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Auch Umwege erweitern unseren Horizont.
05. Juli 2023 - Reisetagebuch Eintrag #129
- FEHLSTART | geschrieben von Rene
Bekanntschaften
Am Campingplatz am Lake Lewisville machen wir Bekanntschaft mit Jolene. Sie ist eine der guten Feen hier, die für Recht und Ordnung sorgen. Sie fährt mehrmals pro Tag mit ihrem Golfwagen um den Platz und bleibt immer wieder bei uns stehen. Zu Fuss geht hier niemand. Alles muss einen Motor haben. Wir outen uns gleich zu Beginn als Camperneulinge (und das, obwohl wir 3 Jahre lang in einem Camper gewohnt haben). Sie steht uns mit Rat und Tat zur Seite und hat wirklich brauchbare, wichtige Tipps für uns auf Lager. Das macht uns alles einiges leichter. Bis unser Zuhause mal annähernd so aussieht, wie wir es uns vorstellen, darf ein Besuch im IKEA nicht fehlen. Die gibt’s hier zwar nicht ganz so zahlreich wie in Europa, aber wir finden trotzdem einen in der Umgebung von Dallas. Wir schnuppern ein bisschen Schwedenluft – obwohl hier doch alles ziemlich amerikanisch ist. Aber zumindest bekomme ich wie gewohnt meinen Kaffee im Bistro und nach der Shopping-Tour den obligatorischen IKEA-Hot-Dog, der hier fast 2 Dollar kostet.
Auch unsere unmittelbaren Nachbarn am Campingplatz lernen wir kennen: Chuck und Kerri. Die wohnen seit zwei Wochen in ihrem Van, der muss aber noch fertig ausgebaut werden. Da steckt ziemlich viel Arbeit vor dem Paar, aber das Ziel ist, in ein paar Wochen (oder Monaten) alles zu haben, was man für das Camperleben braucht.
Und noch eine gute Seele lernen wir kennen: David. Irgendwie sind wir vor ein paar Wochen auf den Hobbybastler aufmerksam geworden. Er hat sich zum Ziel gesetzt, kleine Vans oder SUVs auszubauen, damit man damit zumindest ein paar Tage und Nächte unterwegs sein kann. Wir sind von Anfang an total begeistert von seinen Arbeiten. Auf seiner Instagram-Seite gstickery präsentiert er stolz seine neuesten Errungenschaften und Ausbauten. Und die können sich wirklich sehen lassen. DAS nennen ich mal «smart»! Was hier überall fehlt, die kompakten und ausgeklügelten Ideen, baut David in seine Kundenfahrzeuge. Nun gut, wie erwähnt sind wir vor einigen Wochen in Kontakt mit ihm gekommen. Er wohnt auch in Dallas und kommentiert immer fleissig auf unserem Instagram-Account. Leider schafft David es aus zeitlichen Gründen nicht, etwas Grösseres zu machen, wie beispielsweise einen Van. Sonst hätten wir uns ernsthaft überlegt, einen Dodge ProMaster (das Äquivalent zum Fiat Ducato Van) hier zu kaufen und ausbauen zu lassen. Aber das wäre dann schon eine grössere Nummer geworden, und vermutlich zeitlich für uns auch nicht vertretbar. Als wir hier auf dem Campingplatz sind, schreiben wir wieder einmal über Instagram, und kurzerhand fragen wir ihn, ob er nicht zufällig Lust hat, einen Sprung vorbeizukommen. Und tatsächlich sagt er gleich zu und wir vereinbaren etwas auf den kommenden Tag.
Pünktlich taucht David auf, wir trinken gemütlich Kaffee und freuen uns sehr, dass wir uns nach der ganzen Schreiberei nun auch wirklich persönlich kennenlernen. David hat wirklich ein gutes Herz. Zunächst beschenkt er uns mit frisch gepflückten Tomaten aus dem eigenen Garten. Und dann hat er noch unzähligen Gimmicks herumliegen, die er so im Laufe der Zeit gesammelt hat: LED-Leuchten, USB-Lichter, Solarlichter, LED-Streifen, Mülleimerhalter, USB-Taschenlampe – was da alles zusammenkommt. Er legt kurzerhand einen Riesensack voller Technik auf den Tisch und sagt, wir sollen uns einfach nehmen, was wir brauchen können. Wie cool ist das denn?? Das kommt uns sehr gelegen, denn natürlich haben wir nichts davon – und so können wir unseren Camper gleich mal etwas freundlicher einrichten und an die entsprechenden Plätze die USB-Lichter positionieren. Danke David, das freut uns wirklich sehr! Wir fühlen uns gleich ein bisschen wohler hier in den Staaten, vor allem weil wir nun die ersten wirklich netten Menschen kennengelernt haben. Und auch bei einem anderen Problem kann mir David helfen – denn unser Wasserhahn in der Küche geht plötzlich nicht mehr. Er hat in seinem Auto jede Menge Werkzeug und so ist es ein Kinderspiel, das Ding wieder zum Laufen zu bringen. Grandios! Und zu guter Letzt hat er unzählige Campingtipps auf Lager. Sein Besuch hat sich für uns mehr als gelohnt.
Leider müssen wir uns viel zu schnell wieder von David verabschieden. Aber wir bleiben sehr gerne in Kontakt. Während unseres Aufenthalts am Campingplatz ist uns noch das ein oder andere aufgefallen, was nicht ganz passt – so kann man z.B. die Duschtüre nicht schliessen, und wir wollen gerne einen anderen Radio einbauen, denn der derzeit verbaute hat nur ein kleines Display ohne Grafik. Wir wollen aber gerne mit Android Auto fahren, und dann am liebsten unser Handy auf das Display spiegeln, damit wir dann dort das Navi haben. Also bestellen wir in der Werkstatt ein entsprechendes Radio, das eingebaut werden soll und auch mit unserer Heckkamera umgehen kann – denn auch die ist bislang zwar da, aber ohne Funktion. Und auch das automatische Leveling-System hat irgendwie Macken. Ich krieg das nicht hin und bin überzeugt, ich habe es falsch verstanden. Wie alles andere auch sind diese Hubstützen nur dann zu bedienen, wenn man davor einen Weiterbildungskurs absolviert hat. Also denke ich mir, wir lassen uns das nochmals zeigen.
Werkstatt-Campingplatz-Werkstatt...
Wir fahren zur Werkstatt und machen uns an den Einbau des Radios, das normalerweise 1 bis 2 Stunden dauern sollte. Geworden sind es schlussendlich 5. Nun sind wir also 700 Dollar ärmer, aber wenigstens haben wir einen Radio, der auch die Rückfahrkamera ansprechen kann (die hat ja logischerweise davor auch nicht funktioniert). Augen zu und durch. Die Scheine flattern hier aus dem Geldbeutel wie das Laub von den Bäumen im Herbst. Nun schauen wir uns noch das Leveling-System an, und der Mechaniker stellt fest, dass die gar nicht so funktionieren, wie sie eigentlich sollten. Na ganz super, nochmal etwas, das nicht geht. Was wird da noch alles kommen?
Da es schon später nachmittag ist und wir noch etwa 1 Stunde zu unserem Nachtquartier fahren müssen, lassen wir es für heute Gut sein und vereinbaren einen neuen Termin am Montag. Weil das Wochenende dazwischen liegt, müssen wir also wieder zwei Tage warten, ohne dass wir weiterkönnen. Schon bei der Fahrt zum Campingplatz fällt uns auf, dass Ollie bei der kleinsten Unebenheit ein klopfendes, metallisches Geräusch von sich gibt. Das hat er davor nicht. Wie kann das sein? Sie haben ja nur das Radio eingebaut? Und an den Hubstützen herumgewerkelt? Wir bleiben auf dem Highway stehen, weil wir glauben, dass sich eine der Stützen gelöst haben könnte und wir die jetzt hinter uns herziehen. Doch das ist zum Glück nicht der Fall. Ich finde aber auch sonst nichts, dass irgendwie komisch aussieht. Ich lege mich so gut es geht unter das Auto, aber ich finde nichts. Mit einem ziemlich mulmigen Gefühl fahren wir mit dem lauten Klopfgeräusch also weiter zum Campingplatz und hoffen, dass es nichts Schlimmes ist.
Im Dunkeln kommen wir am Campingplatz an und machen uns endlich was zu essen. Im Moment läuft es einfach nicht rund bei uns. Wir sind geplagt von Zweifeln und fühlen uns unendlich unwohl. Noch nie während unserer ganzen Reise in den letzten Jahren waren wir so durcheinander und wussten nicht, ob wir unser Ziel weiterverfolgen sollen. Unschlüssig und ratlos machen wir uns fertig für das Bett. Bei der ganzen Aufregung vergessen wir, dass wir unseren zweiten Bundesstaat der USA betreten haben: Oklahoma.
Am Wochenende fallen uns noch mehr Dinge an Olli auf: Das Rücklicht geht nicht (obwohl es angeblich schon repariert wurde), an der Beifahrerseite hängt eine Leiste herunter, die Schraube eines Elektrokabels hat sich im Motorraum gelöst und das Stromkabel, welches nur mit einem Isolierband umwickelt ist, lässt uns nicht wirklich ruhiger schlafen. Und der Kühlschrank stellt nicht mehr automatisch auf Strombetrieb um und läuft immer auf Gas, auch wenn wir «eingesteckt» sind. Das Wochenende am Lake Texoma ist schön, aber so richtig entspannen können wir nicht.
Am Montag früh stehen wir wieder in der Werkstatt. Heute geht endlich mal was. Die meisten Dinge, die uns aufgefallen sind, können sie reparieren. Das laute Klopfgeräusch kommt von kaputten Stabilisatoren-Gummis, die zum Glück schnell organisiert und getauscht sind. Gott sei Dank – denn so hätten wir nicht weiterfahren können. Fast alles kann repariert werden, nur die Leveling-Jacks nicht. Keine Chance, der Metallfuss ist einfach kaputt, er fährt zwar aus, aber nicht wieder ein. In der Werkstatt haben sie – so zumindest unser Eindruck – allerdings absolut keine Ahnung von dem Leveling-System. Und leider auch von manch anderen Sachen nicht. Sie müssen immer zuerst auf YouTube nachschauen. Sie versuchen, die Herstellerfirma anzurufen, aber da geht niemand ran. Wir müssen unverrichteter Dinge wieder abreisen. Am nächsten Tag erklärt uns der Händler, sie haben endlich jemanden erreicht, aber sie müssen nun einen komplett neuen Zylinder bestellen. Wartezeit: ungefähr 3 - 5 Tage.
Was ist das nur für ein K(r)ampf!! Wir werden langsam wirklich sauer, denn all diese Dinge wären aufgefallen, wenn das Wohnmobil vor der Übergabe wenigstens einmal ordentlich durchgecheckt worden wäre. Ich fühle mich wie ein Beta-Tester für ein unausgereiftes Produkt. Uns fallen von Mal zu Mal mehr Dinge auf. Was sollen wir jetzt machen? Nochmals eine ganze Woche warten? Nochmals Zeit verschenken, kostbare Zeit, in der unser Visum abläuft? Wir haben nur 3 Monate, die wir hierbleiben dürfen. Davon sind fast 6 Wochen rum, und wir haben nichts anderes gesehen als die olle Werkstatt, zwei Campingplätze und ein paar dreckige Absteigen. Wir ärgern uns wirklich und überlegen ernsthaft, die ganze Sache abzublasen, die Jacks einfach so zu lassen, wie sie sind und uns endlich auf unser heiss ersehntes Abenteuer zu begeben.
Aber andererseits haben wir dafür einen ordentlichen Preis bezahlt. Verkauft wurde das Fahrzeug natürlich MIT dem Leveling-System. Einem funktionierenden System. Wenn wir es wieder verkaufen wollen, wird ein Käufer wohl zurecht meckern. Nach langen Überlegungen beschliessen wir, dass wir – so weh es uns auch tut – nochmals eine Woche warten. Wir kennen so Aussagen wie «ca. 3 – 5 Tage» zur Genüge. Daher wollen wir wenigstens einen fixen Liefertermin wissen und bitten die Werkstatt mehrfach, sich den Termin beim Hersteller bestätigen zu lassen. Aber auch das bekommen sie nicht hin – oder wollen es nicht. Es ist wirklich traurig, aber wir sind von Tag zu Tag mehr enttäuscht von Starlight Motors. Die kommenden Tage werden extrem heiss. Und «extrem» ist hier wirklich extrem. Werte um die 40 Grad und mehr glühen uns die Frisur von der Birne. Wir sind unendlich froh, dass wenigstens die Klimaanlage gut funktioniert. Andernfalls wären wir im Camper wohl als Grillhähnchen geendet. Wir versuchen, aus der erzwungenen Wartezeit das Beste zu machen und verbringen die Tage wieder am Campingplatz in Lewisville, wo wir uns so wohl gefühlt haben. Hier haben wir alles, was wir brauchen – und zudem noch einen schönen See vor der Nase.
Und weil wir unser Reisebudget in diesem Monat ohnehin schon dermassen überstrapaziert haben, wie noch in keinem anderen unserer Reisemonate, kaufen wir uns zur Feier des Tages ein SUP. Von dem Träumen wir schon lange, und Amazon liefert auch hier frei Haus – also fackeln wir nicht herum und gönnen uns das Paddle-Board, um zukünftig die schönen Seen in den USA und Kanada auf Wasser befahren zu können. Selbstverständlich probieren wir das Board sofort nach seiner Ankunft aus und machen die ersten Kilometer auf dem Lake Lewisville. Während unserem zweiten Ausflug müssen wir schon 3 Mexikaner aus ihrer misslichen Lage befreien, denn der Jet-Ski der jungen Familie ist plötzlich wie aus heiterem Himmel umgekippt. Nö, sie haben sicher nicht zu schnell in eine Kurve eingelenkt. Na wie auch immer – wir sind mit Chuck unterwegs, den wir am Campingplatz wieder getroffen haben. Er hat auch ein SUP und gemeinsam retten wir Frau, Mann und Kind und bringen sie mit unseren SUPs ans sichere Festland.
Gas Monkey Garage
Wir nutzen die Zeit aber auch für ein bisschen Sightseeing. Wir erfahren durch Zufall, dass sich die «Gas Monkey» Garage in Dallas befindet. Wem das nichts sagt, dann klingelt vielleicht bei «DMAX» und «Fast ‘n Loud» etwas. Wer davon auch noch nie gehört hat, kann den Absatz getrost überspringen. Für alle, die es trotzdem interessiert: die Gas Monkey-Garage ist der Hauptort der oben erwähnten Doku-Soap, die viele Jahre auf DMAX gelaufen ist. Dort wurden vermeintlich alte amerikanische Kisten wieder aufgebaut, repariert, getuned und auf Hochglanz poliert. Nun ja, uns beiden als Autofans ist das natürlich ein Begriff, und so darf ein Besuch der Gas Monkey Garage in Dallas nicht fehlen. Richard Rawlings lässt sich natürlich nicht blicken, auch keiner der Mechaniker. Man darf nur in den Merchandise-Shop, weiter kommt man nicht. Aber immerhin – wir sind trotzdem begeistert!
Das Warten nimmt kein Ende
Zurück zur realen Welt mit unseren realen Problemen: Natürlich verstreichen die angekündigten 5 Tage und nochmals 4 dazu, und weder die Lieferung ist da, noch können sie uns einen Liefertermin nennen. Jetzt werden wir beide wütend und beschliessen, dass wir wohl oder übel ohne die bescheuerten Jacks weiterfahren werden. Es hat keinen Zweck, der Händler antwortet jetzt nicht mehr auf unsere Anfragen, Anrufe und EMails – auch nicht auf die Frage, ob sie uns die Bestellnummer geben können – denn dann hätte ich beim Hersteller selbst angerufen und nach dem Liefertermin gefragt. Das ist echt eine Sch…partie mit den Amis hier. Bezahlen durften wir die Rechnung aber natürlich gleich. Und wie so oft: Wenn alles bezahlt ist, ist man als Kunde anschliessend nur noch stinkende Luft. Schönen Dank auch. Aber wir kennen das noch von früher, als wir Frida – unser erstes Wohnmobil – damals gekauft haben.
Egal, wir versuchen uns nicht zu viel zu ärgern und machen uns bereit, weiter in den Norden zu fahren. Hier wird es immer unerträglicher, die Hitze knallt uns jeden Tag weg und die Klimaanlage läuft auf Volllast. Wir wollen nicht mal mehr baden gehen, weil es draussen einfach schon zu heiss ist. Wir freuen uns auf die kühlen Temperaturen des Nordens – und dass WIR das einmal sagen, das hätten wir selbst nicht geglaubt. Just in den Moment, als wir kurz vor dem Aufbruch stehen und die ganze Sache eigentlich schon gedanklich abgeschlossen haben, meldet sich der Händler aus seiner Versenkung und teilt uns mit, dass er jetzt einen Liefertermin bekommen hat. Das Teil soll angeblich am Montag ankommen. Der Tag, an dem wir es erfahren, ist Donnerstag. Der Einbau kann am Dienstag stattfinden. Also nochmals 5 Tage – nachdem wir nun schon 9 Tage warten. Wir sind fertig mit den Nerven. Sollen wir das wirklich machen? Unsere Köpfe laufen heiss – nicht nur wegen der Temperaturen. Wir hoffen inständig, dass es kein Fehler ist, aber wir entschliessen uns, aus den ursprünglich angekündigten 5 Tagen und die 4 Tage, die wir oben drauf gepackt haben, dann eben in Summe 14 Tage zu machen. Wir sind stinksauer – danke für Nichts, Starlight Motors!
Der Rauswurf
Das Sahnehäubchen kommt, als wir unseren Campingplatz verlängern möchten. Denn die Regel lautet, dass man auf dem Platz innerhalb eines Monats nur maximal 14 Tage stehen darf. Und daher ist die Zeit für uns am Samstag um. Wir müssen also raus, ob wir wollen oder nicht. Wie bitte??? Ich kann es nicht glauben. Wir sind wieder einmal fertig mit der Welt und mit den USA auch. Was zum Geier sind denn das für beschissene Regeln? Das Land der unbegrenzten Dämlichkeiten. Ich schau auf Skyscanner, was ein Flugticket nach Hause kostet. Die USA hat uns gar nicht verdient…
Liebe Grüsse
Reiseroute
09. – 12. Jun. 2023Lake Texoma, OK
US12. – 14. Jun. 2023Sherman, TX
US14. – 27. Jun. 2023Lake Lewisville
US