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Der Adler ist gelandet
27. März 2022 - Reisetagebuch Eintrag #79
- ADLER FRISST SCHLANGE: MEXICO CITY | geschrieben von Rene/Magdalena
Mexico City hat den Namen «GROSS-Stadt» wirklich verdient. Alles ist laut, geschäftig, bunt, schrill. Und sie zieht einen sofort in ihren Bann – die Supermetropole in Mittelamerika. Doch wie entstand Mexico City? Und wer zum Geier war Huitzilopochtli? Was hat Adler, Schlange und Kaktus mit der Stadt zu tun? Und warum sind manche Gebäude in Mexico Stadt so schräg wie der schiefe Turm von Pisa?
Bienvenidos a Ciudad de Mexico
Wir kommen an einem der zahllosen Busbahnhöfe in Mexico City – kurz CDMX, für Ciudad de Mexico - an. Ich habe im Vorfeld etwas über die U-Bahn (Metro) recherchiert. Nachdem Magdalena – meine wunderbare Ehefrau und beste Begleiterin der Welt – wieder einmal hervorragend die Chefplanung für diesen riesigen, unüberschaubaren Gebäudedschungel übernommen hat und sich die allerbesten Highlights für die nächsten Tage herausgeschrieben hat, damit wir nicht vollkommen hilflos und verloren im Dickicht herumirren, habe ich mir wenigstens das Verkehrsnetz etwas näher angesehen. Und das Beste kommt gleich zu Beginn: mit der Metro kommt man in der 21-Millionen-Einwohner-Stadt am besten voran. Und das für unglaubliche – festhalten: 5 Pesos pro Fahrt! Einmal Umrechnen bitte: 5 Pesos entsprechen etwa 21 Euro-Cent. 0,21 Euro, egal wie weit man fährt oder wie oft man Umsteigen muss. Ein Ticket kostet immer 5 Pesos. Somit zählt die Metro in Mexico Stadt zu einer der günstigen auf der ganzen Welt. Das freut uns natürlich ganz besonders und so kommen wir mit diesem Transportmittel bequem in unser Hotel mitten im historischen Zentrum der Stadt. Und natürlich werden wir sie auch in den nächsten Tagen noch häufig nutzen. Aber leider nicht immer ganz problemlos.Schon beim ersten Kontakt mit der Stadt merken wir, dass es eine ganz andere Welt ist. Das wuselige Treiben, die rauchenden Garküchen und der alles übertönende Verkehrslärm erinnern uns spontan an Bangkok. Wir nehmen uns an Tag 1 gleich wieder eine „Free Walking Tour“ vor. Es wäre nicht Mexico City, wenn es davon nur eine gäbe. Nein – hier gibt es unzählige Walking Tours, die man machen kann. Wir entscheiden uns für die Variante „historisch“, weil uns das am meisten interessiert und zudem auch nicht besonders weit weg ist von unserem Hotel. Unser Guide hat wirklich Lob verdient – mit sehr gutem Hintergrundwissen lässt er uns ein bisschen an der Entstehungsgeschichte der Stadt teilhaben und bringt uns zu spannendsten Orten des Zentrums.
Wie die Hauptstadt Mexicos entstand
Die Gründung geht laut Aufzeichnungen ins Jahr 1345 zurück, als die Stadt noch Tenochtitlan hiess – oder besser gesagt heissen sollte. Da liess sich nämlich eine Schar von nomadischen Azteken („Méxica“) auf einer Insel nieder. Nun kommt der schöne Teil der Überlieferung: die hatten von ihrem Gott Huitzilopochtli nämlich den Auftrag bekommen, genau an der Stelle eine Stadt zu gründen, wo sie einen Adler finden, der auf einem Kaktus sitzend eine Schlange verspeist. Und offensichtlich fanden sie ihn genau auf dieser Insel, mitten im Texcoco-See. Und was Gott Huitzilopochtli aufträgt, muss auch ausgeführt werden – also gründeten sie genau dort die Stadt, die später die Hauptstadt Mexicos werden sollte. Aber das wussten sie damals natürlich noch nicht. So romantisch es auch klingt, wird sich die tatsächliche Siedlungsgeschichte etwas anders zugetragen haben. Denn scheinbar bot sich den umherziehenden Mexicas auf der Insel ein guter strategischer Rückzugspunkt. Zudem versorgte sie der See mit Fisch und der Boden war fruchtbar – und somit war die Insel wohl deshalb die erste Wahl der Mexicas. Vielleicht stimmt auch beides ein bisschen. Heute jedenfalls ziert der Adler auf dem Kaktus, der genüsslich die Schlange verspeist, genau aus diesem Grund die mexikanische Flagge.Fortan wurden auf dem See Dämme errichtet, um den Wasserstand kontrollieren zu können. Die waren so angelegt, dass die durch Brücken und Kanäle miteinander verbundenen Inseln im Notfall überflutet werden konnten. Errichtete Zugbrücken schützten vor Angriffen. Um Nutzfläche für Anbau zu gewinnen, wurden Flösse mit Erde beladen und als Ackerland genutzt. Ganz schön smart, was sich die alten Mexicas alles haben einfallen lassen. Wie man unschwer vermuten kann, wurde der Machteinfluss immer grösser und so unterwarfen sie teilweise mit Waffengewalt auch bald das umliegende Hochtal.
Wie die meisten Leser unseres Blogs bereits wissen, haben die Spanier bei der (meist gewaltsamen) Besiedelung Mexicos ein kräftiges Wort mitzureden gehabt. So kam der spanische Konquistador Hernán Cortés im Jahre 1519 mit einer Handvoll Männer an der Ostküste des Landes an und machte sich auf den langen Weg nach Tenochtitlán. Ihm kam zugute, dass sich mehrere Stämme mit den Azteken im Krieg befanden oder schlichtweg unterdrückt wurden – diese unterstützten Cortés und seine Männer bereitwillig. Doch eigentlich war es ein ganz anderer Umstand, der Cortés in die Hände spielte: der Aztekenherrscher Moctezuma – seines Zeichens tiefgläubig und grüblerisch – glaubte, in Cortés den Gott Quetzalcoatl zu erkennen, der zurückgekehrt war, um eine alte Prophezeiung zu erfüllen. Also ließ er Cortés und seine Männer am 8. November 1519 ohne jegliche Gegenwehr in die Stadt einziehen und behandelte sie sogar wie Ehrengäste. Diese wiederum waren schwer angetan vom Anblick der Stadt. Mit den damals rund 300.000 Einwohnern und der fortschrittlichen Besiedlungs- und Anbautechnik waren sie so mancher Stadt auf dem europäischen Festland weit überlegen.
Das zunächst respektvolle Verhältnis zwischen Cortés und Moctezuma wurde durch einen internen Aufstand eines aztekischen Feldherrn tief erschüttert, als dieser plötzlich mehreren Spaniern die Köpfe abschlagen lies und diese herumschickte. Cortés nahm Moctezuma fest und sperrte ihn in seinem eigenen Palast ein. Wenig später kam Moctezuma zu Tode. Ob durch die Spanier oder seine eigenen Landsleute ist bis heute ungeklärt. Die Spanier wurden anschliessend aus der Stadt vertrieben, kamen aber mit den neu gewonnenen, befreundeten Stämmen zurück, eroberten die Stadt 1521 schlussendlich gewaltsam und brachten sie endgültig unter ihre Herrschaft.
Okay, wieder mal sehr viel Historie, aber ich denke es lohnt sich durchaus, ein wenig über die Entstehungsgeschichte dieser Mega-Metropole zu wissen. Die Tatsache, dass die Mexico City ursprünglich auf einer Insel mitten in einem See erbaut wurde, hat Auswirkungen bis zum heutigen Tage. Denn der Boden ist weich und sumpfig. Damit haben viele Bauwerke zu kämpfen: Dem Untergrund der Stadt wurde allmählich das Wasser entzogen - in der Folge senkten sich einige Gebiete der Innenstadt zwischen 1891 und 1998 um bis zu 9 m. Im Zeitraum Oktober 2014 bis Mai 2015 wurden Sinkraten von 13 bis zu fast 23 cm in weiten Gebieten der Stadt vermessen. Dadurch sind die Anlagen der Kanalisation teilweise zerrissen, Gefälle haben sich umgekehrt und Abwasser dringt in die undichten Trinkwasserleitungen ein und machen diese infektiös. Und so ist es nicht selten, dass man ziemlich windschiefe Bauwerke und Gebäude in Mexikos Stadt findet.
Neben der Kathedrale und dem riesigen Zócalo hat es Magdalena besonders der Palacio de Correos de México – die Postzentrale – angetan. Das Gebäude ist beeindruckend, die Innenarchitektur noch mehr: es wurde 1907 erbaut und erinnert viel mehr an eine Filmkulisse als an ein Postamt. Filmkulisse war es übrigens tatsächlich, und zwar im 1989 gedrehten James Bond-Streifen „Lizenz zum Töten“. In den 1950er Jahren wurde das Gebäude modernisiert, was aber zu starken Schäden führte. Beim grossen Erdbeben 1985 wurde der Postpalast sehr in Mitleidenschaft gezogen, anschliessend aber neu aufgebaut und wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt. Heute ist es neben einem echten Postamt aufgrund des wunderschönen Baustils auch ein Touristenmagnet. So liess es sich meine Frau nicht nehmen, die obligatorischen Ansichtskarten vom berühmten Palacio de Correos abstempeln und versenden zu lassen.
Über Mexico City könnte man ganze Bücher schreiben. Alleine schon, was wir in den wenigen Tagen erlebt haben, gäbe Lesestoff für mehrere Berichte. Doch ich muss mich ein wenig kurzhalten, damit ihr von meiner Geschichtslehrstunde nicht allzu gelangweilt seid. Deswegen nun etwas weniger Geschichte. Es ist mein Geburtstag – na ja, auch ein bisschen Geschichte. Es ist bereits mein drittes Jubiläum, welches ich nicht zuhause feiere. Irgendwie ist es seltsam, denn wenn man – so wie ich – im Februar Geburtstag hat, freuts man sich zeitlebens, seinen Geburtstag wenigstens einmal unter Palmen und bei angenehmem Wetter verbringen zu können. Nun komme ich also schon das dritte Mal in Folge in diesen Genuss. Doch irgendwie fehlt es ein wenig – das «Zuhause», die Familie und Freunde, die bekannten Gesichter. Aber alles zusammen geht nun mal eben nicht. Es ist ein Tag wie jeder andere, mit der Ausnahme, dass mein Handy im Sekundentakt pfeift und vibriert. Daher freut es mich unheimlich, dass sich immer noch so viele Verwandte und Freunde zu meinem Geburtstag melden. Sogar so viele, dass ich zunächst gar keine Zeit finde, allen zu antworten.
Denn an diesem Tag lernen wir Angela und Alex kennen. Es sind Freunde von Judith aus unserer gemeinsamen Heimat. Alex ist gebürtiger Mexikaner und kommt ursprünglich sogar aus Mexico Stadt. Das trifft sich bestens, denn so dürfen wir uns an ihn „dranhängen“ und bekommen einige Sehenswürdigkeiten frei Haus serviert – wie etwa den Chapultepec-Park oder das Monument „El Ángel de la Independencia“ – den Engel der Unabhängigkeit, der – wie sollte es auch anders sein –die Unabhängigkeit Mexicos symbolisiert und sehr an die Berliner Siegessäule erinnert. Wir haben wirklich einen wundervollen Nachmittag, spazieren durch die Nobelgassen von Mexico City und fühlen uns zwischen den hoch aufragenden Wolkenkratzern richtig klein.
Den Abend verbringen wir gemütlich mit ihnen und einigen ihrer Freunde dann in einer schönen Roof-Top-Bar, bevor wir uns kurz vor 11 Uhr nachts mit der Metro auf den Heimweg machen. Die beiden sind – wie Judith auch – in ein paar Tagen in Acapulco zu einer Taufe eingeladen und extra deswegen angereist. Unser ursprünglicher Plan war, dass wir sie ebenfalls begleiten, da wir zunächst auch eingeladen waren. Aber durch einen irgendwie verzwickten Umstand hat es dann doch nicht geklappt, und für uns blieb schlussendlich kein Zimmer mehr übrig in dem wir hätten übernachten können. Wir waren ziemlich traurig, als wir die Nachricht erhalten haben – vor allem auch, weil wir unsere Planung und die Reiseroute der letzten Wochen darauf ausgerichtet hatten und wir uns sehr darauf gefreut hätten, bei dieser Feier dabei zu sein. Aber wir wollten uns auch nicht aufdrängen und irgendwo weitab vom Schuss ein Zimmer für uns zwei suchen. Das hätte sich nicht richtig angefühlt. Deswegen haben wir uns dafür entschieden, den Weg nach Acapulco nicht anzutreten, so gerne wir auch dabei gewesen wären.
Zwei Highlights stehen aber in CDMX noch auf dem Programm: einerseits das Künstler-Stadtviertel Coyoacán und dann auch noch die Pyramiden-Kultstätte von Teotihuacán. Keine Angst, ich versuche, mich mit der geschichtlichen Ausführung zurückzuhalten. Doch zuerst nehme ich mir einen Vormittag lang Auszeit, um alle Geburtstagsgrüsse und Nachrichten zu beantworten, die ich einen Tag zuvor erhalten habe. Dazu ziehe ich mich in einen der zahlreichen Parks in Mexico City zurück, während Magdalena sich inzwischen nochmals die historische Altstadt vornimmt und ausnahmsweise alleine erkundet. Ich weiss, dass viele von Euch nicht die Zeit haben, alle die Geschichten in unserem Blog zu lesen. Doch trotzdem möchte ich euch an dieser Stelle mein herzliches Dankeschön für die vielen Glückwünsche aussprechen und hoffe, dass ich bei meinen Antworten niemanden vergessen habe. Es freut mich, dass ich – obwohl wir nun schon bald 2 ½ Jahre unterwegs sind – zumindest in den Köpfen unserer Freunde noch nicht in Vergessenheit geraten bin. Die grosse Party steigt, wenn wir wieder zuhause sind. Versprochen!
Puerto Escondido, im März 2022
Liebe Grüsse
Liebe Grüsse
Rene
Reiseroute
18. - 22. Feb. 2022 Mexico City
MX
Erfahrungsberichte