
Die Erde bebt
17. April 2022
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8. Mai 2022Burgen, Klöster, Kriegsverbrechen – im Eiltempo durch Frankreich

Das Leben ist kurz. Verzeiht schnell, küsst langsam, liebt echt und lacht, so oft es geht.
03. Mai 2022 - Reisetagebuch Eintrag #82
- BURGEN, SCHLÖSSER, KRIEGSVERBRECHEN | geschrieben von Magdalena
Auf geht’s zum Ebrodelta, Spaniens grösstes Reisanbaugebiet. In Girona wandeln wir auf den Spuren von Game of Thrones und machen eine Erfahrung, die wir nie erleben wollten. Eine Zeitreise ins Mittelalter machen wir in Carcassonne. Das Massaker von Oradour wäre ein Teil, den wir gerne aus den Geschichtsbüchern streichen würden. Rene stattet Luis de Funes einen letzten Besuch ab und wir erreichen ein langersehntes Ziel: Le Mont-Saint-Michel.
Ebrodelta
Aus den geplanten 2 Wochen bei Ruth und Jakob sind dann doch drei geworden. Das Wetter war so schlecht, dass wir abwarten wollten, bis es ein paar Tage etwas besseres Wetter verspricht. Ich kann euch eines sagen: es hat sich gelohnt zu warten. Wir verlassen Alcossebre am 14.04.2022 und fahren Richtung Ebrodelta. Gut ist das gleich um die Ecke und so können wir uns langsam wieder an das Fahren mit dem Wohnmobil gewöhnen. Ein schöner Stellplatz haben wir auch gleich gefunden und steuern ihn zielstrebig an. Blöd schauen wir aus der Wäsche als uns der nette Betreiber erzählt das alles reserviert ist und er leider keinen Platz für uns hat. Ok, es sind Osterferien, aber dass wir keinen Platz bekommen ist uns in den 2 ½ Jahren unserer Reise noch nie passiert. Wir finden aber schnell eine Alternative, die sogar kostenlos ist und alles dabei hat was wir benötigen. Wir steuern also den Platz an und wie so oft, wenn genug Platz vorhanden ist, geht die Diskussion zwischen Rene und mir los was den jetzt wohl der beste Platz ist. Oft sind wir uns nicht gleich einig und das ein oder andere Mal musste Rene auch schon mehrmals umparken, bis der Platz meinen Ansprüchen genügte. Diesmal haben wir uns an drei verschiede Orte hingestellt bis es mir dann gepasst hat. Aber mal ganz ehrlich: wer will dreckige Schuhe bekommen, weil eine Wasserlacke direkt bei der Eingangstüre ist? Oder wer hat Lust zu kochen, wenn man komplett schief steht und das Öl zu einer Seite rinnt? Vom Duschen mit halber Überschwemmungsgefahr wegen zu viel Schräglage will ich erst gar nicht anfangen zu reden.Nachdem wir perfekt gerade stehen, packen wir unsere Fahrräder aus und machen uns auf dem Weg zum Ebro (Fluss). Ein Radweg geht direkt vom Stellplatz weg und so müssen wir nicht lange nach dem richtigen Weg suchen. Keine 10 Minuten später kommen wir am Ebro an und fahren entlang des Flusses. Überall findet man Picknickmöglichkeiten, tolle Rastplätze und viel schöne Natur. Wusstet ihr, dass im Ebrodelta jährlich etwa 90.000 Tonnen Reis angebaut werden? Damit gehört das Ebrodelta zum grössten Reisanbaugebiet Spaniens. Momentan sind alle Felder abgeerntet und so sehen wir nicht viel davon. Das gesamte Flussdelta ist ein artenreiches Brut- und Rastgebiet für viele Vogelarten, es dient aber auch als Überwinterungsgebiet von Zugvögeln aus Nordeuropa. Leider haben sich die Flamingos diesmal vor uns versteckt. Wir sehen aber trotzdem viele andere Vögel und sind begeistert von diesem schönen Erholungsgebiet.
Girona
Am nächsten Morgen brechen wir frühzeitig auf Richtung Girona. Wir wollten im Herbst 2020, als wir nach Spanien kamen, schon Girona besuchen. Nur war da die Wetterprognose so schlecht, sodass wir Girona schweren Herzens ausgelassen haben. Umso glücklicher sind wir nun, dass 3 Tage Sonne angekündigt sind. Wir finden 3 Kilometer ausserhalb der Stadt einen tollen Stellplatz und machen uns nach dem Frühstück auf, um die Stadt zu erkunden. Heutiges Ziel ist es, alle Drehorte von Game of Thrones zu finden. Das ist nämlich einer der Hauptgründe warum wir überhaupt nach Girona wollten. Umso besser, dass auch noch die ganze Stadt genau unserem Geschmack entspricht.Für alle die wir langweilen mit unseren Filmdrehorten bitte einfach überspringen und bei Frankreich weiterlesen. Alle anderen will ich nun einladen, mir in die freie Stadt Braavos auf dem Kontinent Essos zu folgen. Die Hauptgeschichte, die sich in der Serie in Braavos, der Stadt der Seefahrer und Schwertmeister abspielt, handelt von Arya Stark und ihrer gnadenlos harten Ausbildung bei den gesichtslosen Männern. Wir suchen die Gassen und Orte auf, wo sich Arya und die Heimatlose eine Verfolgungsjagt liefern. Bei der Església de Sant Martí rollt sie die Treppenstufen hinunter, um der Heimatlosen zu entkommen, die sie töten möchte. Und auf den Stufen der Carrer del Bisbe Josep Cartañà sitzt Arya als blindes Mädchen und wird dort zum Kampf herausgefordert. Rene nimmt ihren Platz heute ein und wird von dem ein oder anderen Tourist etwas schräg angeschaut. Der Platz, auf dem das Theaterstück über die Geschichten der Sieben Königslande aufgeführt wird, ist der Plaça dels Jurats. Neben den Szenen in Braavos diente Girona, genauer gesagt die Kathedrale Santa Maria, in Staffel 6 zudem als Drehort für die Septe von Baelor in Königsmund. Der hohe Spatz verschont Margaery Tyrell auf der davor liegenden Freitreppe. Wow, was für ein Tag. Wir beenden die Game of Thrones Tour mit einem leckeren Eis und fahren zufrieden mit den Rädern wieder zurück zum Wohnmobil.
Am nächsten Morgen wollen wir kurz beim Markt vorbeischauen, bevor es dann wieder in die Altstadt von Girona geht. Da wir alle Drehorte gefunden haben wollen wir heute entlang der Stadtmauer laufen und den Altstadtkern genau und ganz ohne Plan unter die Lupe nehmen. Da das Osterfest im vollen Gange ist, sind massig Touristen in der Stadt. Wir sind es gar nicht mehr gewöhnt so viele Leute um uns zu haben. Teilweise müssen wir uns richtig durch die schmalen Gassen durchquetschen. Girona ist eine wunderschöne Stadt, mit vielen Parks zum Ausruhen, super schön dekorierte kleine Geschäfte, unzählige Restaurants, Cafés und unserer Lieblingseisdiele (La Bombonera) direkt am Plaça de la Independència. Wir kommen einfach nicht an der Eisdiele vorbei ohne uns ein Eis zu gönnen. Danach wollen wir noch zu der Pont de les Peixateries Velles. Die Pont de les Peixateries Velles wurde 1876 von Gustav Eiffel erbaut. Eiffel – ja genau, der vom Eiffelturm! Sie verbindet die neuen Stadtteile Gironas mit der Altstadt. Glücklich und mit einer vollen Speicherkarte schlendern wir zurück zu unseren Fahrrädern.
Und dann ist es soweit. Nach 2 ½ Jahren auf der Reise ist das gekommen, von dem wir immer Angst hatten und es nie erleben wollten. Unsere Räder sind weg – geklaut – nicht mehr da wo wir sie noch vor ein paar Stunden beim Vorbeilaufen gesehen haben. Wir sind fassungslos und können es nicht glauben. Wir stehen an der Stelle wo wir unsere Räder abgesperrt haben, bis ein spanisches Pärchen auf uns zukommt und uns fragt was passiert ist. Wir erklären ihnen alles und sie sind so nett für uns bei der Polizei anzurufen. Mit gesenkten Köpfen und feuchten Augen machen wir uns auf zur Polizeistation. Anzeige müssen wir erstatten, auch wenn wir wissen das es vermutlich nichts bringt. Ich habe so eine Wut in mir, dass könnt Ihr euch nicht vorstellen. Ich versteh solche Menschen nicht die andere bestehlen. Was geht in diesen Köpfen vor. Wie herzlos, asozial und gerissen muss man sein. Ich darf gar nicht schreiben, was ich den Dieben alles böse gewünscht habe. Aber sollte die Polizei sie irgendwann fassen, von dem ich zwar nicht ausgehe, aber wer weiss. Dann wünsche ich ihnen die gerechte Strafe. Es ist schon dunkel als wir die Polizeiwache verlassen und vollkommen frustriert die 5 Kilometer zurück zum Stellplatz nun zu Fuss zurücklegen müssen.
Wir können auch am nächsten Morgen noch nicht glauben was passiert ist. Es ist so surreal und wir können einfach nicht wieder auf normal umschalten. Wir beschliessen, noch einen weiteren Tag auf dem Platz zu bleiben und erstmal das Geschehene sacken zu lassen. Wir fragen uns immer wieder ob es ein Zeichen ist. Macht die Reise noch Sinn, sollen wir weitermachen, eventuell sogar abbrechen? Wir waren so happy mit den Fahrrädern ein bisschen Freiheit gewonnen zu haben. Wir suhlen uns den ganzen Tag in Selbstmitleid und wissen nicht so recht was mit uns anzufangen. So haben wir uns den Ostersonntag nicht vorgestellt.
Frankreich / Carcassonne
Es nützt alles zusammen nichts. Die Fahrräder sind weg und es muss weiter gehen. Wir entschliessen uns, Montagfrüh weiter zu fahren. Nach einer so langen Zeit in Spanien ist es nun soweit. Wir verlassen Spanien und fahren Richtung Frankreich. Es ist echt ein komisches Gefühl ein Land zu verlassen, das wir so lange bereist haben. Und ehrlich gesagt wir haben uns ein bisschen in Spanien verliebt. Die Landschaft, Schlösser, Menschen, dass unkomplizierte Leben, einfach alles an diesem Land hat uns vom ersten Moment an in seinen Bann gezogen. Wir haben hier so viele tolle Leute kennengelernt. Haben so vieles erleben dürfen und so viele glückliche Tage erlebt. Der Abschluss war zwar nicht so wie gewünscht, aber wir können Spanien jedem Reisehungrigen nur ans Herzen legen. Ich hoffe, dass wir nicht das letzte Mal Spanien bereist haben und irgendwann wieder mal zurückkommen. Wir werden die Erinnerungen in unserem Herzen tragen und freuen uns, wenn wir irgendwann wiedermal in diesem wunderschönen, abwechslungsreichen Land reisen dürfen.Ohne Probleme oder Kontrolle passieren wir kurz vor Mittag die französische Grenze. Bis nach Carcassonne ist es nicht mehr allzu weit und wir fahren an wunderschöne Landschaften vorbei und sind gleich wieder von Frankreich verzaubert. Die süssen kleinen Dörfer haben es uns auch hier angetan. Schon als wir im Herbst 2020 Südfrankreich unsicher gemacht haben wussten wir, dass es uns hier gleich wieder gefallen wird. Ganz in der Nähe von Carcassonne finden wir einen schönen Stellplatz, der einen romantischen Spaziergang zu der Mittelalterstadt verspricht. Wer Carcassonne, eine der besterhaltenen mittelalterlichen Festungsstädte der Welt, besucht, atmet die Luft des Mittelalters redlich ein. Früher fanden hier Kreuzzüge statt. Von Rittern, Königen, Burgherren und Kriegern ist die Rede. Im 21. Jahrhundert finden Belagerungen in Form von Touristenhorden statt. So auch als wir die Tore der Stadt betreten. Die Gerber, Hufschmiede und Bäcker sind aus den kleinen Häuschen ausgezogen und machten Platz für Touristenshops und Restaurants. Wir wussten ehrlich gesagt nicht das Carcassonne eines der am häufigsten besuchten Reiseziele Frankreichs ist. Mehr als vier Millionen Besucher stürmen die Festung jedes Jahr.
Carcassonne besteht nicht nur aus der mittelalterlichen Burgfestung mit 52 Türmen. Es ist eine richtige Stadt mit zwei Burgmauern, die sich Ringartig um den Hügel winden. Eine Festung mit Trockengraben, Donjon und Lapidarium, verschieden großen Türme und Tore, kleine, im Troubadour Stil erbaute Häuser und die Basilika Saint-Nazaire befindet sich im inneren der Mauern. Das Weltkulturerbe diente oft als Drehort, zahlreiche Kinofilme entstanden hier. Schauspieler wie Louis de Funès (“Scharfe Sachen für Monsieur“), Kevin Costner (“Robin Hood König der Diebe“) oder Jean Reno (“Die Besucher“) gingen hier ein und aus. Carcassonne war unter anderem auch Vorlage für Cinderella’s Castle von Walt Disney. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass wir jede Gasse betreten, jeden Stein der nicht festgeklebt ist, umdrehen und die Luft des Mittelalters und der leckeren Crêpes einsaugen. Was für ein toller Beginn unseres kurzen Abstechers durch Frankreich.
Oradour-sur-Glane
Nach dem tollen Tag in Carcassonne ziehen wir früh morgens weiter. Wir wollen «leider» so schnell wie möglich nach England. Daher haben wir uns entschieden, nur ganz wenig von Frankreich auf unserem Weg nach Norden anzusehen. Was wir jedoch nicht auslassen wollten war das Dorf Oradour-sur-Glane. Hier wurde am 10. Juni 1944 ein durch die Waffen-SS verübtes Kriegsverbrechen an der Bevölkerung durchgeführt. Nahezu alle Einwohner wurden dabei ermordet, es gab nur wenige Überlebende. Das Dorf wurde völlig zerstört. Das Massaker von Oradour-sur-Glane war mit 642 Opfern das zahlenmäßig verheerendste Massaker Westeuropas.Beim Besucherzentrum erfahrt man sehr viel über die Geschichte des Dorfes, es ist sogar auch in Deutsch angeschrieben. Wenn man den Weg in das Dorf betritt, läuft es einem kalt über den Rücken runter. Die Zerstörungswut und das Elend, was dieses Dorf erleiden musste, ist allgegenwertig. Uns vergeht ganz schnell das reden und wir laufen stillschweigend durch die Strassen, vorbei an den zerstörten Häusern. Die dahinrostenden Autowracks werden langsam von der Natur verschlungen. Mir bleibt fast die Luft weg und mein Herzmuskel zieht sich zusammen, als wir die Kirche betreten, wo die Soldaten damals die Frauen und Kinder hingerichtet haben. Es ist kaum in Worte zu fassen was dieser Ort mit mir macht. Ein grauenhafter Ort und zugleich ein auf seine Art und Weise faszinierendes Mahnmal über die schrecklichen Gräueltaten des Krieges, die niemals vergessen werden sollten.
Wir brauchen natürlich wieder mal länger als alle anderen Besucher. Um 18:00 Uhr schliessen Sie das Besucherzentrum. Wir machen uns kurz nach sechs in schnellen Schritten auf zum Ausgang und hoffen, nicht mit allzu bösen Blicken erwartet zu werden. Glück gehabt, es steht keiner beim Tor der mit uns schimpfen kann. Nix wie raus und zurück zu Frida. Blöd nur, dass das Tor schon abgesperrt ist. Die werden uns doch nicht eingesperrt haben? Fakt ist: hier geht es nicht raus. Wir haben während unseres Rundganges aber noch ein anderes Tor gesehen. Da stand zwar, dass es kein Ausgang ist, aber irgendwo wird doch noch jemand sein der uns rauslässt? 10 Minuten später stehen wir vor dem nächsten verschlossenen Tor. Mir graut es schon davor, die Nacht in dem Dorf verbringen zu müssen. Wir laufen nochmal alles ab aber es scheint wirklich niemand mehr da zu sein. Tja nützt nichts, jetzt ist klettern angesagt. Da das Dorf von einer Mauer umgeben ist, suchen wir die bestgeeignete Stelle um raus zu kommen. Eine geeignete Stelle, wo es nicht all zu hoch und tief ist um den Ausbruchsversuch zu starten, finden wir schlussendlich. Es klappt beim ersten Anlauf. Wir haben es geschafft wir sind wieder frei. Wir werden zwar mit komischen Blicken von den vorbeifahrenden Autofahrern gemustert, aber Hauptsache wir können wieder zurück in unser Heim.
Le Cellier
Unser nächster Zwischenstopp ist der Friedhof von Le Cellier. Hier ist einer von Renes Lieblingsschauspielern, Luis des Funes, begraben. Der cholerische, nervöse Schreihals hat ihn mit seinen vielen Filmen schon als Kind zum Lachen gebracht, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Leider ist der Komiker bereits 1983 verstorben. Glücklicherweise liegt Le Cellier ungefähr auf unserer Route, und so können wir einen kurzen Besuch bei seiner letzten Ruhestätte machen.Le Mont-Saint-Michel
Weiter geht es zu unserem letzten Stopp den wir einfach nicht auslassen konnten. Viele von euch haben die «Insel» schon mal auf einer Postkarte oder sogar eine Dokumentation darüber gesehen. Es geht für uns Richtung Ärmelkanal, zum Mont-Saint-Michel. Wir können es noch kaum glauben, dass wir den Klosterberg, der an der Grenze der Normandie und der Bretagne gelegen ist, besuchen können. Vor einem Monat ist man hier nur mit Impfzertifikat und strikten Massnahmen rauf gekommen. Umso glücklicher sind wir, dass nun alles frei zugänglich ist und wir den Besuch in vollen Zügen geniessen können.Die geschichtlichen Fakten des Mont-Saint-Michel zusammengefasst: Die Ursprünge des Heiligtums gehen auf das Jahr 708 n.Chr. zurück. Vor der Errichtung des ersten Sakralbaus im 10. Jahrhundert trug die Insel den Namen Mont-Tombe (Grabesberg). Aubert, der Bischof von Avranches, errichtete auf dem Felsen ein Heiligtum, nachdem ihm der Erzengel Michael der Legende nach drei Mal erschienen war. Erst nach dem Bau eines Klosters erhielt der Berg, auf dem die Abtei sich entwickelte, dessen Namen. 965/966 gründete eine Gruppe von Benediktinermönchen das Kloster. In den folgenden Jahrhunderten finanzierten Herzöge und Könige die großartige Architektur des Klosters. Im Jahr 1017 begann Abt Hildebert II. mit dem Ausbau als zentrale Klosteranlage, die erst 1520 beendet wurde. In der Folge der Reformation und im Ergebnis der anderen Umwälzungen der Neuzeit ging es mit dem Mont Saint-Michel bergab. Im Zusammenhang mit der Französischen Revolution wurde die Abtei in ein Gefängnis umgewandelt, das ursprünglich für Regimegegner aus den Reihen des Klerus gedacht war. Der Berg erhielt den Namen Mont-Libre, was dem Verwendungszweck zweifellos Hohn sprach. Zwischen 15.000 und 18.000 Menschen saßen hier ein. Während der Mont über die Jahrhunderte zu einem herausragenden Ziel für Pilger in Europa geworden war, und als Kloster mit Skriptorium weit über die Normandie hinaus Wirkung entfaltet hatte, verlor er nun die spirituelle Bedeutung sowie seinen Einfluss als Pilgerort. Er erhielt den Ruf eines der abscheulichsten Gefängnisse Frankreichs, und wurde gemieden. Damit hatte der Mont seinen Tiefpunkt erreicht; viele Bauten zerfielen, die Bevölkerung verarmte, und der Fortbestand des Mont insgesamt war akut gefährdet.
Zu diesem Zeitpunkt, ab 1836, begann sich eine Bewegung um Victor Hugo für die Wiederherstellung des ihrer Meinung nach architektonischen Schatzes von nationalem Rang einzusetzen. Die Romantik hatte den Mont entdeckt. Sie verherrlichte ihn in Gedichten, Romanen und Gemälden und machte ihn auf diese Weise wieder bekannt. 1863 erfolgte die Schließung des Gefängnisses. Im Jahr 1874 wurde der Mont Saint-Michel zum nationalen Denkmal erklärt. Ursprünglich war die Insel nur bei Niedrigwasser von der Küste zu erreichen. Um 1877 wurde ein Damm gebaut, über den eine Straße die Insel gezeitenunabhängig mit der Küste verband. Um den stetigen Andrang von Touristen und Pilgern besser ordnen zu können und die historischen Bauteile zu schützen, erfolgten zu Beginn des 21. Jahrhunderts etliche Umbauarbeiten. Hauptsächlich dienten die Umbauarbeiten einem besseren Schutz der Natur. Frankreich entschloss sich, mit immensem Aufwand die Versandung der Bucht um den Mont vor der Küste der Normandie aufzuhalten. An etwa 70 Stunden im Jahr wird der Mont Saint-Michel dadurch wieder zu einer völlig isolierten Insel.
So, nun aber zurück in die Gegenwart und mit schnellen Schritten zur Insel. Wir starten von unserem Stellplatz aus auf den schönen Spaziergang zum 5,5 Kilometer entfernten Kloster. Schon von Weitem ist das Gebilde zu sehen und es fühlt sich zum Greifen nahe an. Der Weg zieht sich dann doch etwas und wir wären froh, wenn wir unsere Fahrräder noch hätten. Vor dem Klosterberg selbst sind wir mal wieder von den Touristenmassen überrascht. Einige haben sich für eine Wattwanderung in der Bucht entschieden. Die anderen kommen gerade mit dem Schuttlebus oder der Pferdekutsche an und die meisten wollen rauf Richtung Kloster und Stadtkern. So wie auch wir. Kaum zu glauben das wir in den engen Gassen rauf Richtung Kloster Schlange stehen müssen. Wir suchen uns ziemlich schnell ein nicht so überfülltes Plätzchen auf der umliegenden Mauer und lassen die Insel erstmal auf uns wirken. Wir blicken Richtung Meer raus und kommen wiedermal zu dem Entschluss, dass sich die kirchlichen Oberhäupter die schönsten und besten Ecken auf unserer Erde ausgesucht haben. Nach der kurzen Pause geht es weiter mit der Quetscherei. Das Kloster lassen wir diesmal aus. Da stehen uns dann doch zu viele Leute an. Wir wollen lieber etwas die Umgebung erkunden und laufen die schmalen Gassen Kreuz und Quer ab. Zum Schluss wollen wir noch ein wenig den Berg umrunden. Uns wird es aber schnell zu windig und nass, sodass wir uns entscheiden, wieder Richtung Stellplatz zu laufen und das Bauwerk, das von der Weite aussieht wie ein Märchengebilde aus einem epischen Fantasyroman, noch etwas auf uns wirken zu lassen.
Am nächsten Tag steht ein Grosseinkauf an. Wir wollen uns nochmal für England eindecken. Es soll ja dort dann wieder um einiges teurer werden. Und bei den Spritpreisen, die zurzeit herrschen, ist Sparen angesagt. Somit verläuft der vorletzte Tag in Frankreich rein nur mit organisatorischem Kram ab. Nach einer kurzen Nacht in Mesnières-en-Bray treten wir den Weg Richtung Calais an. Wir haben uns einen Schlafplatz im nur wenige Kilometer entfernten Sangatte rausgesucht. Direkt an der Küste gelegen verbringen wir den letzten Abend in Frankreich. Morgen früh soll es mit der Fähre Richtung England gehen. Ich liege die halbe Nacht wach und mache mir Sorgen über alles, was uns in England erwartet. Ich freue mich sehr auf dieses Land, aber wie wird alles werden? Mir graust es von den engen Strassen, dem Linksverkehr und ich habe gelesen, dass es problematisch ist, an Gas zu kommen. Freie Stellplätze soll es so gut wie keine geben und man muss Campingclubs beitreten, wenn man auf einen Campingplatz will. All diese Tatsachen und noch vieles mehr beschäftigen mich bis zum Morgengrauen. Ich bin jetzt schon gespannt was sich alles bewahrheiten wird und ob meine Ängste, wie schon so oft, wiedermal grundlos waren.
Calais, im Mai 2022
Liebe Grüsse und bis bald in einem neuen Land
Liebe Grüsse und bis bald in einem neuen Land
Magdalena
Reiseroute
14. - 15. April 2022Ebrodelta
ES15. - 18. April 2022Girona
ES18. - 19. April 2022Carcassonne
FR19. - 20. April 2022Oradour-sur-Glane
FR20. - 21. April 2022Le Cellier
FR21. - 22. April 2022Le Mont-Saint-Michel
FR22. - 23. April 2022Mesnières-en-Bray
FR23. - 24. April 2022Sangatte
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Erfahrungsberichte