Was du mit guter Laune tust, fällt dir nicht schwer.
Ungarisches Sprichwort
Der Abschied von Anna und ihrer Familie ist uns nicht leichtgefallen, aber wie heisst es so schön: Man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Wir haben nun eine vierstündige Fahrt Richtung Miskolc in Ungarn vor uns. Schon bei der Routenübersicht von unserem Fahrzeugnavi sind wir absolut nicht sicher, ob es wirklich der beste Weg ist. Google Maps schlägt eine völlig andere Route vor. Doch irgendwas wird mit der vorgegebenen Strecke von Maps wohl nicht passen, sonst würde unser Navi nicht einen ganz anderen Weg vorschlagen. Heute glaube ich zu wissen, was unser Navi für ein Problem mit dem anderen Weg hatte. Vermutlich waren es die schönen und gut ausgebauten Strassen. Es hat uns nämlich so ziemlich in die Pampas und auf der am schlechtesten ausgebauten Strasse rumgeführt. Das kann ja noch toll werden hier in Ungarn. Ein schweizer Käse hat definitiv weniger Löcher als Ungarns Strassen.
Wir dachten uns, da Ungarn ja sehr bekannt für seine Thermen ist, wollen wir die Erkundung des Landes gleich standesgemäss mit einem Besuch in einem Thermalbad starten. Das kommt uns nun zugute, so können unsere durchgeschüttelten Knochen sich etwas erholen. Wir haben uns für das Miskolctapolca-Höhlenbad entschieden. Auf den Fotos sah es vielversprechend aus. Uns erwartet die nächsten 3 Stunden 30–36 Grad warmes Heilwasser, in einer mehrere tausend Jahre alten Höhle. Das Schwimmbad wurde einfach drumherum gebaut. Wie cool ist das den bitte?
Am nächsten Morgen brechen wir früh auf. Wir wollen spätestens am Mittag in Budapest sein und noch ein wenig von der Stadt erkunden. Wir befestigen alles doppelt so gut, denn eines ist uns jetzt schon klar. Die Strassen werden nicht besser werden.
Kurz vor Mittag kommen wir am Campingplatz an. Da sich die Parkplatzsuche dieses Mal etwas schwierig gestaltet hat, haben wir uns für einen zentrumsnahen Campingplatz entschieden. Ein Plätzchen ist gleich gefunden und wir schwingen uns auf die Fahrräder, um das jüdische Viertel im Stadtteil Pest zu erkunden. Unser erstes Ziel ist die grosse Synagoge. Sie wurde 1854–59 nach Plänen des Wiener Architekten Ludwig Förster im maurischen Stil für die Pester jüdische Gemeinde errichtet. Mit 2.964 Sitzplätzen ist sie Europas grösste Synagoge. Wir bestaunen das Bauwerk von aussen und glauben, gewisse Ähnlichkeiten zur Alhambra in Spanien festzustellen.
Wir bleiben auf der Pester Seite und fahren zu den nicht weit entfernten Ruinenbars. Schon als wir das halb verfallene Haus betreten, wird mir klar, dass sowas in Österreich/Schweiz nie genehmigt werden würde. Ich finde das Konzept mega toll und man fühlt sich gleich wohl in der Szimpla Kert Bar. Keine Bank, kein Tisch oder Stuhl gleicht dem anderen, jeder Raum besticht mit verschiedensten kunterbunten Dekos. Genauso gemischt ist auch das Publikum, dass sich bei uns tagsüber hier aufgehalten hat. Von der Junggesellenrunde über Studenten und Opa, der Omi mal ausführen will, war alles dabei. Ich glaube so instabil wie mancherorts das Gebäude auch aussieht, so hält es bei weitem mehr aus als man meinen würde. Die Preise sind natürlich der hippen Umgebung angepasst. Das ein oder andere Getränk ist auch für den nicht allzu dicken Geldbeutel zu finden. Für mich sind die Ruinenbars ein absolutes Must-See bei einem Besuch in Budapest. Wer in der Speisekarte der Ruinenbars nichts findet, wird sicherlich nebenan bei Streetfood Karavan fündig. Hier bekommt man von gut bürgerlich bis Hamburger und Co. alles angeboten.
Für uns wird es Zeit, Budapest zu verlassen. Die Stadt war wiedermal ein Highlight, aber so Städtetrips sind immer anstrengend. Vor allem, wenn man die halbe Nacht nicht schlafen kann, weil ein Flugzeug nach dem anderen über das Wohnmobil fliegt. Unser Campingplatz lag nämlich genau in der Einflugschneise des ziemlich gut besuchten Budapester Flughafens.
Wir fahren einmal quer an vielen tollen Sehenswürdigkeiten vorbei. Leider sind die Wetterprognosen für die nächsten 7 Tage nicht wirklich gut. Morgen soll es noch trocken, warm und schön sein, danach kommt der Schlechtwettereinbruch. Wir müssen uns also entscheiden. Da wir den Plattensee (Balaton) noch gerne bei schönem Wetter geniessen wollen und nicht mehrere Wochen in Ungarn bleiben können, entscheiden wir uns, alle anderen ausgesuchten Punkte nicht anzufahren und rauschen nun auf dem direkten Weg Richtung Keszhely, das direkt am Balaton liegt. Die Strassen sind wie erwartet wieder die reinste Katastrophe. Wenn das so weiter geht, brauchen wir bald mal neue Stossdämpfer. Wir verbringen 2 schöne Tage am Balaton, machen die Gegend wieder mit dem Fahrrad unsicher, schauen das Dörfchen mit seinem prächtigen Festetics-Palast an und finden nach mehreren Anläufen endlich einen Barber, der Rene einen Termin noch am selben Tag und nicht erst in einem Monat gibt. Nach dem zweiten Tag ist dann aber fertig mit Sommer, Sonne und Sonnenschein. Da braut sich ordentlich was zusammen am Himmel. Die Prognosen verschlechtern sich von Tag zu Tag und so wie es aussieht lässt sich die Sonne nicht mehr so schnell blicken. Für uns ist das leider das Zeichen, dieses Land zu verlassen und weiterzuziehen. Wir wollen die schlechten Tage aussitzen und dann mit neuem Elan ein weiteres Land erkunden.
Wir können nicht viel über Ungarn sagen, da wir nicht lange genug in diesem Land waren und nur einen sehr kleinen Teil gesehen haben. Aber das, was wir aber gesehen haben, hat uns sehr gut gefallen. Es gibt unzählige Thermalbäder, in denen man sich für kleines Geld so richtig verwöhnen lassen kann. Einkaufen und Tanken ist jedoch nicht mehr so billig. Die Preise sind inzwischen schon sehr ähnlich zu Deutschland und Österreich. Restaurantbesuche sind noch etwas billiger als in den Nachbarländern. Wir haben sowohl auf Parkplätzen als auch Campingplätzen übernachtet. Campingplätze gibt es in Ungarn sehr viele, gerade an den Touristenhotspots findet sicher jeder was für sich. In der Nachsaison muss man für einen Platz mindestens ca. € 20 rechnen, nach oben gibt es natürlich keine Grenzen. Die Strassen (Landstrassen) sind eine kleine Tortur für jedes Auto oder Wohnmobil. Lauter Schlaglöcher und schlecht geflickte Strassen werden euch erwarten. Vermutlich sieht es anders aus, wenn man Geld in eine Vignette investiert und auf der Autobahn fährt.
Die Leute, die wir kennengelernt haben, waren sehr offen und freundlich. Mit Englisch kommt man sehr gut durch und an vielen Orten wurde sogar Deutsch gesprochen. Ungarn wäre es auf jeden Fall wert gewesen, mehr und intensiver erkundet zu werden. Leider holt uns so langsam der Herbst ein und wie ihr ja alle wisst, sind wir Sonnenkinder und fahren der Sonne gerne entgegen. Wir können uns sehr gut vorstellen, dass es nicht unser letzter Besuch hier in Ungarn war. Das nächste Mal packen wir etwas mehr Zeit in unseren Reisekoffer mit ein.