«Wenn du beim Baden dem Krokodil entkommen bist, nimm dich vor dem Leoparden am Ufer in Acht.»
Sprichwort aus Südafrika
Also, nun endlich mal ein paar Zeilen darüber, was wir uns da bei der Sache gedacht und geplant haben. In unserem letzten Bericht hatten wir es bereits kurz angeschnitten – jetzt mal in voller Länge: Über die Internetplattform «workaway.info», die tausende von Freiwilligenprojekten auf der ganzen Welt listet, haben wir unseren Host «Tatt's Tours Africa» gefunden. Als «Host» wird der Gastgeber bezeichnet. Der Deal ist immer: gegen freiwillige, persönliche Arbeit darf man beim jeweiligen Host als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit kostenlos übernachten, und in vielen Fällen ist auch die Verpflegung dabei (man kennt es auch als «Kost und Logis»). Dafür arbeitet man maximal 5 h pro Tag an maximal 5 Tagen die Woche. Einbringen kann man sich in die verschiedensten Bereiche, je nachdem, was der Host sucht. Das geht über Haustiersitting, Hilfe im Haushalt, auf der Farm oder in einem Hostel über handwerkliche Arbeiten, Reparaturen, Sprachunterricht bis hin zu Hilfe bei Computer und Internet, Webseiten, Marketing und Social Media. Jeder, der etwas kann, kann sich in irgendeiner Weise bei einem Host einbringen.
Tatt's Tours Africa ist ein junges Reiseunternehmen, die vor kurzem ins Business gestartet sind und nun etwas Unterstützung im Social Media-Bereich suchen – oder, wie in unserem Fall, gerne einen Imagefilm für ihr Unternehmen und ihre Leistungen hätten. Die Erstellung eines solchen Films ist natürlich um Dimensionen aufwändiger als den Social Media-Auftritt etwas aufzufrischen. Trotzdem klingt das so spannend, dass wir es kaum erwarten können, loszulegen. Die Idee: wir begleiten John und Hanna während der kommenden 4 Wochen auf ihren Trips rund um Südafrika. Das Reiseunternehmen möchte sich auf individuell betreute Reisen für Kleingruppen spezialisieren: Safaris, Bush-Walks, Ausflüge in die Nationalparks, Wanderungen und Ausflüge durch die unglaubliche Natur Südafrikas. Kapstadt steht ebenfalls auf ihrem Reiseprogramm – und auch diese Eindrücke sollen in den Imagefilm einfliessen. Uns steht also ein ziemlich mächtiges Abenteuerprogramm bevor, und wir sind gespannt, was wir erleben werden.
Zurück zum Flughafen, zurück zu John: Wir steigen zu ihm ins Auto und fahren die paar Kilometer bis zum Wildlife Estate, in dem Hanna und John zuhause sind. Mit Hanna hatten wir bereits einige Male geschrieben und telefoniert. Nun lernen wir uns endlich persönlich kennen. Der Empfang ist so herzlich, dass wir uns gleich in die Arme fallen. Mit von der Partie ist Anna – die Grosscousine von Hanna. Anna ist für ein paar Wochen ebenfalls zu Gast bei Hanna und John, und für den ersten Abend hat sie schon eine sehr leckere Lasagne für uns vorbereitet. Wir beziehen unsere Zimmer und sind sofort rundum begeistert.
Die beiden bieten uns wenig später an, einen ersten kleinen «Überraschungs-»Game-Drive zu machen. Buschwissen für Anfänger: Als «Game» wird alles bezeichnet, was mit Wildtieren im afrikanischen Busch zu tun hat. Der Ausdruck kommt von früher als man die Wildtierbeobachtung, aber leider auch die ungezügelte Jagd als «Game», also als «Spiel» bezeichnet hat. Demnach ist ein Game-Drive also eine Safari, eine Fahrt durch ein Wildtier-Reservat. Glücklicherweise ohne Jagd. Ein «Game-Viewer» ist das Fahrzeug, in dem man sitzt und ein «Game-Reserve» ist das Reservat, in dem die Tiere leben. Die Reservate sind zwar grundsätzlich eingezäunt, aber die Grösse dieser Anlagen ist schier unglaublich. Hier geht es um tausende Hektar freie Landfläche, die den Big-5 und den anderen Vertretern der afrikanischen Tierwelt zur Verfügung stehen. Innerhalb der Reservate gibt es selbstverständlich keine Zäune mehr und die Tiere können sich ungehindert und frei bewegen.
Doch wir dürfen nicht nur stauen. Für den geplanten Imagefilm versuchen wir, so viel Film- und Fotomaterial wie möglich in den Kasten zu bekommen. Bei jedem Drive ist unser gesamtes Kameraequipment mit von der Partie. Da darf auch die Drohne nicht fehlen. Und ich freue mich schon richtig darauf, unsere Neuanschaffung ausgiebig zu testen. Wir haben die exklusive Genehmigung des zuständigen Parkrangers, dass wir während unseres Aufenthaltes mit der Drohne fliegen und filmen dürfen – und welches Gelände könnte sich besser eignen?! Wir planen zunächst, den Game-Viewer (das Fahrzeug, in dem später die Gäste durch das Reservat fahren) ins rechte Licht zu rücken. Dafür möchte ich gerne eine Aufnahme mit der Drohne machen, während wir uns durch das Gelände kämpfen.
Startklar! Die Drohne ist in der Luft, und John hat die Anweisung, einfach in üblichem Tempo entlang des Weges zu fahren. Ich fliege mit der Drohne hinterher und mache ein paar schöne Aufnahmen. Plötzlich bekommen wir etwas, was nach Johns Aussage so gut wie nie passiert: Gegenverkehr. Auf der Farm sind 5 Lodges, und die Chance, in dem riesigen Gelände auf ein anderes Fahrzeug zu treffen, sind ziemlich gering. Echt super. Aber egal – nur können wir nicht an denen vorbei. Also ist die Aufnahme vorerst mal gestorben. Doch worauf schauen die anderen da in dem Auto so gespannt? Okay – das wird ziemlich schnell klar: am unteren Flussbettufer liegt einer der Big-5 ganz gemütlich herum: ein Leopard! Wow, was für ein schönes Tier. Wow, was mache ich denn jetzt mit meiner Drohne?
Die schwebt immer noch in der Luft. Ich bin hin und hergerissen – was machen wir jetzt? Wir brauchen die Aufnahmen vom Leoparden, aber die Drohne ist immer noch in der Luft und ich kann nicht einfach irgendwo mitten im Gelände landen. Ich lege kurzerhand die Steuerung weg, aber ewig geht das nicht. Ich habe noch Akku für etwa 8 Minuten, bevor die Drohne irgendwo landet und wir sie nachher suchen müssen. Wir müssen also schnell entscheiden und ich sage John, dass ich die Drohe einfach schnell hinter dem Toyota landen werde. Die ist so superleise, das bekommt vermutlich niemand mit. Ja denkste. Ich bin sicher noch 100 m von unserem Fahrzeug entfernt, und bevor ich selbst die Drohne höre, spitzt der Leopard schon seine Ohren. Er weiss sofort, dass da was in der Luft ist. Ich komme mit meinem Quadrokopter näher, was natürlich nicht unbemerkt bleibt. Ich bin fast am Fahrzeug, suche mir eine geeignete Stelle und lande kurzerhand auf dem Weg, etwa 10 Meter hinter dem Game Viewer. Doch den Leoparden lässt das nicht kalt. Neugierig steht er auf, blickt einmal herum und prüft, wo das komische Objekt jetzt hin ist. Langsam setzt er sich in Bewegung – genau dorthin, wo ich eben die Drohne gelandet habe. Das darf ja nicht wahr sein! Geistesgegenwärtig schaltet John in den Rückwärtsgang und fährt mit dem Toyota über die Drohne. Zugegeben, ich hatte schon ziemliche Bedenken und habe sie schon im Drohnenhimmel gesehen: entweder vom Toyota überfahren oder vom Leoparden gefressen. Wir hoffen einfach, dass alles gut geht.
Der Leopard kommt nun tatsächlich die Böschung hoch, blickt einmal kurz zu uns herüber, läuft keine 5 Meter hinter uns vorbei und verschwindet dann im Dickicht. Ich weiss grad nicht, was mir mehr Sorgen gemacht hat: dass meine Drohne jetzt matsch ist oder dass der Leopard fast auf Augenhöhe mit uns war. Für den wäre es absolut kein Problem in das offene Fahrzeug zu springen und sich an uns zu bedienen.