
Mann, sind die Dickmann!
13. März 2022
Adler frisst Schlange: Mexico City Teil 1
27. März 2022Schnitzelparadies

Solange Menschen versuchen, an der IKEA-Warenausgabe eine komplette Küche in einen VW-Käfer zu laden, gebe ich meine Träume auch nicht auf!
20. März 2022 - Reisetagebuch Eintrag #78
- SCHNITZELPARADIES | geschrieben von Rene
Puebla ist die langjährige Produktionsstätte des VW-Käfers. Unerwartet stossen wir in der Stadt auf ein kulinarisches Highlight. Im Nachbarort Cholula finden wir die grösste Pyramide der Welt, während wir gleichzeitig einen Blick auf einen der aktivsten Vulkane der Welt geniessen können: den Popocatépetl.
Puebla
Wir geniessen noch einen weiteren Tag in der wunderschönen, bunten Stadt Oaxaca – bevor es dann weiter nach Puebla geht. Heute müssen wir glücklicherweise nicht besonders lange im Bus sitzen, um die langjährige Produktionsmetropole des VW Käfers zu erreichen: nur 5 Stunden. Wie einige vielleicht wissen, wurde die Käfer-Produktion in Deutschland am 1. Juli 1974 – nach fast 12 Millionen produzierten Exemplaren, eingestellt und zu Volkswagen de Mexico verlegt. In Puebla wurde der Käfer für den Wolfsburger Autobauer bis 2003 weiterhin gefertigt, bevor die Produktion des „Ur-Käfers“ am 30. Juli 2003, nach rund 21,5 Millionen Exemplaren – endgültig eingestellt wurde.Doch weg vom Käfer, zurück zu Puebla: Wir nutzen die Stadt als kleines Zwischenziel vor Mexico City. Um es gleich vorweg zu nehmen: Puebla ist auf jeden Fall einen Besuch wert, und alles andere als klein. Wir finden ein schickes Hotel, welches direkt im historischen Zentrum von Puebla gelegen ist. Von hier aus lässt sich die Stadt und die Umgebung bestens erkunden. Und wieder nehmen wir an einer Free Walking Tour teil, um einen guten ersten Überblick über die Stadt und deren Sehenswürdigkeiten zu bekommen. Wir hätten es uns nicht gedacht, aber Puebla versprüht mehr Charme als man vielleicht denkt. Natürlich – ausserhalb, an der Peripherie der 1,5-Millionen-Einwohnerstadt, ist die Industriemetropole nicht besonders anschaulich. Aber das war bisher noch keine der Städte, die wir hier besucht haben. Doch der Stadtkern von Puebla ist gross genug, um hier einige Tage verbringen zu können, eines der zahlreichen Strassencafés und Restaurants zu geniessen und den unverkennbaren kolonialen Baustil der Spanier zu betrachten.
In Puebla gibt es für uns ein unerwartetes Wiedersehen: Alex, den wir vor einigen Monaten in Valladolid kennengelernt haben, hat hier ein Work&Travel-Angebot angenommen und arbeitet ein paar Stunden für Kost und Logis in einem Hostel, dass sich gerade mal 400 Meter von unserem Hotel befindet. Alex reist mehr oder minder kreuz und quer durch Mittel- und Südamerika, hält sich aber vorzugsweise in Mexico auf, bevor es für ihn dann „irgendwann“ wieder zurück nach Österreich geht. Natürlich vereinbaren wir ein Treffen mit ihm und bringen uns auf den neuesten Stand der Erlebnisse.
Wir hätten es zwar nicht gedacht, aber hier in Puebla lernen wir ein (weiteres) kulinarisches Highlight Mexicos kennen. Vielleicht hat der ein oder andere von euch bereits aus einem unserer Berichte entnommen, dass das mexikanische Essen zwar lecker, aber irgendwie auf Dauer dann doch recht eintönig ist. Es handelt sich schlussendlich immer um eine Variation einer gefüllten Mais-Tortilla – mal roh, mal gebacken, mal frittiert, mal mit Käse, mal ohne Käse, mal mit Fleisch, mal ohne Fleisch. Und ja, wir geben es zu (auch auf die Gefahr hin, gesteinigt zu werden): nach nun 3 Monaten haben wir die ungesalzenen, langweiligen Tortillas in all ihren Varianten und Ausprägungen ziemlich satt. Doch nun lernen wir sie kennen – die Cemita (Cemita de Puebla oder auch bekannt als Cemita Poblana)!
Bei der Cemita ist ausnahmsweise keine Tortilla im Spiel. Glücklicherweise. Verwendet wird vielmehr ein Stück Sesambrot – welches ebenfalls als Cemita bezeichnet wird, an einen grossen Hamburger erinnert und dem Gericht den Namen gibt. Darin wird allerlei Gemüse wie Avocado, Tomate und Zwiebel eingeklemmt. Zusätzlich kommt Käse – vorzugsweise der Oaxaca-Käse – rein, und, als absolutes Highlight: ein paniertes, dünnes Stück Hühnerfleisch! Jawohl, wir konnten es kaum glauben, aber der/die/das Cemita ist quasi der Schnitzelsemmel von Mexico. Eine Gaumenfreude schlechthin. Bei der ersten Bestellung machen wir einen kleinen Fehler und lassen uns die Cemita de Puebla aus Unwissenheit mit „Papalo“ liefern. Wie wir später herausfinden ist Papalo der bolivische Koriander, und er schmeckt sehr ähnlich dem echten Koriander. Da wir aber beide keine Fans von Koriander sind und deswegen alle Gerichte so gut wie möglich „sin silantro“ (also ohne Koriander) bestellen, müssen wir beim ersten Mal damit leben. Aber wir lernen schnell, und so bestellen wir in den nachfolgenden Tagen unseren Schnitzelsemmel in seiner perfekten Form und ernähren uns fast ausschliesslich davon. Zumindest ich.
Cholula und seine Pyramide
Von Puebla machen wir einen Ausflug in das etwa 15 km ausserhalb liegende Cholula. Die Fahrt dorthin kann von Puebla aus relativ bequem mit einem Colectivo oder einem Linienbus bewältigt werden. Spätestens ab Puebla sind auch die Busfahrpläne, die Google in der Suche über Maps ausgibt, ziemlich zuverlässig. So finden wir schnell die unkomplizierteste Verbindung, und nach gut 30 – 40 Minuten Fahrzeit befinden wir uns im Zentrum. Ein Ausflug nach Cholula de Rivadavia lohnt sich auf jeden Fall. Irgendwie hört Puebla als Stadt auch gar nicht so richtig auf, als wir das Ortsschild von Cholula passieren. Das „Pueblo Magico“ – eine Auszeichnung für besonders sehenswerte Städte in Mexico – hat etwas über 100.000 Einwohner, was man auf den ersten Blick aber nicht sieht. Das Ortszentrum wird von einem grossen Dorfplatz und angrenzenden Park dominiert. Doch der wahre Grund, warum es so viele Besucher nach Cholula zieht, ist die Pyramide von Cholula. Und diese zählt gerade mal eben zu der grössten Pyramide der Welt. Jep – richtig gelesen: die grösste Pyramide der Welt steht nicht in Ägypten, sondern in Mexico: nicht die Cheops-Pyramide und nicht die Chepren Pyramide – sondern die Pyramide von Cholula ist die (volumenmässig) grösste der Welt!Warum sie trotz alledem nicht den Bekanntheitsgrad der berühmten ägyptischen Bauwerke hat, liegt ziemlich sicher daran, dass nur noch ein kleiner Teil der Pyramide überhaupt sichtbar ist. Das meiste ist mittlerweile von einer dicken Erdschicht bedeckt, lediglich ein kleiner Teil wurde seinerzeit freigelegt und restauriert. Mit einer Abmessung von 450 x 450 m ist sie fast doppelt so gross (Achtung: gross, nicht hoch!) wie die Cheops-Pyramide. Faszinierend: Die Pyramide ist kein einzelnes Bauwerk, sondern besteht aus vielen Schichten, die in Abständen von mehreren Jahrhunderten gebaut wurden. Nachdem die Pyramide, die von den Einheimischen mit dem leicht auszusprechenden Namen Tlachihualtepetl bedacht wurde, lange Jahre wichtiger Bestandteil der Bürger Cholulas und vor rund 2.200 Jahren als Tempel für religiöse Rituale und Opfergaben errichtet wurde, verwilderte sie irgendwann zusehends. Schließlich verschwand sie vollends unter einer Erdschicht. Weshalb genau ist bis heute Grund für allerlei Spekulationen. Eine Theorie besagt, die Azteken selbst hätten den Tempel mit Erde bedeckt, um ihn vor Eindringlingen zu verstecken und ihn vor der Zerstörung zu schützen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Azteken einen anderen Tempel unweit der Pyramide errichteten und ihre Rituale in dem neuen Gotteshaus abhielten – und somit die Cholula-Pyramide folglich vernachlässigten.
Spekulation hin oder her – Fakt ist, dass sich die Spanier bei ihren Eroberungszügen um 1519 sich nicht besonders viel um das aztekische Kulturgut scherten. Sie nahmen die Stadt ein, löschten etwa 10 % der Einwohner aus und pappten anschliessend einfach eine Kirche auf die Spitze der Pyramide. Genaugenommen die Iglesia de Nuestra Señora de los Remedios. Insgesamt soll es in der gesamten Stadt 38 Kirchen mit 365 Kuppeln – für jeden Tag des Jahres eine – geben. Wir haben nicht nachgezählt, sind aber schwer davon überzeugt, dass die Spanier sich nicht lumpen liessen. Erst mehr als 300 Jahre später – um 1884 – entdeckte ein Archäologe bei Ausgrabungen dann Teile der Pyramide wieder. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde zur genaueren Erforschung ein Tunnelsystem in das Innere gebaut, um sie genauer zu inspizieren. Leider sind die Tunnel zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund der globalen Standardausrede für 2021/2022 nicht begehbar. Stattdessen besteigen wir den gut ausgebauten Fussweg zur Iglesia bis nach oben, um von dort einen spektakulären Ausblick auf die gesamte Stadt zu haben. Und was das Geologenherz besonders erfreuen dürfte: man auch auch eine besonders gute Sicht auf den Popocatépetl. Ja, hat jeder schon mal gehört, aber möglicherweise gerade nicht klar, wo das hingehört? Also – kurze Geologie-Auffrischung: der Popocatépetl – der «rauchende Berg» - gilt als einer der aktivsten Vulkane Mexikos und ist mit seinen 5.452 m der zweithöchste Vulkan Nordamerikas sowie gleichzeitig auch der zweithöchste Berg Mexikos.
Okay, ganz schön viel Superlativen und ziemlich viel Geschichte – zurück zu unserer Geschichte: wir besuchen auch die Iglesia de Nuestra Señora de los Remedios, was man auf jeden Fall machen sollte. Der Eintritt ist frei, und der Fussmarsch auf die Spitze der versteckten Pyramide ist nicht besonders schwer. Die Aussicht entschädigt auf jeden Fall alle Strapazen. Das Innere der Kirche ist schön, aber mich persönlich hat die Aussicht auf den rauchenden Vulkan und auf die Stadt mehr beeindruckt.
Auch sonst ist Cholula gut und einfach zu Fuss zu erkunden. Das lohnt sich – natürlich kommt man kaum an den ganzen Kirchen vorbei – wie etwa das Convento de San Gabriel Arcángel oder die Capilla Real de Naturales, die direkt nebeneinander liegen. Nach der ganzen Kultur und Geschichte meldet sich unser Hunger zu Wort. Wir finden ein richtig schickes Lokal direkt am Hauptplatz, wo wir zu unserem Erstaunen besonders königlich behandelt werden (angesichts der günstigen Preise). Wir lassen es uns gutgehen und geniessen die schöne Aussicht auf den Park, bevor wir den restlichen Nachmittag mit Sightseeing und der Heimreise nach Puebla verbringen.
Leider vergehen auch die Tage in Puebla viel zu schnell. Nachdem wir bei den grossen Städten in Yucatan und Quintana Roo eher etwas enttäuscht waren, planten wir deswegen nicht allzu viel Zeit für den Besuch der Metropolen in der mexikanischen Zentralregion ein. Sowohl in Oaxaca als auch in Puebla hätten wir aber durchaus noch länger bleiben können. Doch nun steht eine der grössten und mächtigsten Metropolen des gesamten amerikanischen Kontinents auf unseren Plan: Mexico City! Auf dem Weg dorthin passieren wir doch tatsächlich die Produktionsstätte von VW/Audi/Seat. Die gar nicht enden wollenden Werkshallen erstrecken sich über mehrere Kilometer an der Verbindungsstrasse entlang, als wir Puebla Richtung Mexico City verlassen. Hier rollte er 2003 also vom Band – der allerletzte Käfer!
Mexico City - Grossstadtdschungel
Grossstadtdschungel – laut Oxford Languages „als bedrohlich, geheimnisvoll, undurchdringlich oder vielfältig und abwechslungsreich empfundene Atmosphäre der Grossstadt“. Das trifft es irgendwie ziemlich gut. Denn dass wir überhaupt hier herkommen war bei Beginn unserer Reise eine vollkommen absurde Vorstellung. Wir können die Anzahl der Personen, die uns vor der Gefährlichkeit von Mexico City – der Hauptstadt des Landes - gewarnt haben, gar nicht mehr zählen. Wir haben so lange zugehört, bis wir es selbst geglaubt haben. Mexico City – Drogenkartelle, Verbrechen, brutale Morde, Raubüberfälle. Da kämen wir nicht lebend raus!Doch trotzdem wagen wir uns jetzt in die „Höhle des Löwen“. Warum? Weil wir nun – nach rund 3 Monaten Mexico - viel mehr über das Land und seine Leute wissen. Und wenn wir während unseres Aufenthaltes eines gelernt haben, dann dass die (meisten) Leute hier selbst ihre Ruhe, keine Probleme und keinen Ärger haben wollen. Im Gegenteil: uns wurde so unheimlich viel Freundlichkeit und Aufmerksamkeit geschenkt. Die Begegnungen mit den Einheimischen waren nahezu ausnahmslos positiv. Ja, die Uhren ticken hier etwas anders, und vielleicht funktioniert vieles nicht so, wie man es als Mitteleuropäer gewohnt ist. Aber eines kann man mit Fug und Recht behaupten: sie bleiben immer freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Und das macht dieses Land und seine Leute so sympathisch.
Mit diesem Wissen und einer sehr positiven Einstellung fahren wir nach Mexico City. Mit viel weniger Angst, die wir gegen Neugier und erwartungsvolle Spannung getauscht haben. Und wir sollten nicht enttäuscht werden.
Puerto Escondido, im März 2022
Liebe Grüsse
Liebe Grüsse
Rene
Reiseroute
15. - 18. Feb. 2022Puebla
MX17. Feb. 2022Cholula
MX
Erfahrungsberichte