„Afrika hat seine Geheimnisse und selbst ein weiser Mensch wird diese nie verstehen. Er kann sie aber respektieren.“
Miriam Makeba (Mama Afrika), südafrikanische Sängerin und Menschenrechts-Aktivistin
Wow, ganz schön lange her, dass wir den letzten Bericht online gestellt haben. Aber dazwischen ist richtig viel passiert. Nun schaffen wir es endlich, das Erlebte digital festzuhalten. Und das ist eine ganze Menge, das könnt ihr uns glauben. Aber gut, beginnen wir von vorne – oder besser gesagt da, wo wir das letzte Mal aufgehört haben.
Wir hatten noch ordentlich viel Arbeit mit Frida. Wir mussten sie für den Winterschlaf vorbereiten, und wir spielen ernsthaft mit dem Gedanken, Frida in neue Hände zu geben. Ja, richtig gelesen: unsere treue Seele, Begleiterin und mobiles Heim der letzten 3 Jahre wird wahrscheinlich den Besitzer wechseln. Auch wenn es vielleicht nicht ganz verständlich oder nachvollziehbar klingt – aber es war immer unser Plan, dass wir nur für die ersten zwei Jahre ein Wohnmobil/Camper nutzen werden, und danach – für die grosse weite Welt – uns etwas anderes überlegen. Nun, aus den hinreichend bekannten Gründen sind aus zwei Jahren dann drei geworden. Wir haben viele Ecken von Europa kennen und lieben gelernt. Viele Erwartungen wurden erfüllt oder übertroffen, und viele Überraschungen waren dabei – so hätten wir beispielsweise nicht gedacht, wie spannend und interessant Osteuropa ist. Gerne hätten wir mehr Zeit dort verbracht, aber die Monate fliegen so schnell vorbei, und ohne, dass wir uns versehen, steht der Winter vor der Türe. Nun gut – zurück zu Frida: für 2023 und 2024 – rechnerisch unsere letzten zwei Reisejahre – möchten wir andere Kontinente entdecken. Das geht mit Frida nicht.
Nein falsch – natürlich geht es mit Frida auch, aber die Frage ist, ob es sich wirtschaftlich rechtfertigen lässt, unser mobiles Heim beispielsweise nach Amerika zu verschiffen. Für Mexico und weiter südlich ist es auf jeden Fall nicht geeignet, so viel haben wir bei unserem Aufenthalt im Land der Mayas und Azteken bereits rausgefunden. Wir würden viel zu sehr auffallen, und es wäre uns ehrlich gesagt auch zu schade, unsere Frida diesen Strapazen, den schlechten Strassen, den heissen Temperaturen und der Salzluft, auszusetzen. Und weiter südlich von Mexico würde man mit so einem Gefährt ohne 4x4 vermutlich rasch an die technischen Grenzen stossen. Es gibt noch viele andere Gründe, warum wir Frida nicht auf einen anderen Kontinent verschiffen wollen – aber das würde definitiv zu langatmig werden. Das Resümee aus der Geschichte: Frida muss hübsch und sauber gemacht werden, falls sich ein Käufer für sie findet. Daher heisst es nun für uns: Extramühe investieren.
Sie bekommt das volle Verwöhnprogramm. Angefangen von einer intensiven Aussenreinigung, polieren der Fenster und Dachluken, der Reinigung des Daches (was zugegeben ein ziemlicher Balanceakt ist) wird sie natürlich auch innen Tipp-top sauber gemacht. Inklusive einer ausgiebigen Wassertankreinigung sieht sie nach 5 Tagen harter Arbeit aus wie frisch vom Band. Nun ist sie bereit für die Halle, die wir angemietet haben und sie kann sich erstmal erholen.
Unsere Koffer sind gepackt und wir sind bereit für das nächste Abenteuer: Afrika. Beim letzten Bericht haben wir es kurz angeschnitten: wir haben uns dazu entschieden, bei einem Volontär-Projekt mitzuhelfen. Über die Plattform workaway.info finden wir einen Host, der uns wirklich begeistert und wir können es kaum erwarten, in Südafrika einzutreffen und unsere Hosts Hanna und John kennenzulernen.
Unser Flug geht am 18. November von Zürich. Wir haben einen ziemlichen «Ritt» vor uns: Am Freitag, den 18. abends geht es los, unsere Ankunft in unserem Endziel Hoedspruit ist aber erst am Sonntag, am 20. November. Es klingt dramatischer als es ist. Wir landen am Samstag gegen Mittag in Johannesburg, aber nach Hoedspruit (es ist genauso klein wie es klingt) geht die Maschine nur 1 mal am Tag, und zwar am Vormittag. Das heisst, wir schaffen den Samstagflug nicht mehr und müssen in Jo’burg (so nennen die Südafrikaner Johannesburg) übernachten. Doch so weit sind wir noch lange nicht.
Wir lassen uns am besagten Freitag also nach Buchs zum Bahnhof bringen, da wir nach Zürich zum Flughafen mit dem Zug anreisen werden. Wir entscheiden uns für einen Zug, der früh genug ankommt, um genügend Zeit zu haben. Perfekter könnte der Start nicht sein: wir treffen in Buchs am Bahnhof ein und sehen auf der Anzeigetafel, dass unser Zug 30 Minuten Verspätung hat. Bravo! Da der Infoschalter direkt neben uns ist, gehe ich kurzerhand hinein und frage nach, was wir für Alternativen haben. Die Dame ist sehr nett und erklärt uns, dass wir den nächsten Zug nach Sargans nehmen können, dort umsteigen und dieser würde uns direkt nach Zürich Hauptbahnhof bringen (wo wir nochmals umsteigen müssen). Na gut, wir wollten uns das häufige Umsteigen zwar sparen, aber zumindest sollten wir dadurch nur 3 Minuten später am Flughafen ankommen als ursprünglich geplant. Also – das machen wir so. Der Rest der Anreise klappt wie geplant, wir kommen wirklich relativ pünktlich an und haben genügend Zeit.
Wer träumt nicht davon, einmal Business zu fliegen? Mal abgesehen von den Menschen, die unter panischer Flugangst leiden, vermutlich fast jeder. Wir natürlich auch. Von unserer Fluglinie habe ich etwa 3 Wochen vor Abflug ein E-Mail bekommen, ob ich denn nicht vielleicht Business fliegen möchte. Ja klar möchte ich das! Okay aber statt den unverschämt hohen Wucherpreisen, die jenseits der 4stelligen EURO-Grenze liegen, hat diese Fluglinie ein anderes Konzept: man kann sich die Businessplätze «ersteigern». Man wählt über die Webseite einen Betrag, den man bereit wäre zu zahlen. Das unterste Limit ist 105,- EUR pro Person. Und nachdem wir die Flüge von Zürich nach Johannesburg zu einem wirklich günstigen Preis erworben haben, kann ich nicht widerstehen: ich biete mit! Ich gehe mal in das unterste Limit (was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Chance gleich NULL ist). Aber egal, versuchen kann man es ja. Eine Woche nach meinem Erstgebot bekomme ich die Nachricht, dass ich überboten wurde. Na, wer hätte das geahnt?! Okay, die Verlockung ist einfach zu gross, aber wir müssen auch auf dem Teppich bleiben. Ich erhöhe mein Gebot um lächerliche 5 EUR auf 110,- EUR. Die Webseite vermeldet sogleich, dass ich nicht der Bestbietende bin. Keine grosse Überraschung. Aber egal, höher gehe ich nicht. Dann fliegen wir halt wieder einmal Holzklasse und wir verabschieden uns vom Gedanken des Luxusreisens.
Als wir beim Flughafen in Zürich ankommen wähle ich mich erstmal in das lokale WIFI ein, da unsere Telefone nur in der Euro-Zone roamingfähig sind. Zwei E-Mails kommen rein. Eines davon ist von unserer Fluglinie. Vermutlich vermeldet die Airline, dass ich meinen Online Check-in machen soll. Das wollte ich am Vortag eigentlich schon, aber es hat aus technischen Gründen nicht geklappt. Jetzt ist es auch zu spät – jetzt müssen sie uns eben beim Schalter einchecken. Ich habe übrigens nie verstanden, was der Online Check-in für den Fluggast bringt. Zumindest nicht, wenn man Aufgabegepäck hat. Man muss trotzdem zum Schalter und durchläuft das ganze Prozedere – wozu also die Mühe? Im schlimmsten Fall passiert beim Self Online Check-in ein Tippfehler, für den man am Schalter dann sogar noch zur Kasse gebeten wird. Aber gut, es gibt Dinge, die ich nicht verstehe.
Wir stehen beim Schalter, und da wir ohnehin Wartezeit haben, öffne ich das Mail von der Airline. Ich lese erstmal, was da steht: «You've been upgraded!». Ohhh, diese Zeilen lesen sich wie Schokolade (kann man das so sagen??). «Your offer has been accepted». Echt jetzt? Mit 110,- EUR sind wir in der Business-Class? Okay, ich behalte das erstmal für mich und sage Magdalena nichts davon (zugegeben, sie träumt noch mehr von der Business-Class als ich). Ich glaubs eh noch nicht, da gibt’s sicher einen Haken. Als wir vorne beim Schalter stehen, kennen sich die Angestellten erstmal nicht so ganz aus. Dann zeige ich dem Kollegen Stolz wie Otto die Nachricht. «Oh», sagt er – «…ja sie fliegen Business». Magdalena fällt fast aus den Socken, schaut mich entgeistert an und kanns grad nicht glauben. Ich eigentlich auch nicht, aber das lass ich mir nicht anmerken. «Ach ja…» meint der Schalterangestellte «… sie haben übrigens auch Zugang zur Swiss Lounge». Okay – jetzt schlägts 13! Was für ein g@!l3r Sch@!33 ist das denn??? Ungefähr 10 cm grösser und erhobenen Hauptes verlassen wir den Check-in-Schalter. Macht Platz, tretet zur Seite und verneigt euch, ihr pöbliges Gesindel – wir fliegen Business!
Natürlich haben wir uns vor der Abreise mit Broten und Snacks eingedeckt, damit wir am Flughafen etwas essen können. Aber hey, wer braucht das jetzt noch? Wir speisen in der Swiss Lounge. Die muss aber erstmal gefunden werden – und das ist gar nicht so einfach. Wir irren am Flughafen umher wie die Hühner. Natürlich wollen wir die verbleibende Zeit so gut es geht nutzen. Nach 2 x Fragen finden wir die Lounge, die glücklicherweise gar nicht weit von unserem Gate entfernt ist. Das erste Mal betreten wir die heiligen Hallen der Luxusreisenden.
Die letzte Hürde: an der Rezeption der Lounge vorbeikommen. Und tatsächlich bestätigen die netten Herren und gewähren uns Zutritt. Wie die Könige checken wir erstmal das Schlemmerangebot der Lounge. Hier gibt’s alles – und zwar gratis! Softdrinks, Wein, Bier, Sekt und Champagner, allerlei Kaffee- und Teevarianten, leckere Salate, Brot, Hauptspeisen, Nachtische, Obst und Gemüse – und das alles bei bestem Blick auf die Startbahn des Züricher Flughafens. Okay, das hat Stil. Wir probieren uns durch das Sortiment – oder zumindest durch so viel wie in der kurzen Zeit möglich ist. Meine Wahl fällt auf Hirschragout mit Rotkraut und Serviettenknödel, ein schickes Salätchen dazu und ein Softdrink. Nachtisch darf natürlich nicht fehlen. Endlich Superstars! Magdalena würde mich am liebsten permanent niederknutschen und ich freue mich unendlich, dass ich ihr so eine Freude machen konnte.
Im Flieger dürfen wir dann zum allerersten Mal nach dem Eingang LINKS statt rechts abbiegen. Oh ja, so haben wir uns das vorgestellt. Der Sitz ist so gross wie ein Sofa in einem britischen Herrenhaus, man kann das Ding in jede erdenkliche Richtung verschieben, absenken und aufrichten (elektrisch versteht sich) und ich bin wirklich beeindruckt, wie viel Platz man den Leuten hier in der Klasse gönnt. Bequemer lässt es sich wirklich nicht mehr reisen, und noch vor dem Start schlürfen wir unseren Champagner und stossen auf die nächste Etappe unserer Reise an.
Ziemlich entspannt kommen wir in Johannesburg an. Eine Nacht verbringen wir hier. Unser Hotel liegt recht nah am Flughafen, was natürlich von uns so geplant war. Wir dürfen mit dem kostenlosen Hotelshuttle in die Unterkunft, die recht zweckmässig eingerichtet ist, aber für unsere Belange vollkommen ausreichend ist. Ja, wir müssen uns jetzt wieder ein wenig vom Luxus verabschieden und auf den Boden der (Budget)Realität kommen.
Dort läuft soweit alles glatt und wie vorhergesehen. Nur ein kurzer Stromausfall um etwa 18 Uhr überrascht uns, aber das stört uns nicht wirklich. Wir sind ja in Afrika. Am nächsten Vormittag geht es wieder los. Und so, wie wir angekommen sind, geht es auch weiter: mit dem Flughafenshuttle des Hotels, das uns wieder zum Airport in Johannesburg bringt. Um 11:10 Uhr ist der Weiterflug geplant. Denkste. Der Check-in läuft noch reibungslos. Als wir die Sicherheitskontrolle passieren sehen wir bei der ersten Anzeigetafel schon, dass der Flug Verspätung hat – 13:30 Uhr soll der Abflug sein, fast 2 ½ Stunden später. Na toll, das fängt ja gut an.
Der Domestic-Bereich des Johannesburger Flughafens hat optisch nicht wahnsinnig viel zu bieten, aber wir finden eine Internet-Ecke, wo wir unseren Laptop anschliessen können und uns ein paar YouTube-Videos ansehen, um die Zeit zu vertreiben. Magdalena geht zwischendurch mal ans Gate um zu prüfen, ob uns die Anzeigetafel belügt. Aber es sieht tatsächlich so aus. Als um 13 Uhr immer noch «13:30» als Abflugzeit angezeigt wird, aber noch nicht mal mit dem Boarding begonnen worden ist, gehen wir beide zum Gate und fragen den einzigen Bediensteten, der da weit und breit steht. Und der hat absolut keine Ahnung von gar nichts. Er weiss nur, dass die Maschine, mit der wir nach Hoedspruit fliegen sollten, noch nicht mal gelandet ist. Okay, 13:30 Uhr können wir also mit Sicherheit vergessen. Wir sitzen im Wartebereich und versuchen, die Zeit totzuschlagen.
Dann tut sich plötzlich was und umzingelt von einer riesigen Gruppe Inder versucht der ahnungslose Flughafenangestellte zu erklären, was Sache ist. Viel verstehe ich von dem Gebrabbel leider nicht, aber scheinbar soll es um 18:10 Uhr erst weitergehen. Wie bitte?? Okay, hier ticken die Uhren echt anders. Alle schütteln ungläubig den Kopf. Eine Reihe hinter uns sitzt ein junger Mann, der so aussieht als wäre er kurz vorm Durchdrehen. Schlussendlich macht er das, was wir uns auch dachten: er steht auf und geht, vermutlich in ein Restaurant im oberen Stock. Wir überlegen uns das Gleiche, aber zur Sicherheit bleibe ich noch im Gate-Bereich, während Magdalena sagt, sie organisiert mal was zu trinken und geht noch aufs WC. Keine 10 Minuten später wieder Getümmel vor dem Schalter. Wieder alles anders: die Maschine ist jetzt doch da und wir fangen jetzt mit dem Boarding an. Hää? Am ganzen Flughafen gibt es keine Durchsagen, aber gut, Boarding dauert eh immer ewig. Ich kann locker warten, bis Magdalena wieder da ist.
Natürlich ist klar, dass das Boarding dieses Mal nach gut 3 Minuten abgeschlossen ist. Ich bin vorläufig der Letzte, stehe allein mit der Flugbegleiterin vor dem Schalter und muss jetzt reagieren. Zum Glück gibt es am Flughafen (ziemlich mieses) WIFI, aber ich schaffe es trotzdem, Magdalena anzurufen. Und Gott sei Dank nimmt sie ab. Ich sage ihr, dass wir am Boarden sind. Gut, alles klar, sie kommt so schnell wie möglich. Wir sind dann tatsächlich die Letzten, die in den Bus einsteigen und über das Rollfeld zur Maschine fahren. Alle anderen, die zuvor ungläubig davongelaufen sind und jetzt vermutlich irgendwo in einem Restaurant sitzen, haben keine Ahnung was grad abgeht. Schlussendlich fehlen 4 Passagiere – der junge Mann, der in der Wartehalle hinter uns gesessen hat, ist einer davon. Und natürlich müssen nun die Gepäckstücke der Passagiere, die fehlen, aus der Maschine ausgeladen werden.
Wir sind unendlich froh, dass ich am Gate geblieben bin – den Flieger hätten wir mit Sicherheit verpasst. So wie die anderen 4, die garantiert keinen guten Tag hatten. Wir kriegen mal schon einen kleinen Einblick in den südafrikanischen Alltag, wo es alles andere als geregelt abgeht. Wir waren von Spanien und noch mehr von Mexico schon einiges gewöhnt. Gut – Mexico war zumindest ebenbürtig, was die Unorganisiertheit betrifft.
Wir landen gut 50 Minuten später in Hoedspruit. Das Dorf befindet sich gefühlt im allerletzten Winkel von Südafrika. Wir sind im Nord-Osten des Landes, nicht unweit vom Kruger Nationalpark. Am Flughafen werden wir von John schon freudig erwartet und begrüsst. Wunderbar. Unser Abenteuer kann also starten.