Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whisky voraus sein
Humphrey Bogart
Wir müssen endlich unsere Wäsche machen. Wir bekommen plötzlich keinen Diesel mehr, und unsere Toilette stinkt zum Himmel. Bei Glenmorangie finden wir heraus, was deren Whisky mit Giraffen zu tun hat. Tain beeindruckt uns nicht wirklich. Dornoch war vor einigen Jahren der Schauplatz eines wahren Staraufgebots: Madonna und Co waren zu Gast in der kleinen Stadt.
In Portsoy hätten wir tatsächlich ewig stehen bleiben können. Das kleine Fleckchen direkt am Meer lässt uns richtig zur Ruhe kommen. Klar, die Temperaturen sind nicht gerade einladend. Ohne dicke Jacke und Kappe kann man sich bei dem kalten Wind nicht besonders lange draussen aufhalten. Aber es geht trotzdem, denn manchmal kommt die Sonne für ein paar Minuten raus und wärmt ein wenig. Doch wir müssen weiter. Eine unbeliebte Pflichtaufgabe steht immer noch an: Wäsche waschen. Wer nicht ständig im Camper lebt, für den ist es das Normalste der Welt. Doch für uns bedeutet das meistens einen zeitraubenden Aufwand. Wir müssen einen Waschsalon finden, und nach der letzten Pleite hoffen wir, dass dieses Mal keine Hundepension ihre Wäsche dort macht. Bei einer Gulf-Tankstelle werden wir fündig. Es regnet sich gerade mal wieder schön ein, als wir die 18-kg-Trommel mit unserer Wäsche befüllen. Die Wartezeit verkürzen wir mit Frühstück und hängen den schönen Tagen in Portsoy nach. 45 Minuten später geht alles in den Trockner, den wir dank seiner schwachen Leistung gleich 3-mal laufen lassen müssen. Dafür spendieren wir lächerliche 9 Pfund (ca. 10,80 EUR) nur für den Trockner, nachdem uns die Waschmaschine 10 Pfund gekostet hat. Na sauber.
Egal, es ist zumindest alles halbwegs trocken und es geht weiter. Da wir immer etwas auf die Benzin – bzw. Dieselpreise achten, tanken wir meistens dort, wo es etwas günstiger ist. Das dachten wohl nicht nur wir, denn bei einer Morrison-Tanke mit wirklich guten Preisen bleiben wir stehen, bekommen aber keinen Diesel mehr. Ausverkauft. Die Situation mit Russland und Ukraine macht alles noch sinnlos komplizierter, und scheinbar gibt es nun auch Engpässe beim Treibstoff. Wir wurden schon in Canterbury, als wir in England angekommen sind, davor gewarnt, dass es vor allem im Norden mit der Versorgung knapper werden kann. Dennoch war es das erste Mal, dass wir keinen Treibstoff bekommen haben. Aber gut, unser Tank ist noch fast zur Hälfte voll und es gibt noch keinen Grund zur Sorge.
Sorgen macht uns hingegen unsere Toilette. Aber nur, weil sie langsam voll wird. Tja, das Camperdasein hat auch Nachteile. Eine frisch entleerte Board-Toilette hält für 2 Personen etwa 3 Tage, danach ist die Kacke am Dampfen. Die meisten Campingplätze bieten eine Entsorgungsstation an, doch wenn man, wie wir, häufiger in der Botanik steht, muss man sich etwas Entsprechendes suchen. Fündig werden wir in Hilton, ein kleines Dörfchen mitten in der Pampas oberhalb von Inverness. Gegen eine kleine Geldspende werden wir unsere Sch…fracht los. Und gleich noch einen Service bietet die Station an: 10 Minuten Duschen für 1 Pfund – das ist doch mal ein faires Angebot! Bei dem Preis rechnet sich das Aufheizen unseres Wassers im Wohnmobil wirklich nicht. Also – ab unter die Dusche!
Heute steht nämlich eines meiner Highlights bevor: die Besichtigung einer Whisky-Destillerie. Schottland hat weit über 100 Destillerien im ganzen Land verteilt. Als Whisky-Fan muss ich daher natürlich zwangsläufig in eine der heiligen Hallen des braunen schottischen Goldes. Doch das ist gar nicht so einfach. Ursprünglich hatten wir geplant, Talisker auf der Isle of Skye zu besuchen. Talisker ist einer der Sorten, die ich recht gerne habe. Meine «Lieblinge» kommen eher aus der kleinen Insel Islay, etwas südlich-westlich von Glasgow. Doch für die Insel bräuchten wir wieder eine Fähre, und da unsere Zeit nicht unbegrenzt ist, wäre sich das nicht ausgegangen. Also – Talisker ist in diesem Fall die Alternative. Doch seit dem ganzen COVID-Wahnsinn haben sehr viele Destillerien die Besuchertouren entweder ganz eingestellt oder auf wenige Spezialführungen eingeschränkt. Talisker bietet derzeit nur noch teure Führungen inklusive Verkostung an. Die Touren kosten dann gleich mal 60 – 150 Pfund. Dafür kann man dann einige der speziellsten Tropfen verkosten. Gut, zugegeben: reizen würde es mich natürlich schon. Aber bringen tut es nichts – denn hier in Schottland gilt – anders als in England - die 0,5-Promille-Grenze. Und wer sich bei so einer Verkostung sechs, sieben Whiskys hinter die Binde kippt, ist dann garantiert überm Limit. Lange Rede, kurzer Sinn: Talisker kann es nicht werden, auf Islay kommen wir nicht hin. Einige andere meiner Favoriten wie Aberlour oder Glenlivet in der Speyside-Region haben keine oder wieder nur teure Touren, aber bei Glenmorangie werde ich fündig. Das ist zwar ein recht blumiger, fruchtiger und milder Whisky – ganz im Gegensatz zu den Islay’s, aber von den milden Whiskys ist Glenmorangie mein Favorit. Die Tour ist eine ganz normale Besichtigung für 18 Pfund pro Person, und anschliessend darf man zwei ausgewählte Sorten verkosten. Perfekt also, deswegen führt unser Weg nach Tain, der Heimat von Glenmorangie.
Der Himmel hat wieder mal alle seine Schleusen geöffnet, und es schüttet seit den frühen Morgenstunden. Doch das spielt keine Rolle. Wir haben uns für die allerletzte Tour des Tages um 16 Uhr angemeldet. Als wir beim Besucherzentrum ankommen warten schon einige andere auf den Beginn der Tour. Die erste Enttäuschung: gleich zu Beginn wird uns mitgeteilt, dass Fotografieren und Filmen leider verboten sind. Aus «Sicherheitsgründen», denn der Blitz einer Kamera könnte so heiss werden, dass sich die Dämpfe entzünden, folglich alles explodiert, wir in den Weltraum geschleudert werden, die Erde aus ihrer Umlaufbahn gerissen und daraufhin mit ihrer Wucht nicht nur unser Sonnensystem, sondern gleich die ganze Galaxie zerstört. Und das wäre halt ungut.
Vielleicht liest man die Ironie aus meinen letzten Zeilen etwas heraus, aber okay – man hätte sich wirklich einen schlaueren Grund einfallen lassen können, um das Fotografieren zu verbieten. Vielleicht einfach aus Urheberrechtsgründen. Gut, ich muss ja wie immer nicht alles verstehen. Ich lasse mich nur ungern für dumm verkaufen.
Zurück zur Tour. Ich kann es relativ schnell zusammenfassen, denn wie Whisky hergestellt wird findet man auf zahlreichen Seiten im Web. Glenmorangie hat aber eine Besonderheit: sie haben die höchsten «Stills» in ganz Schottland. Als «Stills» werden die kupfernen Brennkessel bezeichnet, in denen aus der Malz-Maische der Alkohol gewonnen wird. Die haben hier eine Höhe von 16 feet und 10 inches – umgerechnet etwa 5,10 m – was der Höhe einer ausgewachsenen Giraffe entspricht. Diesen Vergleich habe ich aber nicht selbst erfunden, das ist eines der Markenzeichen von Glenmorangie. Wer also auf dem Destilleriegelände oder im Merchandise-Shop immer wieder auf eine abgebildete Giraffe trifft, sollte sich nicht wundern.
Die Tour dauert rund eine Stunde und man bekommt alles zu sehen, was noch zu sehen ist. Denn viele der Produktionsschritte wurden aus Kostengründen längst ausgelagert. So wird beispielsweise die fertig gemälzte und getrocknete Gerste von extern angeliefert. Das sogenannte Mälzen geschieht normalerweise auf «Malting Floors». Dort wird das Getreide befeuchtet, wodurch es keimt. Enzyme in der Gerste wandeln die enthaltene Stärke in Malzzucker um. Durch Hitze wird die Gerste dann getrocknet und der weitere Keimungs-Prozess gestoppt. Dafür wird meistens heisse Luft verwendet, auf den schottischen Inseln häufig Torffeuer, was dem Getreide und natürlich schlussendlich dem Endprodukt die typische, rauchige Note verleiht.
Am nächsten Morgen statten wir der Stadt Tain einen Besuch ab – der Ort, in dem die Glenmorangie-Destillierie angesiedelt ist. Tja, Tain ist zwar ganz nett, aber so recht was anzufangen wussten wir eigentlich nicht. Wir dachten hier ist alles voll von Glenmorangie-Fan-Artikeln, aber als wir an einem Krims-Krams-Geschäft vorbeilaufen sehen wir in der Auslage 4 Whisky-Kartons als Deko – und keine davon ist von Glenmorangie. Naja, vielleicht kein Whisky-Liebhaber. Ansonsten finden wir in dem kleinen Dörfchen nichts nennenswertes, und so lassen wir Tain daher also bald hinter uns und fahren nach Dornoch. Diesen Tipp haben wir von einem schottischen Paar bekommen, die wir vor einigen Tagen in Portsoy kennengelernt haben. Die Fahrt dahin dauert nur gute 20 Minuten, und als wir ein paar hundert Metern vor unserem Endziel – dem Parkplatz am Strand – stehen, möchte unser Navi uns gerne über einen Golfplatz schicken. Ich überlege mir noch kurz, ob ich das wirklich machen soll, aber schlussendlich bin ich dann doch zu feige dafür. Wir nehmen einen kleinen Umweg und kommen dann dort an, wo wir hinwollten. Wir stehen am Strand, der durchaus schön ist – aber nach Portsoy und Lunan Bay liegt unsere Erwartungs-Latte doch ziemlich hoch. Wir machen einen Spaziergang und beschliessen, ins Ortszentrum zu laufen. Das kleine, verschlafene Dörfchen ist, wie Tain, sehr nett anzusehen, aber so richtig Spezielles finden wir nicht. Mit einer Ausnahme: die hiesige Kathedrale. Die wirkt zwar auch nicht schöner und edler als viele der anderen hiesigen romanischen, gotischen oder barocken Bauwerke, aber im Jahr 2000 war sie Mittelpunkt eines Blitzlichtgewitters. Denn keine geringere als Popstar Madonna liess hier ihren Sohn Rocco taufen. Zusammen mit Guy Richie und jeder Menge anderer Promis – darunter Gwyneth Paltrow, Stella McCartney, Sting sowie die damals noch frisch verheirateten Brad Pitt und Jennifer Aniston wurde der Gottesdienst in der kleinen Kathedrale in den schottischen Highlands abgehalten.
Heute ist natürlich nichts mehr davon zu sehen, und zu unserer Verwunderung deutet in dem kleinen Ort auch nichts darauf hin. Wir haben jedenfalls keinen Hinweis auf das damalige Staraufgebot gefunden. Wenn wir es also nicht gewusst hätten, hätten wir es vermutlich auch nie erfahren. Die Kathedrale selbst ist leider verschlossen, und so können wir sie nur von aussen betrachten – und fotografieren.