etwas zu sehr. Der nächste Halt ist Twyfelfontein. Auch hier sind frühgeschichtliche Malereien und Gravuren zu entdecken. Doch schon bei der Planung haben wir uns dafür entschieden, dass wir diese Tour auslassen. Es wären erneut wieder mindestens 500 N$ (26,- EUR) für zwei Personen fällig gewesen. Stattdessen greifen wir auf einen Tipp von Hubert zurück: die gleichnamige Lodge, die sich dort befindet, bietet neben teuren und luxuriösen Unterkünften auch eine Bar und ein Restaurant. Kurzerhand fahren wir also zu dieser Lodge, können einige der Malereien bei einem gemütlichen Rundgang selbst bestaunen und gehen anschliessend in die Bar und erfrischen uns mit kühlen Getränken. Natürlich haben wir so nicht alle Malereien und Gravuren gesehen. Die insgesamt acht illustrierten Felsplatten kann man in einer knapp zweistündigen Wanderung in Begleitung eines Damara-Führers erkunden. Aber ehrlich gesagt ist uns bei gut 38 Grad Aussentemperatur eine kühle Erfrischung an der Bar auch lieber.
Mein Bedarf an 4x4-Offroad-Fahren ist noch längst nicht gedeckt. Im Gegenteil. Die Schotterpisten in Namibia sind zwar cool, aber so richtig Offroad ist es dann doch nicht. Da kommt es mir gerade recht, dass es in Palmwag eine 4x4-Strecke gibt. Das Gelände ist zwar offiziell als privates Nature Reserve gekennzeichnet, aber es hat sich herumgesprochen, dass es hier ziemlich unbefestigte Strassen und Wege geben soll. Also machen wir uns am nächsten Morgen auf und fahren dorthin. Das Gelände ist nur für 4x4-Fahrzeuge zulässig. Das ist schon mal ein gutes Zeichen. Natürlich – wer hätte es gedacht – kostet auch das wieder Eintritt: satte 350 N$ (umgerechnet 18,20 EUR, Stand 02/2023) sind als Eintritt in die 4x4-Strecke am Palmwag Concession Gate fällig. Egal, das wird sicher ein Spass.
Nachdem wir ungefähr 1 Stunde lang durch die Piste gerottelt sind, bereue ich meine Entscheidung ein wenig. Zunächst einmal sehen wir nicht ein einziges Tier. Nicht EINES! Höchstens ein paar Fliegen, aber mehr auch nicht. Nicht einmal die sonst überall üblichen Oryx-Antilopen. Dafür besteht alles nur aus Steinbrocken, über die wir im Schritttempo fahren. Jaaa klar – genau das soll es ja sein: unwegsames Gelände und Offroad-Fahren. Aber es ändert sich halt nichts. Die tiefen Spurrillen zwingen uns dazu, in der Mitte der Strasse zu fahren, damit wir nicht „aufsitzen“. Und nur Geröll. Überall Geröll. Klar, was habe ich erwartet? Na ja, ganz ehrlich habe ich mir erwartet, dass zumindest die ein oder andere Steigung dabei ist, ein wenig Sand, Schotter oder eine sonstige Herausforderung, vielleicht auch mal durch ein Gebüsch, oder sogar ein Wasserloch oder ein Fluss. Aber es gibt nur Steine. Wohin man sieht, Steine. Ich brauche kein Allrad, und es ist so spannend wie ein Pensionisten-Häkelkurs.
Schlussendlich erreichen wir tatsächlich ein Flussbett. Es ist zwar kein Wasser drinnen, aber zumindest etwas Sand, grössere Steine, denen ich ausweichen muss und es geht ein ganz klein wenig auf und ab. Das macht Spass, ist aber genauso schnell vorbei, wie es gekommen ist. Und zack: sind wir wieder auf der gewohnten Steinpiste und fahren wieder im Standgas durch das Gelände.
Auf die nächste Etappe freuen wir uns schon seit Beginn unserer Namibia-Reise. Oder sogar noch länger. Wir stehen nun nämlich quasi vor den Toren des Etosha Nationalparks. Und der weiss durchaus mit seinen Kennzahlen zu beeindrucken: mit rund 23.000 km² ist er noch grösser als der Kruger Nationalpark in Südafrika. Obwohl er früher fast 4-Mal so gross war, und die Tierbestände Ende des 19. Jahrhunderts durch Wilderei extrem bedroht waren, wachsen die Tierbestände seit der Schaffung künstlicher Wasserstellen kontinuierlich an. Elefanten gab es nämlich bereits seit 1880 in dieser Gegend nicht mehr und die früher zehntausend Tiere zählenden Antilopenherden waren schon weitgehend verschwunden. Die Schutzmaßnahmen hatten Erfolg und führten zu einer allmählichen Regeneration der Wildbestände. 1907 erklärte der Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, Friedrich von Lindequist, 99.526 km² (was etwa der Grösse von Portugal oder Ungarn entspricht) des heutigen Namibia zum Naturschutzgebiet. Anfang der 1970er Jahre erhielt der Etosha Nationalpark seine heutigen Grenzen und hatte seitdem nur noch eine Ausdehnung von 22.275 km². Er ist damit dennoch grösser als beispielsweise die Länder Slowenien, El Salvador, Israel oder Belize und somit das zweitgrößte Naturschutzgebiet Afrikas.
Doch genug zu den Kennzahlen. Wir verlassen unsere Game Farm ganz früh am Morgen und sind eines der ersten Fahrzeuge, die durch das Galton-Tor im westlichen Ende des Etoshas fahren. Wir tragen uns zum gefühlt etwa 500sten Mal in eine Papierliste ein (oder besser gesagt 3 Listen, die inhaltlich genau dieselben Informationen abfragen). Ich bin genervt, und es hätte sich wirklich gelohnt, einen Stempel anfertigen zu lassen, wo man den Schmarren hätte aufstempeln können. Aber gut, es nützt nichts, da müssen wir durch: Name, Adresse, Geburtsdatum, Autokennzeichen, Nationalität, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, …. und so weiter, und so weiter…. 3 x an derselben Station. 3 verschiedene Papierfetzen, die am Abend in der Tonne landen! Was für eine Zeitverschwendung.
Im Vorfeld hatte man uns schon gesagt, dass jetzt – in der Regenzeit – die Tiersichtungen eher sehr gering ausfallen werden. Die Tiere finden genügend Wasser und sind daher nicht auf die vielen Wasserstellen angewiesen, die überall im Park verteilt sind. Als wir nach gut 20 km auf eine Löwenherde treffen, sich ein Nashorn auf der anderen Strassenseite gerade in das Gebüsch verzieht und etwa 50 m weiter vorne eine Zebraherde mit ungefähr 30 Tieren herumspaziert, zweifeln wir etwas an diesen Aussagen. Oder wir haben einfach nur Glück. Vermutlich ist es das. Die Löwin spaziert völlig gelassen ein wenig am Strassenrand hin und her, und etwas weiter vorne sehen wir nochmals 4 weitere Löwen, die gemütlich ihren Nachmittagssnack begutachten. Nein, nicht uns – sondern die Zebraherde, die sich weiter vorne herumtümmelt und die es irgendwie gar nicht raffen, dass sie vermutlich das nächste «Running Sushi» auf dem Speiseplan der Ladies sind.
Unseren ersten längeren Stopp machen wir an der Olifantrus Campsite. Dort Spät-Frühstücken wir erstmal und schauen uns die Umgebung an. Die Campsite ist natürlich komplett eingezäunt, damit sich keines der wilden Tiere darin verirren kann. Aber es gibt ein Wasserloch und einen schönen Aussichtsturm, von dem aus man die Tiere beobachten kann. Das machen wir natürlich und sehen einer kleine Herde Streifengnus zu, die sich in der Nähe des Wasserlochs aufhalten. Wie von der Tarantel gestochen flitzt der offensichtliche Herdenboss plötzlich los und rennt von der Herde weg. Wir checken zunächst gar nicht, was der hat. Wohl zu viele Hormone. Doch kurz darauf wird klar, was abgeht: mitten aus dem Busch, wie aus dem Nichts, taucht plötzlich ein riesiger Elefantenbulle auf und spaziert gemütlich auf das Wasserloch zu, während der Streifengnu-Türsteher hin und herspringt, herumbrüllt und einen auf Obersecurity macht. Der Elefant ist davon sichtlich unbeeindruckt und lässt sich nicht von seinem Weg abbringen. Aber Respekt scheint der dennoch zu haben, denn entweder tut er nur so, als wäre er gelassen oder er hat wirklich Schiss – denn ans Wasserloch kommt er dann doch nicht. Er läuft einfach schnurgeradeaus weiter und würdigt den herumwütenden Psycho-Gnu keines Blickes. Für uns natürlich wieder ein perfektes Fotomotiv!