León
Von León weiss ich genau nur so viel, dass es von SEAT ein gleichnamiges Modell gibt. Das rechtfertigt natürlich eindeutig, die Stadt zu besuchen. Die Strecke von rund 250 km sollten wir in gut 3 Stunden hinter uns gebracht haben. Nach etwa der Hälfte der Strecke, mitten auf der Autobahn, ohne Vorwarnung und vollkommen entspannt werden wir beide von einem dumpfen, lauten Knall aufgeschreckt. Der erste Gedanke ist ein Reifenplatzer. Aber unser Wohnmobil verhält sich ganz normal und bleibt in der Spur. Ich gehe sofort vom Gas und werde langsamer. Aber der Pannenstreifen ist gerade mal breit genug für ein Auto, da passen wir nicht rein. Ich hätte zu viel Angst, dass ein LKW uns dann reindonnern könnte oder zumindest die Seite abrasiert. Ich stelle immer noch nichts Aussergewöhnliches fest und fahre mit stark verminderter Geschwindigkeit und Warnblinkanlage weiter. Glücklicherweise finden wir ein paar Kilometer weiter eine Ausfahrt, die wir sofort nehmen. Hier können wir endlich abstellen, aussteigen und prüfen, was das war. Die Reifen sehen alle gut aus – nicht die kleinste Beschädigung. Da passt also alles. Mein zweiter Gedanke ist, dass uns das Sicherheitsventil einer unserer Gasflaschen eventuell um die Ohren geknallt ist. Vorsichtig mach ich den Gaskasten auf – aber auch hier ist nichts zu sehen. Alles so, wie es sein soll. Ratlos sehen wir uns an. Wir sehen absolut nichts, nicht aussen, nicht unter dem Auto, nichts am Motor – und auch nicht innen. Ich prüfe das Luftfahrwerk, denn die letzte Idee die mir einfällt ist, dass hier der Druckbehälter explodiert ist. Aber auch das funktioniert einwandfrei.
Wir sind ratlos und mit einem sehr mulmigen Gefühl setzen wir unsere Fahrt fort, nachdem wir absolut nichts Ungewöhnliches feststellen konnten. Und tatsächlich – wir fahren 100 km problemlos weiter. Es geht nun von der Autobahn ab auf eine Bergstrasse. Wir müssen über einen Pass. Ein Belastungstest. In einer Kurve scheppert schon wieder etwas – diesmal aber metallisch und es klingt so, als ob etwas abgebrochen ist und irgendwo gegenknallt. Das Geräusch hören wir in zwei verschiedenen Kurven. Kurz darauf bleiben wir wieder stehen und die Suche geht von vorne los. Und wieder finden wir nicht das Geringste. Alles ist so, wie es sein soll. Wir sind noch ratloser und fahren weiter, achten auf alles was uns komisch vorkommt. Jetzt hören wir nichts mehr. Wir kommen in León an – prüfen nochmal alles, aber es ist einfach nichts zu finden. Wir wissen bis heute nicht, was es war. Ob es nur 3 Zufälle hintereinander waren, oder ob doch irgendwo etwas kaputtgegangen ist.
Die Stadt León ist dann dafür sehr schön anzusehen. Nicht besonders gross, überschaubar und sehr gemütlich. Mit unseren Fahrrädern erkunden wir das Zentrum und lassen den Schock der heutigen Anreise setzen.
Es gibt viele historische Gebäude, wie beispielsweise das Convento de San Marcos. Die ehemalige Pilgerherberge, Kloster und Sitz des Santiagoordens liegt direkt am Ufer des Río Bernesga. Während der Franco-Diktatur von 1936 bis 1939 diente das Gebäude als Konzentrationslager. Das Gebäude mit der wuchtigen, reich verzierte Fassade ist heute ein Luxushotel. Auch die Kathedrale im Altstadtzentrum ist ein optischer Leckerbissen. Wir spazieren gemütlich die Gassen auf und ab und geniessen das bunte Treiben in den zahlreichen Cafes und Restaurants. Den Tag lassen wir mit einer kleinen Shopping-Tour ausklingen, bevor wir am nächsten Morgen Richtung Urueña – dem «Villa del Libro» - aufbrechen.
Urueña
Der Ort liegt im ehemals umstrittenen Grenzgebiet zwischen der Grafschaft Kastilien und dem Königreich León. Deshalb wurde es im Mittelalter mit einer Stadtmauer umgeben, welche bis zur heutigen Zeit nahezu vollständig erhalten blieb. So wurde der Ort im Jahre 1975 als Nationales Kulturgut anerkannt. Was zusätzlich aussergewöhnlich ist: die «Stadt» zählt nicht mal 200 Einwohner, hat dafür aber 11(!) Buchhandlungen. Es war schon irgendwie witzig, denn es wirkt alles komplett ausgestorben, es gibt kein Geschäft oder Laden, der offen hat. Nur ein paar Buchhandlungen und zwei Restaurants. Für uns reichen etwa 2 Stunden für den Besuch und die komplette Erkundung der Stadt aus. Nicht unweit davon ist die Ermita de Nuestra Senora de la Anunciada – eine kleine, aber dafür wunderschön gestaltete Kirche, an der wir dann schlussendlich auch unser Nachtlager aufschlagen. Mitten im nirgendwo verbringen wir die Nacht, wo wir seit längerem wieder mal tatsächlich die totale Stille geniessen können.
Salamanca
Es geht nach Salamanca! Viel wissen wir leider auch von dieser Stadt nicht, aber die Bilder und die Geschichte, die wir im Internet über die Stadt finden, sehen sehr vielversprechend aus. Und wir entscheiden uns dafür, nach einer gefühlten Ewigkeit wieder mal einen richtigen Campingplatz aufzusuchen. Einen Platz, auf dem es jede Menge heisses Wasser gibt. Wir sind mit dem Warmwasser im Camper öfters etwas sparsam, gerade wenn die Aussentemperaturen ein angenehmes Level haben – deswegen können wir uns hier endlich wieder mal austoben und eine ausgiebige heisse Dusche mit richtig viel Bewegungsfreiheit geniessen.
Von unserem Campingplatz können wir Salamanca sehr bequem mit dem Fahrrad erreichen. Gerade mal etwa 7 km müssen wir hinter uns bringen, bevor wir fast im Stadtzentrum stehen. Und auch hier werden wir wieder ordentlich belohnt: die ganze Innenstadt sieht aus wie eine alte, römische Metropole. Die Fassaden und Häuserzeilen sind allesamt in golden schimmernden Sandsteinblöcken gefasst. Es sieht so aus, als ob sich hier jahrhundertelang nichts verändert hat. Wir sind hin und weg von dem Stadtbild, das sich uns hier bietet. Die riesige Kathedrale ist schon von Weitem zu sehen, und auch aus der Nähe ist sie nicht weniger eindrücklich. Leider sind die Eintrittspreise für die Kirchen gesalzen. Nicht nur hier, sondern fast überall. Klar ist, dass für eine Mega-Kathedrale wie beispielsweise die in Sevilla ein Obolus fällig ist. Aber wir finden mittlerweile nur noch entweder geschlossene Kirchen oder solche, die zwischen 5,- und 20,- EUR Eintritt kosten. Pro Person wohlgemerkt. Man kann sich das mal gönnen, aber auch in Salamanca wären wir wieder gute 80,- EUR los, wenn wir alle Kathedralen und Kirchen besichtigen würden. Nicht gut für unser Dauerreisebudget. Sehr schade, dass die Gotteshäuser nur noch mit Eintritt besucht werden können. Es ist ein bisschen schwer nachvollziehbar, in den riesigen Hallen Prunk, Glorie und die wertvollsten und teuersten Kirchenschätze zu begutachten und gleichzeitig eine der reichsten Institutionen der Welt noch ein bisschen reicher zu machen. Aber egal – philosophieren darüber zahlt sich nicht aus. Sie ist trotzdem schön, auch von aussen.
Schlussendlich begeben wir uns noch auf die Mission Froschsuche. In Salamanca ist es Tradition und soll Glück bringen, wer an der Fassade der alten Universität das Logo und Maskottchen ohne fremde Hilfe findet: einen Totenschädel mit einem Frosch auf dessen Haupt. Was einfach klingt, ist es in Wahrheit nicht. Abgesehen davon, dass wir rund eine Stunde lang an der falschen Universität die Fassade abgesucht haben (ja, es gibt zwei Unis in Salamanca…), ist es auch an der richtigen Stelle nicht so einfach. Der Eingangsbereich ist von unten bis oben reich an Verzierungen, unzähligen Fresken und Statuen. Nach einigen Minuten gelingt es uns aber doch und wir finden den kleinen Schädel und den noch kleineren Frosch inmitten des Wunderwerks. Nun ist also das Glück (immer noch) auf unserer Seite. Eine kleine Auffrischung kann ja nicht schaden.
Da der Campingplatz das reizvolle Angebot hat, 4 Nächte zum Preis von 3 zu verbringen beschliessen wir kurzerhand, dass wir noch ein paar Tage hierbleiben. Leider müssen wir gegen eine ziemlich grosse Horde von Fliegen ankämpfen, die tagsüber recht lästig sind, aber trotzdem geniessen wir die Zeit und den Komfort sehr. Noch mehr geniessen wir die Gesellschaft: gegenüber von uns platzieren sich Tom und Nadine mit ihrem Van. Recht schnell kommen wir ins Gespräch und wir verlieren uns in spannende und interessante Diskussionen. Die zwei sympathischen Lehrer sind erst seit kurzer Zeit unterwegs und geniessen jetzt ein Jahr Auszeit, nachdem sie ihre Pläne bereits um einige Monate nach hinten verschieben mussten. Wir unterhalten uns die folgenden zwei Abende unheimlich gut und hätten vermutlich noch wochenlang weiterquatschen können. Leider gehen unsere geplanten 4 Tage am Campingplatz viel zu schnell vorbei und schon müssen wir uns von den beiden verabschieden. Aber wir denken, dass wir uns nicht das letzte Mal gesehen haben – zumal die beiden für nächstes Jahr auch einige Reisepläne haben, die mit unseren Plänen nicht so unähnlich sind. Wir sind gespannt wie es bei den beiden weitergeht und wann und wo wir uns das nächste Mal treffen.
Von den beiden bekommen wir einen Tipp, der eine nicht enden wollende Diskussion löst, die ich mit meiner Frau habe seitdem wir in unsere Reise gestartet sind. Es geht um Auffahrkeile. Seit Monaten reden wir immer wieder über vermeintlich fehlende Keile. Crashkurs für Camping-Unkundige: Auffahrkeile benützt man, um das Fahrzeug so zu nivellieren, dass es geradesteht. Die meisten Untergründe auf Stell- und Campingplätzen sind leider nicht ganz gerade, und wenn man schief steht hat das verschiedene Nachteile – beispielsweise auch beim Kochen, wenn das Öl in der Pfanne in eine Richtung fliesst. Ganz abgesehen davon, dass es auch zum Schlafen nicht sehr angenehm ist, wenn man schräg steht. Aber gut – bislang haben wir das immer irgendwie hinbekommen oder akzeptiert. Aber meistens haben wir das etwas neidisch auf unsere Nachbarn geschaut, die dann superflockig mit ihren Keilen ein perfektes Gerade-Steh-Ergebnis erzielt haben. Gut, ich habe mich schon vor einigen Wochen breitschlagen lassen, dass wir uns die 30-Euro-teuren Teile irgendwo besorgen. Bisher haben wir aber noch keinen entsprechenden Shop gefunden. Doch in Salamanca soll es tatsächlich so weit sein: Tom und Nadine waren tags zuvor bei dem Wohnmobilhändler, der direkt vor dem Eingang unseres Campingplatz steht – und sie berichten uns, dass die Auffahrkeile haben. Am Abreisetag machen wir dann tatsächlich Nägel mit Köpfen – oder bessergesagt Keile mit Neigung – und kaufen tatsächlich und endlich die Dinger. Monatelange Diskussionen finden nun ein Ende.